Zeitreise

Markstein zum Sieg

Die Eroberung der Rheinbrücke bei Remagen durch die Amerikaner vor 80 Jahren war ein historisch bedeutsames Ereignis bei Ende des Zweiten Weltkrieges.

Von 
Konstantin Groß
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Die beiden linksrheinischen Türme der Brücke von Remagen. Der Blick geht in der Mitte über den Rhein zu den Brückentürmen auf dem Ufer gegenüber. © Konstantin Groß

Remagen. Welch wunderschöne, friedliche Landschaft: das Rheinland zwischen Bonn und Koblenz, in der Mitte Remagen. Am Ende des Zweiten Weltkrieges Schauplatz bedeutender historischer Ereignisse und dramatischer menschlicher Schicksale. Und das alles nur wegen einer Brücke. Vor 80 Jahren, am 7. März 1945, wird sie von den Amerikanern erobert und stürzt zehn Tage später von selbst ein. Nur ihre Türme an beiden Ufern erinnern noch heute daran.

Sowohl Beginn als auch Ende der Brücke sind mit Krieg verbunden. Sie entsteht im Ersten Weltkrieg, um Truppen und Material per Zug schnell an die Westfront zu bringen und wird daher nach General Ludendorff benannt. Der Mannheimer Architekt Karl Wiener konzipert eine 325 Meter lange Eisenbahnbrücke mit zwei Gleisen und je einem Fußgängesteg. Eine der schönsten Stahlbrücken am Rhein.

In den 1920er Jahren ein Schmuckstück im Rheintal zwischen Köln und Koblenz: die 325 Meter lange und bis zu 30 Meter hohe Brücke bei Remagen. © Konstantin Groß

Auf der rechten Rheinseite, Gemarkung der Gemeinde Erpel, führen ihre Gleise direkt in einen 383 Meter langen Tunnel in der Erpeler Ley, ein Felsmassiv von 191 Metern Höhe. Den Tunnel baut die Kölner Niederlassung der Mannheimer Baufirma Grün & Bilfinger. Da die Gleise im Tunnel erst 1919, also im Jahr nach Kriegsende, fertig werden, kann die Brücke den Zweck, für den sie gebaut ist, nicht mehr erfüllen. Und danach ist das linke Rheinufer von den Alliierten besetzt, so dass ebenfalls kaum Züge rollen. Erst ab 1926 befördern sie Ausflügler zwischen Unkel und Ahrweiler im sogenannten „Promille Express“.

Ihre „große Stunde“ kommt 1940 beim Vormarsch der Wehrmacht nach Frankreich, aber vor allem bei ihrem Rückzug. Im Sommer 1944 landen die Alliierten in der Normandie. Fortan drängen sie die Wehrmacht in Richtung Reichsgebiet zurück. Selbst die letzte Verteidigungslinie der Deutschen, der Westwall, kann ihrer Übermacht nicht standhalten. Zumindest die Rheingrenze soll nun gehalten werden. Indem man den Gegnern die Überquerung des Flusses unmöglich macht.

Alle Brücken werden gesprengt, nur nicht die in Remagen

Anfang 1945 befiehlt Hitler, alle Rheinbrücken zu zerstören. Nur die Ludendorffbrücke bei Remagen bleibt zunächst stehen, um ein Zurückfluten der Truppen aus dem Westen zu ermöglichen. Um den Kontakt herzustellen, wird Major Hans Scheller aus dem 67. Armeekorps in der Eifel am 6. März nach Remagen entsandt. Doch nach wenigen Kilometern geht einem Fahrzeug das Benzin aus, das zweite bleibt kurz nach Sinzig liegen. So trifft Scheller am Morgen zu Fuß in Remagen ein. Anschaulicher lässt sich der desolate Zustand der Wehrmacht in jenen Tagen nicht darstellen.

Überrest der einst stolten Brücke: der Brückenbogen zum Land hin, Flutbogen genannt. © Konstantin Groß

In Remagen sieht es nicht viel besser aus. Kampfkommandant Willi Bratge hat zur Verteidigung der Brücke zwar 750 Mann, darunter jedoch viele von Verwundung gerade erst Genesene, mehrere hundert alte Volkssturmmänner und 180 Hitlerjungen. Um ihre Kampfmoral zu stärken, müssen sie zu Tagesanbruch antreten und „Fest steht die Wacht am Rhein“ intonieren.

So auch am 7. März, einem Morgen diesig, verhangen, regnerisch. Um 11.30 Uhr rückt eine Vorhut der Amerikaner unter Leitung von Lieutnant Karl Timmermann auf der Anhöhe vor der Brücke an. Der 22-Jährige ist baff: Mit einer voll intakten Brücke hat er nicht gerechnet. Er fragt nach, was er tun soll. US-General Hoge befiehlt die Einnahme.

