Popkornstrauch nennt sie der Volksmund. Ein Gärtner würde das natürlich nie so sagen. Als „Geflügelte Senna“ oder „Senna didymobotrya“ bezeichnet er das, was hier so herrlich hell leuchtet. Bis in den Oktober hinein blüht die aus dem tropischen Afrika stammende Pflanze derzeit im Botanischen Garten Karlsruhe. Die gelben Blütenkerzen stehen über dem dunkelgrünen Laub, wobei die einzelnen Blüten der Reihe nach von unten nach oben aufgehen – irgendwo strahlt es immer gelb.
Die Blüten der Pflanze duften zwar nicht, aber wenn man an den Blättern reibt, erinnert der Geruch an Erdnuss oder Popcorn – daher der Name im Volksmund. „Ein wahrer Sommer-Dauerblüher“, schwärmt Thomas Huber, der Leiter des Botanischen Gartens Karlsruhe, über den „Popkornstrauch“. Sein 3,5 Hektar großes Reich, das er mit einer Gärtnermeisterin und drei Gärtnern intensiv pflegt, weist aber tatsächlich auch genießbare Pflanzen auf.
Erfolg mit einer Dahlie
„Essbar und dekorativ zugleich“, zeigt Huber auf den Schwarzkohl, der in den Beeten steht. Mangold sowie weißer und blauer Salbei sind zu erkennen, Fleißige Lieschen und Begonien sorgen für ein buntes Bild und nicht nur die Schmetterlingsblumen werden von Schmetterlingen umschwirrt. Auch Dahlien entfalten im Spätsommer ihre Blüten in voller Pracht.
Die nach dem schwedischen Botaniker Andreas Dahl benannte Dahlie hat einen besonderen Bezug zu Karlsruhe. 1808, die Pflanze ist erst kurz zuvor aus Mittelamerika nach Europa gekommen, gelingt hier Garteninspektor Andreas Johann Hartweg bei Kreuzungsversuche die erste vollgefüllte Dahlie. Sie wird anschließend an den Botanischen Garten Berlin verschickt, erregt dort großes Aufsehen und entwickelt sich schnell zu einer ganz beliebten Gartenpflanze.
Das Zeitreise Magazin ist da!
Lassen Sie sich inspirieren! Eine Auswahl der 30 spannendsten Ziele voller Geschichte in Mannheim und Umland, dazu die wichtigsten Service-Informationen für Ihre Anreise.
Tulpen-Liebe
1808 – das ist auch das Gründungsjahr des Botanischen Gartens. „Zumindest gibt es ihn seither in seiner heutigen Form“, stellt Hartmut Troll klar, Leiter des Bereichs Historische Gärten bei den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg. Die Faszination für Pflanzen sei indes viel länger, schon vor der Gründung Karlsruhes 1715, in der Familie der Markgrafen von Baden-Durlach „besonders ausgeprägt“ gewesen. Erste Ziergärten der Vorfahren des Herrschergeschlechts sind gar bereits von 1530 bekannt.
Karl Wilhelm (1679-1738) gilt als leidenschaftlicher Gärtner, der aus Interesse an Tulpen mehrfach zu Studienreisen nach Holland aufbricht. Auf ihn gehen die legendären „Tulpenbücher“ zurück – riesige Folianten mit detailliert gemalten 6000 Pflanzenaquarellen, von denen die meisten Exemplare aber im Zweiten Weltkrieg zerstört worden sind.
Als er die Stadt Karlsruhe gründet und das Schloss bauen lässt, gibt Markgraf Karl Wilhelm zugleich einen opulenten barocke Lustgarten in Auftrag, dazu drei Orangeriegebäude. „Seine Orangen- und Zitrussammlung war sehr bedeutend“, so Troll. Der Markgraf sieht die Südfrüchte nicht nur als Bereicherung seiner Tafel, sondern begeistert sich an deren Schönheit. Immer wieder schickt er seine Gärtner auf Reisen, um die Sammlung mit exotischen Pflanzen zu bereichern. So weist ein Pflanzenverzeichnis im Jahre 1733 bereits 2000 verschiedene Arten aus.
