Debatte

Was taugt der Bauturbo wirklich, Herr Beuler?

Der neue Turbo im Wohnungsbau enthält vielversprechende Ansätze – doch der 3D-Druck bleibt laut Experten eine Luftnummer. Warum das Gesetz trotzdem ein Fortschritt ist. Ein Gastbeitrag.

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Tobias Beuler
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Der Wohnungsbauturbo der Bundesregierung bringt viele gute Neuerungen mit sich, sagt unser Gastautor Tobias Beuler. © picture alliance/dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Wohnungsbauturbo bringt gute Neuerungen, hat aber Schwächen im 3D-Druck.
  • Vereinfachte Genehmigungen und serielles Bauen könnten die Wohnungsnot lösen.
  • Holzbau und Gebäudetyp E bieten nachhaltige und flexible Wohnlösungen.

Mannheim. Der angekündigte Wohnungsbauturbo des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen ist schon lange überfällig und soll jetzt endlich kommen – und im besten Fall auch wirken. Leider zeichnet sich ab, dass die Inhalte des Turbos etwas zahnloser daherkommen, als ursprünglich geplant.

Die neue zuständige Ministerin Verena Hubertz hatte zu Beginn ihrer Amtszeit etliche Ansätze auf dem Schirm, die sich, mit einer Ausnahme, erst mal vielversprechend angehört haben. Unter anderem sollen die Genehmigungsverfahren vereinfacht werden, um Bauämter, Projektentwickler und private Bauherren zu entlasten. Serielles Bauen und Häuser aus Holz sowie aus dem 3D-Druck will man fördern. Und der Gebäudetyp E soll endlich kommen.

Das liest sich alles erstmal gut. Durchschlagskraft erhält ein neues Gesetz aber nur, wenn man es auch wirklich richtig macht.

Der 3D-Druck wird überschätzt

Das schwächste Glied der Kette ist der Hausbau mit 3D-Druck, der (noch) völlig überschätzt wird. Der bisherige Stand der Technik ist, dass dieses aufwändige Verfahren nicht nur eine CO₂-Schleuder ist, sondern durch den Begriff mehr suggeriert, als es tatsächlich kann.

Technologie

Wenn Wohnhäuser aus dem 3D-Drucker kommen

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Dieter Keller
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Aktuell wird Lage für Lage dickflüssiger Beton übereinandergelegt und der Drucker ist somit in der Lage, Wände hochzuziehen. Das war es aber auch schon. Er kann weder Fenster noch Türen drucken. Geschweige denn einen Dachstuhl und Dachziegel. Auch die wichtigen Arbeiten zuvor, also der Aushub, die Erdarbeiten und das Fundament sind Aufgaben, denen der 3D-Drucker nicht gewachsen ist. Und Heizung, Sanitär, Elektro, Bodenbeläge, damit das Haus auch funktioniert und bewohnbar wird? Klappt vielleicht mit einem Drucker in einem Paralleluniversum.

Um in Deutschland so bauen zu können, wie es der Begriff verspricht, dauert es noch mindestens bis 2035. Bis dahin sind Häuser aus dem 3D-Drucker politisches Lametta. Was aber nicht heißt, dass die Förderung nicht richtig wäre. Hier könnte Deutschland in Zukunft Technologieführer werden und international noch mal eine prägende Rolle spielen. Nur an der Wohnungsnot wird dieser Punkt nichts ändern.

Vereinfachte Genehmigungsverfahren und serielles Bauen könnten den Wohnungsbau deutlich beschleunigen

Endlich, möchte man sagen. Alle würden sich darüber freuen. Die Behörden, die Bauherren und die Investoren. Warum machen wir es nicht wie im Straßenverkehr und gewähren diesbezüglich erst mal einen Vertrauensvorschuss?

Ich muss mir ja auch nicht die Fahrt zum Einkaufen genehmigen lassen, die Route einem Beamten offenlegen und erklären, wie ich vorhabe, die Einkäufe in den Kofferraum zu laden. So sollte das auch beim Bauen sein. Es gibt ja schon Regeln, an die man sich halten muss. Also lasst die Planer, Architekten und Baufirmen doch bauen, damit schneller Wohnraum geschaffen werden kann und die Mieten sinken.