Die Deutschen haben sich im rechtsrheinischen Brückenturm und vor allem im Tunnel verschanzt. Dort streiten Scheller und Bratge nun, was zu geschehen hat. Zur Sprengung der Brücke ist alles bereit, und Bratge will loslegen. Scheller will warten, damit die eigenen Kräfte weiter übersetzen können. Als die Amerikaner jedoch vor der Brücke anrücken, gibt Scheller den Befehl zur Sprengung.

Im Tunnel warten die Deutschen und warten, doch nichts passiert. Der Zufallstreffer eines US-Tanks hat das armdicke Sprengkabel getroffen und auseinander gerissen. Nun muss die Sprengung von einem Soldaten per Hand auf der Brücke gezündet werden. Ein Himmelfahrtskommando. „Ich brauche einen Freiwilligen“, sagt Scheller. Doch niemand meldet sich. Das Gleiche beim zweiten Mal. Beim dritten Mal fügt Scheller hinzu: „Wenn sich jetzt keiner meldet, dann bestimme ich einen.“ Da meldet sich der Unterfeldwebel Faust aus Koblenz: „Ich mache das.“

Recherche vor Ort: Autor Konstantin Groß vor dem Turm der Brücke von Remagen. © Konstantin Groß

Im Kugelhagel der Amerikaner und dem Feuerschutz der eignen Leute begibt sich Faust auf die Brücke, schafft es sogar, um 15.40 Uhr die Sprengung auszulösen und sich in Sicherheit zu bringen. Doch die Brücke hebt sich nur leicht und fällt in ihre Lager zurück. Die gelieferte Menge an Sprengstoff ist zu gering (300 statt 600 kg), außerdem das falsche Material: Donarit, also Industriesprengstoff, wie er im Bergbau verwendet wird, mit zu geringer Sprengkraft, statt Ekrasit.

Alex Drabik ist der erste US-Soldat, der die Brücke überquert und damit deutschen Boden rechts des Rheins betritt. Doch noch haben sich die Deutschen im Tunnel festgesetzt. Dabei auch 200 Zivilisten, darunter Frauen und Kinder. Als die Amerikaner Handgranaten werfen, bricht unter ihnen Panik aus. Zunächst begibt sich der Eisenbahner Willi Felden mit einer weißen Fahne zum Tunnelausgang; wegen seiner schwarzen Uniform wird er irrtümlich von den US-Soldaten für einen SS-Mann gehalten und angeschossen. Sodann nimmt der 15-jährige Klaus Busch die Fahne und überzeugt die Amerikaner von der Ernsthaftigkeit ihres Anliegens. Danach kapituliert auch Bratge und geht mit seinen Leuten in Gefangenschaft.

US-Pioniere beseitigen die Sprengladungen, reparieren die Schäden. Als US-Oberbefehlshaber Eisenhower die Nachricht in seinem 400 km entfernten Hauptquartier in Reims erhält, reagiert er begeistert: „Die Brücke ist ihr Gewicht in Gold wert!“ Innerhalb von 24 Stunden überqueren 8.000 GI’s den Rhein, in einer Woche 25.000, mit Panzern und schwerem Gerät.

Die Wehrmacht versucht alles, dies zu unterbinden. Doch die weit entfernte Artillerie ist nicht zielgenau, die Flugzeuge werden großteils abgeschossen, die angebliche Wunderwaffe V 2 verfehlt ihr Ziel.

Infos und Tipps für Besucher

Ort des Geschehens : Remagen am Rhein, Entfernung von Mannheim 192 Kilometer, Anreise mit dem Auto über die A 61 etwa 2 Stunden.

Was ist zu sehen? Die eindrucksvollen Tunneltürme, je zwei auf jeder Rheinseite. Die Brücke selbst steht nicht mehr; sie ist ja am 13. März 1945 eingestürzt. Die Brückenpfeiler im Wasser blieben noch 30 Jahre stehen, bis sie 1976 als Hindernis für die Rheinschifffahrt abgetragen wurden.

In den linksrheinischen Türmen befindet sich das Friedensmuseum, das von einem Trägerverein ehrenamtlich betrieben wird. Es wurde 1980 eröffnet und seither von 800.000 Menschen besucht, 2024 von 14.000 Besuchern aus 48 Ländern.

Ziele des Vereins sind der bauliche Erhalt der Türme, die Erforschung und Darstellung der Geschichte der Brücke, aber auch das Eintreten für Frieden und Völkerverständigung unter dem Motto „Brücken bauen - Botschaften für den Frieden“.

Austellung : Erster Schwerpunkt sind Bau, Eroberung und Untergang der Brücke. Der zweite Teil beleuchtet die Kriege seit 1945. „Wir sind kein militärhistorisches Museum, sondern ein Friedensmuseum“, heißt es vor Ort.

Öffnungszeiten : Nach der Winterpause (4. November bis 6. März) samstags und sonntags von 10 bis 17 Uhr, im Sommer bis 18 Uhr, dann auch zusätzlich montags.

Eintrittspreise : 5,50 Euro, Familien 10,50 Euro, Senioren/Menschen mit Behinderung 4,50 Euro, Schüler/ Studenten 3,50, Gruppen ab 10 Personen 4,50 pro Person, Schulklassen 3,50 Euro pro Person.