1738 stirbt der Markgraf – wie es heißt, nach einem Schlaganfall während der Gartenarbeit. Enkel Karl Friedrich wird Nachfolger, aber ist zu jener Zeit noch ein Kind, weshalb ein Regentschaftsrat einspringen muss. Der neue Markgraf gilt zunächst nicht als so großer Pflanzenfreund – doch als 1747 der ganze Kontinent auf seinen Garten blickt, gefällt das auch ihm: Dass dort, als eine der ersten in Europa, eine Agave blüht, wird weithin beachtet.
Botanischer Garten Karlsruhe
- Anschrift: Botanischer Garten Karlsruhe, Hans-Thoma-Straße 6, 76131 Karlsruhe.
- Öffnungszeiten: Garten tagsüber frei zugänglich. Schauhäuser geöffnet Samstag, Sonn- und Feiertag 10 bis 17.45 Uhr.
- Eintritt Schauhäuser: Erwachsene drei Euro, Ermäßigte 1,50 Euro, Familien 7,50 Euro, Jahreskarte Erwachsene 15 Euro, Ermäßigte 7,50 Euro.
- Anreise: Mit dem Auto über die A 5 bis Karlsruhe, dort Parkgarage Schlossplatz 16 ansteuern. Mit der Bahn bis Hbf Karlsruhe, dort weiter (Blickrichtung rechts, Hbf im Rücken) mit den Bahnen 2, S 1, S 4, S 11 bis Haltestelle Marktplatz. Fußweg weiter zur Kunsthalle, der Eingang zu den Gewächshäusern befindet sich hinter der Kunsthalle im Botanischen Garten.
- Weitere Informationen zum Botanischen Garten gibt es hier
Neubau von Hübsch
Der junge Regent – der früh Folter und Leibeigenschaft abschafft – sei aber, so sagt Hartmut Troll, „als aufgeklärter Fürst nicht so sehr nur auf Repräsentation bedacht, sondern ökonomisch orientiert und an einem Nutzgarten für Landwirtschaft und Obstbau interessiert“ gewesen. Doch die Liebe zu Prinzessin Caroline Luise von Hessen-Darmstadt, die er 1751 heiratet (Troll: „eine hoch gebildete, vielseitig interessierte Frau“) weckt in dem jungen Markgrafen die Liebe zur Botanik. Das Paar will eine wissenschaftliche Pflanzensammlung anlegen und regt seine Gärtner an, Samen mit anderen Herrscherhäusern zu tauschen – wie damals üblich. 1791 weist ein Verzeichnis für Karlsruhe nun 4000 verschiedene Pflanzenarten auf.
„Die Gewächshäuser waren aber ziemlich marode“, weiß Troll aus alten Unterlagen. Der Großherzog verfügt daher, die Holz- und Glasbauten abzureißen oder zu veräußern. „Aber er entscheidet zugleich, die große Gartentradition beizubehalten“, betont Troll – durch einen Neubau. Nach den Plänen von Friedrich Weinbrenner, dem bekannten Karlsruher Architekten, auf den 1812 die erste deutsche Denkmalschutzverordnung zurückgeht.
Der neue Botanische Garten entsteht 1808 am heutigen Standort, westlich hinter den damaligen Orangeriegebäuden. „Vorher war das der Holzplatz, wo Bauholz und Brennholz gelagert wurde“, berichtet Hartmut Troll. Weinbrenner errichtet die Gewächshäuser, während Garteninspektor Andreas Johann Hartweg die Freiflächen anlegt und zugleich mit der Pflanzenzucht beginnt. Mit der Dahlie hat er schnell Erfolg. Und nicht nur damit: 1811 wird Hartweg von Großherzog Karl Friedrich nach Paris geschickt – 588 Arten bringt er mit, und ein Pflanzenverzeichnis des gleichen Jahres nennt insgesamt 6000 verschiedene Arten – ein Zuwachs von 2000 Arten in 20 Jahren.
Die letzte bedeutende Phase in der Geschichte des Botanischen Gartens beginnt 1853 mit der Umgestaltung in der Ära des von 1852 bis 1907 regierenden Großherzogs Friedrich I., nachdem in Mannheim der Friedrichsring benannt ist. „Er prägt letztlich das heutige Bild der Anlage“, erläutert Troll.
