Neckar-Bergstraße Der Wahlkreis Heidelberg - ein "Swing-Kreis"

Im Bundestagswahlkreis Heidelberg werden sich Grüne und CDU einen Zweikampf liefern. Der Ausgang ist wieder einmal offen, kommentiert Konstantin Groß

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Konstantin Groß
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Heidelberg. Wir haben es inzwischen ja alle gelernt: In den USA heißen Bundesstaaten, die bei Präsidentschaftswahlen umkämpft sind, Swing States. Legt man diesen Maßstab - für keine der antretenden Parteien eine feste Bank - an den Bundestagswahlkreis Heidelberg an, so kann man in einem Wortspiel sagen: Dieser Wahlkreis ist ein Swing-Kreis.

Und man kann auch schon erahnen, wer diesen Zweikampf austragen wird: Grüne und CDU, also Franziska Brantner und Alexander Föhr, die sich bereits beim letzten Mal gegenüberstanden. Doch diesmal ist die Lage anders - und nicht nur deshalb, weil Föhr im Gegensatz zu 2021 nicht mehr nur als Stadtrat, sondern ebenfalls als amtierender Abgeordneter ins Rennen geht. Vor allem aber deshalb, weil die CDU in keinem Laschet-Tief steckt, sondern in einem Merz-Hoch. Die Grünen wiederum dümpeln bundesweit bei etwa zwölf Prozent.

Brantner als Staatssekretärin Habecks für die CDU angreifbar

Schon jetzt absehbar ist, wie die CDU Brantner anzugehen gedenkt, und das auch sehr persönlich: als diejenige nämlich, die als Habecks Staatssekretärin Mitverantwortung für dessen umstrittene Politik trägt. Denn so sehr der Wirtschaftsminister für seine Partei Galionsfigur ist, so sehr ist er spätestens seit seinem vermurksten Heizungsgesetz für viele andere ein rotes, sorry: grünes Tuch. Diese Stimmung wird die CDU zu nutzen suchen.

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Warum der Wahlkreis Heidelberg ganz Deutschland interessiert

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Ein weiterer Angriffspunkt der CDU gegen Brantner wird sein: ihre Präsenz vor Ort. Dabei muss jedem klar sein, dass eine Spitzenpolitikerin in ihrem Wahlkreis nicht so präsent sein kann wie ein „normaler“ Abgeordneter. Ob es den Wählern allerdings reicht, ihre Abgeordnete auf der Regierungsbank neben dem Kanzler sitzen zu sehen statt bei der Kerwe neben ihnen, muss sich zeigen. Föhr jedenfalls hat vor Ort eine Präsenz entwickelt, die seinem Dauer-Vorgänger Karl A. Lamers in fast nichts nachsteht.

Schwierig auch in diesem Wahlkreis wird es wohl für die Kanzlerpartei SPD. Auch wenn sie aus dem Desaster der letzten Wahl, als sie eine völlig unbekannte Kandidatin aus einer Kleinstadt im Umland ins Rennen schickte, gelernt und eine Größe der Heidelberger Kommunalpolitik nominiert hat. Das wird Tim Tugendhat in der Universitätsstadt nützen, doch außerhalb ist er völlig unbekannt. Von dem bundespolitischen Klima für die SPD gar nicht zu reden.

Nicht nur das Direktmandat ist politisch entscheidend

Spannend wird jedoch nicht nur, wer das Direktmandat vor Ort im Wahlkreis holt. Politisch entscheidend ist, wer wirklich ins Parlament einzieht. Angesichts des neuen Wahlrechts kommt es für eine Partei auf ihre Zweitstimmen auf Landesebene an.

Brantner wird, da wohl oben auf der Landesliste, auch dann in den Bundestag einziehen können, wenn sie das Direktmandat diesmal verfehlt. Und angesichts von landesweiten CDU-Umfragewerten von gut 33 Prozent hat Föhr auch bei dem neuen Wahlrecht gute Chancen, erneut dem Parlament anzugehören.

Doch noch ist nichts entschieden. Drei Monate sind in der Politik eine ewig lange Zeit, gerade in stürmischen wie diesen. Scheinbare Gewissheiten können plötzlich keine mehr sein. „Vor Gericht und auf hoher See ist man allein in Gottes Hand“, lautet ein Bonmot. Man darf getrost hinzufügen: auch an der Wahlurne.

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VG WORT Zählmarke