Führungen : Aus Platzgründen nur bis 15 Personen gleichzeitig, Dauer 90 Minuten, Gebühr 60 Euro zgl. zum Eintritt, Termin nach Vereinbarung. Anmeldung: fuehrungen@bruecke-remagen.de

Die rechtsrheinischen Türme sind noch Eigentum der Deutschen Bahn AG, stehen leer und zum Verkauf.

Der Tunnel , ebenfalls rechtsrheinisch (Gemarkung der Ortschaft Erpel) und unter Denkmalschutz, gehört seit 2012 dem Kunst und Kulturkreis Erpel „ad erpelle“ e. V., der ihn für Theaterstücke, Konzerte und andere kulturelle Veranstaltungen nutzte. Derzeit ist er jedoch geschlossen.

Literatur: „Die Brücke von Remagen“, Tatsachenroman von Rolf Palm, 1985, ISBN 3-502-16552-1.

Filmdoku : „Die Brücke von Remagen“, von Günther Bäcker und Werner Kubny, WDR 2015, 45 min., auf Youtube abrufbar.

Spielfilm : „Die Brücke von Remagen“, USA, 1969, mit George Segal, Robert Vaughn, Peter van Eick, Hans Christian Blech. Klassiker, aber nicht sehr nahe an den realen Ereignissen.

Veranstaltung zum 80. Jahrestag am 7. März, 14 Uhr, in der Rheinhalle Remagen mit dem Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Alexander Schweizer. -tin

Doch dann: Am 17. März, 15 Uhr, bricht die Brücke ohne jedes Zutun der Deutschen von sich aus plötzlich zusammen. Die Treffer der letzten Monate und die schwere Last der amerikanischen Transporte der zurückliegenden Woche sind zu viel für sie. 28 US-Soldaten werden von Trümmern der 4.620 Tonnen schweren Konstruktion erschlagen oder ertrinken im eiskalten Wasser, 18 Leichen werden nie gefunden.

Verlust der Brücke führt zu vier Hinrichtungen

50 Kilometer entfernt, in Rimbach im Westerwald, spielt sich ein anderes Drama ab. Hitler will ein Exempel statuieren, was mit denen geschieht, die sich seinem Durchhaltebefehl widersetzen. Scheller, dem es gelungen ist, sich zu seinem Armeekorps wieder durchzuschlagen, wird inhaftiert, ebenso drei andere Offiziere, die mit dem Verlust der Brücke in Verbindung gebracht wurden.

Diese vier - sowie Bratge in Abwesenheit - werden wegen Feigheit vor dem Feinde vor einem Standgericht angeklagt und zum Tode verurteilt. Am 13. März werden die Vier im umliegenden Wald erschossen und auf dem Dorffiedhof von Biernbach, einer kleinen Gemeinde im Westerwald, verscharrt.

Erst Ende der 1960er Jahre wird das Urteil gegen Scheller von der Justiz als objektiv rechtswidrig eingestuft und er posthum rehabilitiert. Bratge entgeht der Hinrichtung nur, da er bereits in US-Gefangenschaft ist. Nach dem Kriege wird er Lehrer in Budenhausen, einem Dorf an der Zonengrenze.

Der Rest ist bekannt. Von Westen rücken Amerikaner und Engländer, von Osten die Russen vor, am 8. Mai kapituliert die Wehrmacht. Über die militärische Bedeutung der Eroberung der Rheinbrücke von Remagen gibt es unterschiedliche Meinungen. Unbestritten ist die psychologische, und das auf beiden Seiten: Erstmals überschreiten Alliierte den mythisch aufgeladenen Rhein und etablieren auf dem rechten Ufer einen festen Brückenkopf.

Trotz ihrer Bedeutung gerät die Brücke nach 1945 in Vergessenheit, das Gelände verludert. Hans Peter Kürten, der 1965 Bürgermeister von Remagen wird, will das ändern. Nach sieben Jahren harten Ringens kann er für die Stadt das Grundstück des linksrheinischen Brückenturms von der Bahn erwerben. Als 1976 die Brückenpfeiler im Fluss abgetragen werden, verkauft er ihre Steine als Souvenirs. Der Erlös bildet den finanziellen Grundstock für das Museum im Brückenturm.

Und die Brücke? Warum wird sie nicht wieder aufgebaut? Sie passt nicht mehr in das Netz der Bahn; die auf sie zulaufenden Gleise werden entfernt, was die Erweiterung der Stadt Remagen ermöglicht. Viele sehen den Verzicht auf den Wiederaufbau der Brücke jedoch auch symbolisch: „Sie ist im Ersten Weltkrieg gebaut worden, um Krieg gegen Frankreich zu führen“, sagt der frühere Bürgermeister von Erpel, Edgar Neustein, in einer Fernsehdoku: „Diesen Zweck hat sie verloren, deshalb brauchen wir Gott sei Dank diese Brücke nicht mehr.“

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