Kommentar Darum ist der Mannheimer Stadtteil Jungbusch ein echtes Vorbild

Viel Reibung, viele Kulturen - und viele kreative Lösungen. Der Jungbusch ist ein echtes Vorbild für Mannheim, gerade in Krisenzeiten wie diesen, findet Lisa Wazulin

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Lisa Uhlmann
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Eigentlich ist alles wie immer, ist der Nachtwandel im Jungbusch für mich als Mannheimerin fest im Kalender eingetragen. Aber ist dieses Multikulti-Fest wirklich so selbstverständlich, wie es sich anfühlt? Ist es nicht.

Spürbar wird das gerade in Zeiten wie diesen. Wo ein weit entfernter Konflikt Menschen bei uns auf die Straße treibt – und durch gegensätzliche Ansichten auseinanderreißt, statt zusammen zu halten.

Jahrelang erprobtes Miteinander 

Zusammenhalten, gemeinsam etwas wie den Nachtwandel auf die Beine zu stellen, verbindet ungemein. Es hat sich offensichtlich bewährt, dass man seit vielen Jahren im Jungbusch eine aktive Nachbarschaft pflegt, egal woher man kommt oder an welchen Gott man glaubt.

Es ist das jahrelang erprobte Miteinander, das es jetzt ermöglicht, dieses Kulturfest auch mit drei Moscheen und Kirchen im Viertel zu feiern. Dass sich die Gotteshäuser öffnen, ist ein richtiges und wichtiges Zeichen. Und eine besondere Charaktereigenschaft, die Mannheim als Multikulti-Stadt auszeichnet.

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Nachtwandel ist zum Feiertag geworden

Was seit Jahren gelebte Offenheit ist, muss hier nämlich nicht erst eingefordert werden. Im Gegenteil: Gerade weil man im Viertel ständig miteinandern spricht, weiß das Quartiersmanagement, wie es den Menschen, Vereinen und Religionsgemeinden geht. Kennt man die Ängste und Wünsche. Sorgen darüber, dass es beim Fest zu Streitereien kommen könnte, gibt es kaum.

Vielmehr überwiegt die Vorfreude, der Nachtwandel ist zum Feiertag für die Jungbuschler geworden – auch oder gerade in Krisenzeiten. Wer nicht mitfeiern mag, wird ebenfalls nicht ignoriert, versucht das Nachtwandel-Team mit schärferen Regeln Rücksicht darauf zu nehmen und den Lärmpegel niedrig zu halten.

Unterschiedliche Bedürfnisse auf einem Nenner

Weil im Jungbusch auch nicht alles glatt läuft, muss sich der Kiez oft neu zurechtrücken, gemeinsam Lösungen finden. Und dabei die unterschiedlichsten Bedürfnisse auf einen Nenner bringen. Das ist extrem schwer – und gelingt hier erstaunlich gut.

Auch deshalb beobachtet die Stadtspitze genau, was hier funktioniert. Der Jungbusch ist im Vergleich zu anderen Stadtteilen, wo es weniger Reibung, aber dafür auch weniger kreative Problemlösungen gibt, eben ein echtes Vorbild.

Es ist das Verdienst des Nachtwandels, dass die Mannheimerinnen und Mannheimer keine Berührungsängste mehr untereinander haben, egal wo sie wohnen. Sondern sich jedes Jahr wieder auf neue Begegnungen freuen und darauf, einen Blick in die Lebenswelt der anderen, in die Moschee, in die Kirche oder in den Hinterhof der Jungbuschler werfen zu können.

Redaktion Seit 2018 als Polizeireporterin für Mannheim in der Lokalredaktion.

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