Der Entwurf geht zurück auf Heinrich Hübsch, seit 1842 badischer Hofbaudirektor und bekannt für die Westfassade des Doms in Speyer. Er schafft ein großes, 87 Meter langes Orangeriegebäude sowie – rechtwinklig anschließend – eine aus Backstein gemauerte Hofgärtnerwohnung sowie Gewächshäuser mit glatten, spiegelnden Glasfassaden. Von ihnen führt seinerzeit ein Verbindungsgang zum Schloss, damit der Großherzog trockenen Fußes und unerkannt seiner Liebe zur Botanik nachgehen kann. „Es ist nicht mehr die Zeit von barocker Repräsentation, von Lustgarten, sondern ein Landschaftsgarten, der nun auch für die Öffentlichkeit zugänglich ist“, hebt Troll hervor.
Pflanzen erfrieren
Besonders auffällig ist das monumentale Torbogengebäude mit seinen zwei Türmen, dem farbigen Streifenmuster und einzelnen Elementen aus Terrakotta oder Fayence. „Es zeigt, dass der Garten auch städtebaulicher Entwurf war und hier auffällig der Eingang markiert werden sollte“, erläutert Troll. Doch es ist nicht nur Eingang des Botanischen Gartens, sondern beinhaltet auch einen Saal – der früher für Proben des Hoftheaters dient und der heute vermietet wird.
Darauf folgen auf der einen Seite, zur Orangerie hin, drei Glashäuser, das Kamelien- und Blumenhaus, dann das höhere Palmenhaus mit vorgelagertem Wasserpflanzenhaus und das Warmhaus. Richtung Schloss gibt es einen Wintergarten mit einer nach Süden geöffneten Holz-Glasfassade sowie eine gemauerte Galerie mit einer komplett abnehmbaren Glasbedeckung – heute von Kiwipflanzen bewachsener Bereich eines Cafés. Der Erste Weltkrieg macht viele Zuchterfolge zunichte. Die Pflanzen erfrieren – durch den Kohlenmangel kann nicht geheizt werden – oder werden auf die Insel Mainau, nach Schwetzingen, Heidelberg oder Freiburg gebracht. Statt ehemals 60 kümmern sich nur noch 18 Gärtner um die Anlage, und die Gewächshäuser dienen lediglich zur Überwinterung frostempfindlicher Pflanzen, jedoch nicht mehr der Zucht.
Die Orangerie mit ihrer weithin sichtbaren prägnanten Kuppel wird bereits 1930 der Kunsthalle zugeschlagen, der Rest des Botanischen Gartens im Zweiten Weltkrieg nahezu komplett zerstört und erst ab 1950 langsam wieder aufgebaut. Nach umfangreicher Sanierung von 2014 bis 2018 präsentieren sich die historischen Gewächshäuser heute wieder so wie zur Zeit des Großherzogs. „Wir haben alles getan, um die verloren gegangenen Traditionen wieder sichtbar zu machen“, betont Troll.
Samen aus Costa Rica
Das bezieht sich nicht allein auf die Bauten selbst, sondern ebenso auf die Bepflanzung. Die drei Glashäuser entsprechen drei Klimazonen: Im ehemaligen Kalthaus sind Kakteen, Sukkulenten und früh blühende Pflanzen in Töpfen wie Kamelien oder Azaleen aneinandergereiht. Im Palmenhaus und im Warmhaus ist es warm und feucht. Innen gedeihen Palmen, ein Riesenbambus, Kaffee-, Kakao- und Bananenstauden sowie in einem Seerosen-Becken die großblättrige Gattung Victoria regia. Außen fallen an der Fassade Karyatiden, die das Gebälk tragenden Frauenfiguren, auf.
Auf Beeten wachsen im 19. Jahrhundert besonders geschätzte, aber auch heute noch gefragte Medizinalpflanzen wie Thymian, Ringelblumen, Minzarten, Malvengewächse. Auch 300 Kübelpflanzen, dazu Hibiskus, Jasmin, Agaven, Granatapfel, Feigen und Zitronenbäumchen Ginkgo, Magnolie, Kork- und Mammutbaum sorgen für tropisch-exotischen Flair entlang der geschwungenen Wege hinter den Gebäuden des Bundesverfassungsgerichts.
„Wir halten uns an Vorbilder aus der Zeit des Großherzogs“, so Garten-Chef Huber, „auch wenn manche Pflanzenarten schwer zu bekommen sind“. Aber für eine Elfenbeinpalme, die nach historischen Unterlagen hier wuchs, hat ein Mitarbeiter im Urlaub aus Costa Rica den nötigen Samen mitgebracht. Nun wird sie hier herangezogen.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/leben_artikel,-zeitreise-garten-des-grossherzogs-_arid,1689470.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html