Kommentar Ausgelaufenes 9-Euro-Ticket: Viel zu früh für eine Bilanz

Hat das Ticket am Ende so viel Appetit gemacht, dass nun noch mehr Menschen häufiger auf Busse und Bahnen umsteigen? Um diese Frage zu beantworten, ist es zu früh, findet Bernhard Zinke

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Bernhard Zinke
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Die Politik und die Branche singen Jubelarien. Das 9-Euro-Ticket war demnach ein riesiger Erfolg. Als Beleg dafür dienen vor allem die Verkaufszahlen. 52 Millionen dieser extrem günstigen Fahrkarten sind an den Automaten gezogen oder online heruntergeladen worden – eine tatsächlich ordentliche Summe. Aber das alleine genügt nicht für eine ehrliche Bilanz. Die Frage ist: Hat das Ticket am Ende so viel Appetit gemacht, dass nun noch mehr Menschen häufiger auf Busse und Bahnen umsteigen? Ansonsten wären die 2,5 Milliarden Euro, die der Bund in das Projekt hineingepumpt hat, als Strohfeuer verglüht.

Um diese Frage zu beantworten, ist es zu früh. Es fehlen Analysen, wie viele andere Tickets die Verkehrsunternehmen in dem Zeitraum eben nicht verkauft haben. Es fehlen Daten, wer tatsächlich die Tickets genutzt hat. Waren es vor allem Wochenend- oder Ferienausflügler, die für wenig Geld Trips kreuz und quer durch ganz Deutschland unternommen haben? Das ist durchaus ein Argument, das das Ticket auf der Haben-Seite verbuchen kann: Der Fahrschein war auf allen Regionalstrecken und in allen Verkehrsverbünden gültig. Keiner brauchte sich Gedanken zu machen, wo das Ticket galt oder nicht. Die einfache Nutzung mit null bürokratischem Aufwand war neben dem Preis ein Knaller-Argument.

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Auf der Soll-Seite steht dagegen die höchst unterschiedliche Nutzbarkeit. In ländlich geprägten Kommunen, in denen dreimal am Tag ein Bus vorbeischaut, geht das 9-Euro-Ticket am Markt vorbei. Da wäre eine Investition in den Ausbau neuer Buslinien und häufigerer Frequenzen die sinnvollere Investition.

Und damit sind wir beim Preis. Längst hat das Hauen und Stechen zwischen Bund und Ländern über das Nachfolgemodell begonnen. Soll es ein dauerhafter Erfolg werden, muss es ähnlich bürokratiefrei sein und überregional gelten. Aber auch der Preis dürfte über Wohl und Wehe entscheiden. Neun Euro haben nicht weh getan. Und der Preis hat sich mit einer oder maximal zwei Fahrten amortisiert. Kostet ein Ticket künftig 40 oder 50 Euro, werden die potenziellen Nutzer sich schon eher überlegen, ob sie zugreifen und es im Zweifel nur einmal nutzen. Für die Kommunen, Länder und den Bund ist es die Gretchenfrage. Was ist ihnen ein attraktiver Nahverkehr wert? Und wer bezahlt neben den Ausfällen beim Ticketverkauf die neuen umweltfreundlichen Busse und Bahnen und Gleisreparaturen? ÖPNV ist nun mal teuer. Irgendjemand muss ihn bezahlen.

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen