Kommentar Das dominierende Gefühl nach der Messerattacke: Hilflosigkeit

Der Bundespräsident gedenkt in Mannheim des getöteten Polizisten. Sein Auftritt zeigt, wie ernst es um die Verunsicherung in der Bevölkerung steht, kommentiert "MM"-Chefredakteur Karsten Kammholz

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Karsten Kammholz
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Die Tragweite von Ereignissen lässt sich auch daran ablesen, wie der Staat auf sie reagiert – und vor allem wer reagiert. Der Besuch des Bundespräsidenten in Mannheim und seine Teilnahme an dem stillen Gedenken auf dem Marktplatz ist viel mehr als eine Geste.

Staatsoberhaupt Frank-Walter Steinmeier war nicht nur in der Stadt, um der Familie des getöteten Polizisten Rouven Laur seine Anteilnahme auszusprechen. Steinmeiers Auftritt hatte das Ziel, eine zutiefst erschütterte Stadtgesellschaft zu stützen und zugleich der Bevölkerung in Deutschland zu vermitteln: Diese Tat geht das ganze Land an.

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Messerattacke in Mannheim: Trauerfeier für Rouven Laur im Rosengarten

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Dabei hätte der feige, heimtückische Mord eines Afghanen an dem Beamten ohne die verstörenden Videoaufnahmen vielleicht nicht diese Wellen geschlagen. Die schockierenden Bilder vom Marktplatz und der mutmaßliche islamistische Hintergrund haben das Sicherheitsgefühl der Menschen bundesweit verletzt. Das dominierende Gefühl: Hilflosigkeit.

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Dass der Staat das nicht zulassen darf, hat nicht nur der Bundespräsident verstanden. Der Bundeskanzler will jetzt das Strafrecht verschärfen und die Abschiebung von Schwerstkriminellen nach Afghanistan und Syrien wieder ermöglichen. Sein Vorschlag stößt wiederum auf Bedenken bei der Außenministerin. Es sind diese bekannten Forderungs- und Ankündigungsreflexe, die sich abnutzen und das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit staatlicher Institutionen weiter verspielen.

Immer muss erst der Rahmen des Vorstellbaren gesprengt werden, damit politische Debatten über Konsequenzen geführt werden. Was muss geschehen, damit sich nach diesen Debatten auch spürbar etwas verändert? Es wäre doch jetzt naheliegend, durch eine Stärkung der Polizei mit Personal und Ausstattung das Sicherheitsempfinden der Menschen zu stabilisieren. Sichtbare Polizeipräsenz muss eine Antwort auf die tiefgreifende Verunsicherung sein.

Denn die Stimmung unter Polizisten schwankt derzeit zwischen Trauer und Wut. Von einem riesigen Frust gegenüber der Politik spricht etwa der baden-württembergische Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG).

Die Polizisten arbeiten jeden Tag unter Gefahren für das friedliche Zusammenleben aller und die Demokratie. Sie haben dies auch wieder am demonstrationsreichen Freitagabend getan. Trotz ihrer Trauer. Es war ein Gedenktag, der still und würdevoll begann und besser auch still hätte enden sollen.

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