Wie nur umgehen mit diesem vermaledeiten Krieg in der Ukraine? Es war früher deutlich einfacher, rund ums Osterfest auf die Straße zu gehen, für den Frieden, für Abrüstung, gegen Atomwaffen zu demonstrieren. In den Zeiten des Kalten Krieges war die Welt noch „in Ordnung“, waren die Fronten jahrzehntelang geklärt. Doch spätestens am 24. Februar 2022 ist diese alte Weltordnung pulverisiert worden. Wladimir Putins Russland hat den souveränen Staat Ukraine militärisch überfallen. Seit dieser Zeit ringt der Westen um den Umgang mit der neuen Situation, mit sich selbst und mit dem Aggressor. Alte vermeintliche oder tatsächliche Wahrheiten gelten nicht mehr. Da macht die Friedensbewegung keine Ausnahme. Es spricht Bände, wenn grüne Spitzenpolitiker wie Anton Hofreiter, die sich Jahrzehntelang in die Phalanx der Ostermarschierer eingereiht haben, mittlerweile die Nomenklatur der Waffensysteme herunterrattern können, ohne Luft zu holen.
Sammelsurium politischer Strömungen und Richtungen
Die Friedensbewegung, die nun wieder mit ihren Ostermärschen unterwegs ist, war schon immer ein Sammelsurium politischer Strömungen und Richtungen, die vor allem der Kampf um atomare Abrüstung und auch ein Antiamerikanismus einte. Aber nun ist plötzlich Russland der Aggressor. Auch wenn permanente und durchaus vielschichtig-subtile Desinformationspolitik die Fakten verkehrt und in rechtsextremen Kreisen dankbare Abnehmer abstruser Theorien um die Ursachen des Krieges findet. Da wird die traditionell linksorientierte Friedensbewegung plötzlich interessant auch für das rechte Spektrum.
Insofern ist es wichtig und richtig, dass die Ostermarsch-Organisatoren als Prämisse ihres Kampfes für den Frieden festhalten, dass der russische Einmarsch in die Ukraine einen klaren Bruch des Völkerrechts darstellt. Daran gibt es nichts zu deuten.
Wenn die Friedensbewegung jedoch die Ursachen des Krieges in einen Zusammenhang bringt mit der langjährigen Konfrontationspolitik der USA und der Nato gegen Russland, dann ist das ein Rückfall in das historische Narrativ vom bösen Ami, der die alleinige Schuld am Leid der Welt trägt. Auch über die Sinnhaftigkeit von Waffenlieferungen in die Ukraine wird trefflich gestritten.
Fakt ist: Alleine und aus eigener Kraft wird sich die Ukraine nicht lange der russischen Übermacht erwehren können. Dann braucht es auch keine Verhandlungslösungen mehr. Die Frage, die wir uns alle stellen müssen: Was sind die Konsequenzen? Bedenken wir bitteschön immer auch das Ende.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Alte und neue Wahrheiten bei Ostermärschen bedenken
Bernhard Zinke über die Schwierigkeiten, in Zeiten des russischen Angriffskrieges auf die Straße zu gehen und für den Frieden zu demonstrieren, ohne die Konsequenzen zu bedenken