Die Ergebnisse des Fitnessbarometers der Kinderturnstiftung Baden-Württemberg sind alarmierend. Im Vergleich zu Studien vor der Corona-Pandemie sind Kinder und Jugendliche noch unbeweglicher und weniger ausdauernd geworden. Wen wundert’s? Jetzt rächt sich, dass der Bund in Absprache mit den jeweiligen Landesregierungen mit drastischen Lockdown-Maßnahmen der Jugend über Monate hinweg jegliche Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung genommen hat – sogar bei den klassischen Freiluft-Sportarten.
Im Nachhinein wirkt dieses rigorose Wegsperren unserer Kinder völlig überzogen. Studien wie die des Deutschen Fußball-Bundes haben längst belegt, dass draußen nur ein geringes Ansteckungsrisiko herrscht – eine krasse Fehleinschätzung des damaligen Gesundheitsministers, die auch langfristige Folgekosten nach sich ziehen wird. Denn Bewegungsmangel führt im Alter zu Haltungsschäden und Rückenleiden, falsche Ernährung zu Übergewicht mit all seinen Begleiterscheinungen. Ganz zu schweigen von den psychischen Auswirkungen. Schon die alten Römer wussten: Mens sana in corpore sano – ein gesunder Geist in einem gesunden Körper.
Doch den schlechter werdenden Fitnesszustand der Jugend allein Corona zuzuschreiben, wäre zu kurz gesprungen. Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das an vielen Stellen den Eindruck erweckt, dass der Staat das Grundbedürfnis seiner jüngsten Bürger an ausreichend sportlicher Betätigung vernachlässigt. Bäderschließungen, zu wenig ausgebildete Sportpädagogen und oft unzureichende Bewegungsmöglichkeiten an den Schulen stehen symptomatisch dafür. Dass etliche Schulsportstätten zu Notunterkünften für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine umfunktioniert wurden, hat das Sportangebot zusätzlich eingeschränkt.
Bleiben als Rettungsanker die Vereine. Doch auch die haben damit zu kämpfen, ihr Angebot aufrecht zu halten – es fehlen ehrenamtliche Helfer. Dabei wäre gerade dieses vielfältige Spektrum an sportlichen Möglichkeiten enorm wichtig für eine nachhaltige Breitenwirkung. Die Leuchtturm-Projekte der Verbände sind lobenswert, aber sie können nicht die regelmäßige Übungsstunde ersetzen, in der soziale Kontakte gepflegt, persönliche Grenzen ausgelotet und miteinander wettgekämpft wird. Wenn wir hier nicht grundlegend ansetzen, geht uns auch in der Spitzenförderung die Puste aus. Am Ende fehlen dann auch die Vorbilder, denen die Jugend nacheifern könnte.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Bewegungsmangel bei Kindern bedenkliche Entwicklung
Die Fitness von Kindern und Jugendlichen hat sich in der Pandemie verschlechtert. Dirk Jansch macht dafür das rigorose Sportverbot während des Lockdowns verantwortlich, sieht aber auch ein gesellschaftliches Problem