Die tückische Krankheit Depression hat in den vergangenen Jahren mehr Aufmerksamkeit bekommen, das zeigt sich nun auch in mehr Diagnosen. Das ist gut und wichtig. Trotzdem muss man sagen: Fernab der Medien, im Alltag, dort wo wir Kollegen, Freunde und Angehörige treffen, wird immer noch zu wenig darüber geredet. Genau deshalb sind Ansätze, wie die des Erste-Hilfe-Programms für die Seele „MHFA Ersthelfer“ am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim, genau richtig. Nämlich niederschwellig, nah und ohne Vorurteile. Aber mit geballter Kompetenz zu den Erscheinungsformen der Krankheit.
Ersthelfer lernen dort, Symptome psychiatrischer Erkrankungen zu erkennen. Und Betroffene anzusprechen und sie dann zu Hilfe, etwa als erste Anlaufstelle zum Hausarzt, zu führen. Dass gerade das Erkennen der Symptome psychischer Erkrankungen gar nicht so einfach ist, zeigt sich besonders bei der Depression. Manche Symptome wirken auf andere Menschen gar verstörend. So schreiben Betroffene zum Beispiel auf der Homepage der Deutschen Depressionshilfe ihre Erfahrungen auf, was im Übrigen ein vorbildlicher Ansatz ist, um das Befinden Betroffener verständlicher zu machen. Dort schreibt ein 31-Jähriger etwa: „Das Ausfüllen eines Formulars wurde zu einer unüberwindbaren Aufgabe. Ich konnte nicht mehr alleine bleiben. Selbst auf meine Tochter aufpassen – dazu war ich nicht mehr fähig. Besonders schlimm war, dass ich für meine Frau und mein Kind keine Gefühle entwickeln konnte.“ Eine weitere Frau, Anfang 60, listet auf: „Es kostete Mühe, überhaupt zum Bäcker zu gehen. Dann stand ich im Laden und ließ erst mal alle Leute vor. Was sollte ich nur für ein Brot nehmen (...) ? Mein Gott, was nehme ich bloß, gleich komm ich an die Reihe. Aber bevor es so weit war, drückte ich mich durch die Ladentüre wieder hinaus. Ich konnte mich nicht entscheiden“
An Depression Erkrankte sind oft nicht einfach nur traurig. Sie leiden oft unter vermeintlich diffusen Symptomen. Genau deshalb müssen wir wachsam sein und uns mit dem Thema beschäftigen. Daher sollten weitere Angebote wie die Mannheimer Ersthelferkurse folgen. Von oder für verschiedenste Akteure. Sei es in Bildung, Pflege oder im Unternehmen. Sei es ein „Betriebliches Symposium Depressionen“ im Job, eine wiederkehrende Konferenz „Wie fühlt ihr euch eigentlich mit der Corona-Lage“ oder eine Kurswerkstatt „Depressionswissen“. Seit der Krise brauchen wir so etwas mehr denn je.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Depressionen: Mehr als nur traurig!
Lea Seethaler über das Krankheitsbild Depression