Vorurteile

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Ein Vorurteil ist ja eigentlich nichts Gutes. Die besondere Bedeutung, die der Philosoph Hans-Georg Gadamer mit dem Wort verband, nämlich so viel wie "Vorverständnis", was echtem Verstehen stets vorausgehe - sie kann hier vernachlässigt werden. Denn gemeinhin verbindet man mit dem Wort doch anderes - Negatives. Gut ist dabei vielleicht nur, dass Vorurteile oft leicht zu widerlegen sind. Nicht alle Bartträger sind Terroristen, sonst wäre dies heute praktisch jeder Mann um die 30. Der Satz "lange Haare kurzer Verstand" greift natürlich ebenfalls zu kurz. Vom Vorurteil, Rothaarige hätten entweder gerade Schlechtes getan oder gedacht, ganz zu schweigen.

Ein sehr freundlicher, ehrlich aufgeschlossener junger Mann, der gerade in dieser Redaktion ein Praktikum absolviert, widerlegt das durch seine pure Präsenz. Er, um die 30 und (also) Bartträger, nennt sein Haar nachvollziehbar selbst rötlich. Wer weiß, vielleicht kommt er nachher hierher und widerlegt noch die Sache mit den Männern um die 30. Der alte Spruch, wonach die dümmsten Bauern die größten Kartoffeln ernteten, lässt sich natürlich ebenfalls widerlegen. Es bringt also nichts, sich angesichts der schwierigen Welternährungslage viele möglichst dumme Bauern zu wünschen. Dass Dummheit, recht verstanden, über Berufe und Schichten hinweg fast gleich verteilt ist, könnte dagegen kein Vorurteil sein. Thomas Groß

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