Und damit eben dann doch nicht jeder machen kann, was er will, prüft das Bauamt eben nicht vorher alle Pläne, sondern erst dann, wenn das Gebäude fertig ist. Das macht die Behörde ja sowieso. Also warum zweimal dasselbe prüfen? Das wäre tatsächlich mal ein gelebter Bürokratieabbau, weil das doppelte Prüfen entfällt.

Tobias Beuler



  • Als Bausachverständiger , Gründer von Hausbauexperte , Fertighausexperte sowie der Architekturplattform „A better place“, begleitet Tobias Beuler seit 2000 europaweit den Auf- und Ausbau von Häusern und berät Bauleute.
  • Beuler deckt laut eigenen Angaben Vertragsfallen der Baufirmen auf und prüft Angebote auf versteckte Kosten. Ist der kaufmännische Teil erfüllt, steht er auf der Baustelle zur Verfügung, macht Rohbaukontrollen und begleitet Hausabnahmen.
  • Auf seinen Social-Media- Kanälen veröffentlichen er und sein Team täglich Content für rund 250.000 Bauherren und solche, die es werden möchten. Seine beiden „Bau keinen Scheiß“ -Bände landeten auf der Spiegel-Bestseller-Liste.

Wenn ein Bauträger das Vertrauen bewusst missbraucht, weil er in der schönen Altstadt einen Glastempel hinsetzt, oder wenn ein Architekt in einer Bungalowsiedlung ein Hochhaus errichten lässt, dann wird eben auf Kosten des Verursachers abgerissen. Betrug lohnt sich somit nicht, weil es Konsequenzen gibt. Kleinere Bagatelle, wie eine leicht falsche Dachneigung, könnten mit einem Bußgeld belegt werden. Würde man das so umsetzen, wäre der Turbo schon gezündet.

Serielles Bauen könnte ebenfalls dazu beitragen, die Wohnungsnot zu lösen und schneller mehr Wohnraum zu schaffen. Auch wenn serielles Bauen erst mal ein alter Hut ist. Die Fertighausbranche macht das schon seit über 70 Jahren. Häuser werden vorgeplant, die Grundrisse stehen schon fest und wenn ein Kunde ein Haus kauft, dann wird nur noch auf einen Knopf gedrückt. Das spart Zeit und Geld. Vor allem, weil die Baufirmen durch die Vorproduktion weniger Handwerker über die Straßen schicken müssen.

Zudem bringt eine Fertigung in einem Werk einen weiteren größeren Vorteil mit sich. Häuser oder Wandelemente, die, ähnlich wie in der Autoindustrie, seriell vorgefertigt werden, haben eine viel höhere Qualität und Passgenauigkeit. Die Produktionsanlagen stehen in ideal temperierten Hallen und sämtliche Bauteile können witterungsunabhängig hergestellt werden. Ein auf Knopfdruck hergestelltes Dachelement, welches später von einem Kran in weniger als 10 Minuten auf das Haus gelegt wird, sorgt schnell für eine trockene Baustelle und muss auch nicht bei Wind und Wetter abgedichtet werden.

Während aufgrund der Witterung die konventionellen Baustellen im Winter stillstehen, zieht die Branche für serielles Bauen von Dezember bis März voll durch. Bauherren sparen so Zeit und Geld, was prima ist. Aber: Jetzt sollte es aber darum gehen, diesbezüglich noch weiter zu denken. Im Grunde brauchen wir eine Art Deutschland-Baugenehmigung, die alle Länder absegnen, da Bauen Ländersache ist. Das bedeutet: Nicht jedes Dorf und nicht jede Stadt stellt individuelle Regeln in Form eines Bebauungsplans auf, sondern erlaubt grundsätzlich gewisse Haustypen, die überall gebaut werden dürfen. Ausnahmen bestätigen dann die Regel, wenn beispielsweise das Bauamt in Nürnberg vorgeben möchte, dass in der Altstadt nur spitze rote Dächer gebaut werden dürfen. Oder wenn Hamburg festlegt, sich bei der Fassadenwahl für Klinker zu entscheiden.

