Frauen, die spinnen, stricken, sticken und den Schicksalsfaden in der Hand halten, gehören zur Kulturgeschichte. Denken wir nur an Ariadne, die Theseus ein Wollknäuel als legendäre Labyrinthmarkierung gab. Selbst die Heilige Maria, die wir nicht unbedingt mit Handarbeiten in Verbindung bringen, wurde gern mit eben solchen dargestellt. Und Madame Pompadour, die sich als Mätresse von Ludwig XV. auf Intrigen-"Kreuzstiche" verstand, ließ sich am Stickrahmen porträtieren. Nicht zu vergessen Gretchens Spinnrad-Szene in der Faust-Tragödie. Selbstredend, dass die mit Sagen, Literatur und Ölfarben verwobenen Fäden aus Wolle oder Flachs hergestellt wurden. Der Ariadnefaden aus Polyamid? Undenkbar!
Aber wer weiß, vielleicht geht schon bald ein Garn aus Schlachtabfällen in die Geschichte ein. Das ist in etwa so abwegig wie strickende oder häkelnde Männer, mag manch ein Leser denken. Gleichwohl machte gerade Furore, dass ein Schweizer Forscher aus Tierresten eine Gelatine-Faser entwickelt, zu Garn versponnen und als gestrickten Handschuh präsentiert hat.
Apropos Männer überlassen Handarbeiten den Frauen -jedenfalls in Mythen und auf Bildern. Von wegen! Schließlich saß Herkules als Sklave am Spinnrad, malte Spitzweg seinen Einsiedler strickend. Und dass heutzutage befreundete Männer aus ihrem Häkel-Hobby eine Mützen-Manufaktur "nadeln", erstaunt doch eigentlich niemanden (mehr). Waltraud Kirsch-Mayer
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