Heidelberg. Die Wohnungsnot ist anhaltend hoch. Warum dann nicht einfach den 3D-Drucker anwerfen und neue Wohnhäuser nach einem Standardplan in kürzester Zeit bauen? Dass das funktioniert, beweist der Investor Hans-Jörg Kraus in Heidelberg: Weniger als ein Jahr von der Baugenehmigung bis zur Feststellung, der Beton umweltfreundlich, und es kostet auch noch zehn Prozent weniger als ein herkömmliches Gebäude – was er derzeit auf der Konversionsfläche Campbell Heidelberg hochziehen lässt, klingt nicht nur beeindruckend, es sieht auch so aus.
Der Projektentwickler, Bauträger und Investor, dem in der Universitätsstadt 200.000 Quadratmeter Grundstücke gehören, gibt sich bei der Präsentation des Rohbaus des ersten Wohngebäudes aus dem D3-Drucker einerseits stolz, andererseits zurückhaltend: Es sei ein entscheidender erster Schritt – wenn auch nur zum Teil eine Antwort auf den Wohnungsmangel. Gleich drei Wohnhäuser wachsen hier nebeneinander aus dem Boden, unterschiedlich groß und nach einem Konzept, mit dem sie in Serie gebaut werden sollen, also auch an anderen Standorten.
Drei Stockwerke kommen aus der Spritztülle
„Dreihaus“ haben die Planer das Konzept genannt, weil es das Gebäude in drei Größen gibt: Immer drei Stockwerke hoch und aus Kostengründen ohne Keller. Noch höher schafft es der Drucker nicht, der an eine riesige Spritztülle beim Kuchenbacken erinnert. Er wird von einem Gerüst computergesteuert über den Bauplatz geführt. Wie das praktisch funktioniert, ist beim zweiten Haus zu sehen, das schon direkt neben dem ersten entsteht, dessen Rohbau fertig ist: Mit großer Präzision und erstaunlichem Tempo spritzt der 3D-Drucker eine drei Zentimeter dicke Schicht nach der anderen aufeinander. Für einen Quadratmeter braucht er gerade mal fünf Minuten. Die Wände des ersten Hauses standen nach 26 Arbeitstagen.
Konversionsfläche Campbell
Auf der heutigen Konversionsfläche Campbell Heidelberg stand vor dem Krieg die „Großdeutschlandkaserne“ der Wehrmacht und danach das US-Hauptquartier in Europa.
Allein hier gehören Investor Hans-Jörg Kraus 60.000 Quadratmeter, und er will rund 250 Millionen Euro investieren.
Zwischen den denkmalgeschützten Altgebäuden ist viel Platz für Neubauten. dik
Dieses zweite Haus zeigt die Bau- oder besser gesagt die Spritzweise: Es gibt zwei schmale Mauern, der Zwischenraum wird später mit Dämmkügelchen gefüllt. Aus Kostengründen wurde auf einen Keller verzichtet. Die Decken werden nicht gespritzt, sondern als fertige Betonelemente angeliefert. In sie sind weitgehend die Elektrokabel eingezogen. Auch der Innenausbau erfolgt konventionell, also Zwischenwände oder Nasszellen. Die Fußbodenheizung speist sich aus Fernwärme.
Die typische Optik soll nicht hinter Putz verschwinden
Charakteristisch für den 3D-Druck ist, dass die einzelnen Schichten zu sehen sind. Das gibt dem Gebäude die typische Optik zusammen mit dem Beton-Grau, was auch nicht unter einem Verputz verschwinden soll. Die konventionell gebauten Wohnhäuser, die gegenüber mit leuchtend weißer Fassade stehen, mögen gewohnter und für manchen auch schicker sein. Aber so fortschrittlich sind sie nicht.
Um die Ecke steht das Wavehaus, das erste Haus aus dem 3D-Drucker und das größte in Europa, das Kraus vor zwei Jahren als Pionierbau errichtete und an ein Rechenzentrum vermietete. Auch es hat die charakteristische Schichten-Optik.
Der Quadratmeter koste 2900 Euro, und er sei überzeugt, dass der Preis in den nächsten Jahren auf 2500 Euro sinke, gibt sich Waldemar Korte von Korte-Hoffmann Gebäudedruck überzeugt. Das ist zwar samt Mehrwertsteuer, aber ohne Nebenkosten und insbesondere ohne Grundstück, was gerade in einer Großstadt wie Heidelberg ein ganz wesentlicher Kostenfaktor ist.
Wie beim Bau CO₂ gespart werden soll
Die Firma aus dem nordrhein-westfälischen Beckum hat sich für den 3D-Druck mit Peri verbündet. Der Schalungs- und Gerüstbau-Spezialist aus Weißenhorn bei Ulm habe schon vor fünf Jahren das erste Gebäude gedruckt und mittlerweile in 17 Projekten die Technologie erprobt, berichtet Geschäftsführer Fabian Meyer-Brötz.
Der Baustoff, sprich der Zement, kommt aus der Region. Darauf habe Kraus Wert gelegt, verrät Dominik von Achten. Der Vorstandsvorsitzende der Heidelberg Materials AG hat sich extra Zeit genommen, um den Anteil des Baustoffherstellers herauszustreichen, der zu den Weltmarktführern gehört. „Auch wir haben uns zur Decke strecken müssen“, würdigt er die Innovationen.
Der Baustoff der ersten beiden Häuser kommt aus dem benachbarten Leimen, hat also einen extrem kurzen Transportweg. Zudem sei sein CO₂-Fußabdruck nur halb so groß wie bei konventionellem Baustoff, betont von Achten. Beim dritten Haus, das Anfang 2026 gedruckt werden soll, ist die Umweltbilanz noch besser: Heidelberg Materials liefert erstmals einen Net-Zero-Zement aus einem Werk in Norwegen, bei dem das CO₂ abgeschieden und dauerhaft im Meeresboden gespeichert wird. Dadurch sei der CO₂-Fußabdruck „nahe null“.
Was mit den Wohnungen im nächsten Jahr geplant ist
Bis zum Frühsommer sollen alle drei Gebäude fertig sein. Der Innenausbau stockt etwas, weil die nötigen Handwerker nicht beizubekommen sind, wie Kraus andeutet. Dafür lobt er, dass die Stadt Heidelberg „alles gemacht hat, mit uns diesen Innovationsschritt zu gehen“. Mit einer „vernünftigen Kommune wie Heidelberg“ solle es möglich sein, vom Bauantrag bis zum Einzug nur zwölf Monate zu brauchen.
In die Wohnungen mit 45 bis 90 Quadratmetern werden allerdings keine normalen Mieter einziehen. Kraus verpachtet die Häuser an einen Betreiber von Boarding-Houses, der die möblierten Appartements samt Service auf Zeit, also für einige Tage oder Wochen, Unternehmen und Geschäftsreisenden anbietet.
Auch dem Drucker sind Grenzen gesetzt
Wenn Kraus von dem Konzept so begeistert ist – plant er gleich das nächste Wohnhaus aus dem 3D-Drucker? Da gibt sich der 61-Jährige zurückhaltend. Ein Problem sind die fehlenden Grundstücke, und der gebürtige Heidelberger hat sich eigentlich vorgenommen, nur in Objekte zu investieren, die er zu Fuß oder per Fahrrad erreichen kann. Noch kämpft er mit sich, außerhalb der Stadtgrenzen zu investieren. Zudem ist die neue Bauweise nur zum Teil die Antwort auf den Wohnungsmangel, gibt er zu. So ließe sich der Drucker mit seinem großen Gerüst in einer engen Altstadt gar nicht aufstellen.
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