Gebäudetyp E und Holzhäuser bieten nachhaltige und flexible Alternativen

Das „E“ hinter Gebäudetyp steht wahlweise für experimentell, einfach und entbürokratisiert. Klasse, wenn das kommt! Lasst doch die Leute selbst entscheiden, wofür sie wirklich Geld ausgeben wollen. Braucht ein Rentnerehepaar, das endlich aufs Land zieht und in der Stadt eine Wohnung frei macht, wirklich maximalen Schallschutz, obwohl garantiert keine Kinder mehr in den zu bauenden Bungalow einziehen werden? Wahrscheinlich nicht. Bisher haben solche Vorgaben das Bauen unnötig teuer gemacht und viele sind aufgrund dessen lieber in ihrer Wohnung geblieben. Geht man beim Thema „E“ auch so Dinge wie Fluchtwege und Treppen an, lassen sich außerdem wertvolle Quadratmeter sparen, die es städtischen Familien wieder erlauben könnten, doch ein Haus auf dem Land zu bauen. Jede freie Wohnung hilft. Und im Geschosswohnungsbau können so mehr Quadratmeter für Wohnraum genutzt werden, weil pro Mehrfamilienhaus mehr Wohnungen entstehen.

Dies kombiniert mit der seriellen Vorfertigung wäre ein echter Gamechanger. Federführend war hier die Architektenkammer Bayern, die schon erste Projekte hat umsetzen lassen. Da Bauen Ländersache ist, bleibt zu hoffen, dass es jetzt nicht 16 Einzellösungen gibt und wir wieder, typisch deutsch, im Klein-Klein ersticken.

Auch ein Punkt, auf den wir uns freuen sollten. Häuser aus Holz sind oft Fertighäuser, die mit einer kurzen Bauzeit und einer Festpreisgarantie daherkommen. Moderne Anbieter können diese zudem auch frei geplant, also individuell auf Kundenwunsch, bauen. Das Holz speichert zusätzlich CO₂ und ist ein nachwachsender Rohstoff. Funfact: Das Holz für ein durchschnittliches Fertighaus wächst in Deutschland innerhalb von 21 Sekunden nach.

Gute Baufirmen denken das Holzhaus sogar so weit, dass es kleine grüne Kraftwerke werden. Früher hatte man noch Angst vor Flächenversiegelung, heute stimmt das Gegenteil – wenn man es richtig macht. Die Dachflächen werden für Photovoltaikanlagen genutzt, mit deren Hilfe man nicht nur seinen eigenen Strom fürs Haus erzeugt, sondern auch sein Elektroauto laden kann. Eine große Zisterne im Garten ermöglicht es außerdem, Regenwasser aufzufangen und dann zu nutzen, wenn es durch den Klimawandel noch trockener werden sollte. Die Bienen freut es. So werden Gärten zu kleinen Oasen, während draußen die Wiesen und Wälder unter großer Trockenheit leiden.

Zusätzlich eignet sich der Baustoff Holz auch ideal für Dachaufstockungen, um mehr Wohnraum in Städten zu schaffen, da das Material zwei wichtige Eigenschaften vereint. Es ist gleichzeitig leicht und sehr stabil. Damit ist Holz der Baustoff der Zukunft und zurecht ganz oben auf der Liste der Dinge von Bauministerin Verena Hubertz‘ Liste, auf die es die nächsten Jahre ankommt.

Wohnungsbauturbo: Viel Potenzial, aber noch keine Lösung

Auch wenn der 3D-Druck in dieser Aufzählung nicht punkten kann, sind die anderen geplanten Maßnahmen, wenn sie richtig umgesetzt und ausgebaut werden, vielversprechend. Fest steht: Der Bauturbo ist ein erster Schritt in die richtige Richtung und das Bundesbauministerium darf und soll gerne so weitermachen. Erfrischend ist außerdem, dass die Ministerin nicht nur in Budgets denkt, sondern als ehemalige und erfolgreiche Gründerin auch versteht, dass es neben allen finanziellen Förderungen auch darum geht, praktische und schnelle Lösungen zu finden, damit wir endlich ins Machen kommen.

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