All zu viel Fernsehgeschichte wurde in Deutschland zuletzt nicht geschrieben. Zumindest wenig positive, schon gar nicht vom RBB. Dort endet nun nach 41 Folgen, sieben Staffeln und zwei Grimme-Preisen eine teilweise fulminante Show – standesgemäß mit einem Eklat. Konfrontationskomiker Kurt Krömer hat die „Chez-Krömer“-Aufzeichnung mit seinem zuletzt mehrfach verbal entgleisten Kollegen Faisal Kawusi abgebrochen. Und verkündete nach der Ausstrahlung postwendend das komplette Aus des im berlin-brandenburgischen TV- und Streaming-Kontext ziemlich einmaligen Erfolgsformats: „Mir war klar, dass ,Chez Krömer’ kein Format ist, das ewig laufen wird. Dass es am Ende dann doch 41 Folgen geworden sind, hat mich selbst überrascht. Mein Bedarf an Arschlöchern ist damit gedeckt.“
Dass der depressionskranke Künstler und seine nicht gerade kuschelzahme Bühnenfigur die Berliner Schnauze voll von ihren Gästen haben, kann man gut verstehen. Zum Beispiel überkam einen nach Krömers Gespräch mit dem pseudoadligen C-Promi Marcus Prinz von Anhalt das Bedürfnis, unbedingt duschen zu müssen. Aber so war das Konzept: Krömer ließ überwiegend Unsympathinnen und Unsympathen zum Verhör laden, hinter einer Panzertür wie im Stasi-Knast. Der Ausgang der Duelle war meist offen: Mitunter zerschellte der Gesprächsansatz des Komikers auch an der unerschütterlichen Jovialität, Arroganz oder Überzeugung seiner Gegner. Einen Gregor Gysi kannst Du nicht vorführen. AfD-Politikerin und Vertriebenen-Funktionärin Erika Steinbach ließ jede Provokation locker abperlen. Aber die Möglichkeit zu scheitern, gehört bei Krömers TV-Ausflügen stets zur Grundausstattung. Das macht seine Shows unvorhersehbar und damit spannend, manchmal aber auch unangenehm in Richtung Fremdscham oder anstrengend. Am witzigsten war es meistens, wenn Möchtegern-Provokateure aus Politik und Medien so ängstlich wie ölig um Krömers Anerkennung buhlten. Zuletzt komplettierten Österreichs Ex-FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und der geschasste „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt in einem denkwürdigen Clash das Portfolio unangenehmer Zeitgenossen. Wer soll da noch kommen, Luzifer?
Sich nur auf die – auch zahlreichen – Kumpel-Episoden mit Rapper Sido, Musikclown Helge Schneider oder Ex-Handball-Star Stefan Kretzschmar zu konzentrieren, ist letztlich reizlos, weil schlichte und dann irgendwann schlechte Unterhaltung. Auch wenn die Folge mit Comedy-Star Torsten Sträter und Krömers völlig überraschendem Depressions-Coming-Out 2021 nun wirklich Fernsehgeschichte geschrieben hat.
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