Heidelberg. Die neunköpfige Frauengruppe steht etwas unschlüssig vor einem Altstadthaus. Google Maps hat sie hergeführt. Eine schaut sich auf dem Heidelberger Marktplatz um, wirft noch einmal einen prüfenden Blick auf ihr Handy. Sie sind richtig hier. Die Klingelschilder stimmen allerdings nicht mit dem überein, was sie sucht, und auch vom Spielleiter ist weit und breit nichts zu sehen. „Vielleicht ist das ja schon das erste Rätsel“, sagt eine aus der Gruppe, und einige müssen lachen. Es ist ein Mädelsausflug – und er ist nach Heidelberg gekommen, um die Welt zu retten.
Teilnehmerinnen schlüpfen beim Outdoor Escape in die Rolle von Agentinnen
Dass der Treffpunkt ein paar Schritte weiter am Kornmarkt liegt, klärt ein Anruf beim Anbieter. Dort wartet Yann Weber, einer der Betreiber des Enmaze-Outdoor-Escape in Heidelberg, schon auf sie. „Willkommen, Agentinnen“, begrüßt er die Frauen. „Wir haben Sie engagiert, um uns im Fall ,Operation Mindfall‘ zu unterstützen.“
Er bittet sie näherzukommen und weist sie dann in die Hintergründe ein: kurz, trocken, fast verschwörerisch. Die Mission klingt wie aus einem dystopischen Agentenfilm: Die Geheimorganisation W.I.S.E. hat Hinweise darauf, dass der Konzern Spider Tech ein Virus in das globale Wassersystem einspeisen will. Ziel der Gruppe ist es, in maximal drei Stunden Hinweise zu sammeln, Aufgaben zu lösen und den Angriff abzuwehren. So jedenfalls lautet das Briefing. In der Realität bedeutet es: Den Blick mal wieder bewusst durch die Stadt schweifen zu lassen – und sich gemeinsam auf eine fiktive Geschichte einzulassen.
Dann übergibt er den schwarzen Koffer mit der Ausrüstung. Darin: eine UV-Lampe, Sicherheitskarten, ein paar Schlösser, ein Kompass, kryptisch beschriftete Zettel. Dazu das iPad mit digitaler Karte und Koordinatenanzeige. Und Webers Handynummer, „falls Sie nicht weiterwissen“.
Outdoor Escape in Heidelberg
Anbieter: ENMAZE Heidelberg – Outdoor Escape Games
Ort: Marktplatz 7, 69117 Heidelberg – Treffpunkt ist aber der Kornmarkt
Erlebnis: Outdoor-Escape-Rallye durch die Heidelberger Altstadt – mit iPad/GPS-Stationen, bei denen Teams Rätsel lösen und Hinweise eingeben, um zur nächsten Station zu gelangen; dauert etwa drei Stunde
Zielgruppen: Ideal für Freundesgruppen, Familie, Firmen-Teamevents (bis 80 Personen möglich).
Kosten: ab 99 Euro (bis zu drei Personen), danach gestaffelt nach Gruppengröße
Mehr?: www.enmaze-heidelberg.de
Das Spielprinzip entspricht dem klassischer Escape-Games und Schnitzeljagden: Die Gruppe beginnt mit einem ersten Hinweis, löst die Aufgabe und findet so einen weiteren, bis sie am Ziel ist. Das iPad zeigt auf einer Stadtkarte, wo die nächste Station liegt und per GPS können sich die Nutzer durch die Straßen navigieren. Haben sie den Punkt erreicht, beginnt ihr Kontakt bei W.I.S.E per Videobotschaft mit den weiteren Instruktionen. Insgesamt liegen zwölf Aufgaben vor den neun Agentinnen – jedes gelöste Rätsel beschert ihnen 1000 Punkte. Um das Spiel zu gewinnen, brauchen sie mindestens 6000 Punkte.
Startpunkt ist der Marktplatz, von dort geht es in etwa zehnminütigen Streckenabschnitten kreuz und quer durch die Altstadt, entlang am Neckar, über den Platz der alten Mensa, vorbei an verschlossenen Höfen, Brunnen und Fassaden. Eine der Aufgaben führt die Gruppe zur Theodor-Heuss-Brücke, von dort öffnet sich der Blick aufs Schloss und die andere Seite des Flusses. „Ich war schon lange nicht mehr hier“, sagt eine der Teilnehmerinnen, die aus Mannheim kommt. Eine andere, die früher in Heidelberg gelebt hat, zeigt beim Marsch auf Details, an denen andere sonst einfach vorbeigehen.
Enmaze empfiehlt Gruppen von acht Personen pro Fall
Bei einem der Rätsel in Form eines Gedichts bleibt die Gruppe lange stehen. Die Verse deuten auf eine Richtung, die Richtung auf ein Ziel – aber welcher Ausgangspunkt ist gemeint? Die Gruppe diskutiert, dreht sich im Kreis, nimmt verschiedene Ansätze. „Da wurde es unübersichtlich“, sagt später Miriam. Aber auch das sei Teil des Spiels. Denn mit neun Personen sei es ohnehin eher ungewöhnlich, das Spiel in einer einzigen Gruppe zu machen. Enmaze empfiehlt normalerweise ab neun Personen eine Aufteilung in zwei Teams, die dann nicht nur ein Wettrennen gegen die Zeit, sondern gegeneinander machen. Für diesen Anlass wollten aber alle zusammen rätseln.
Das Spiel belohnt logisches Denken und gute Zusammenarbeit. Gleichzeitig verzeiht es Fehler nur begrenzt: Pro Aufgabe gibt es nur wenige Versuche, falsche Eingaben kosten Punkte. Einmal erkennt das iPad eine eigentlich richtige Antwort nicht an – das sorgt für Frust, aber auch für Gelächter. „Ist doch egal“, sagt Karola. „Wir retten die Welt ja trotzdem.“
Nach fast drei Stunden ist es geschafft. Das letzte Rätsel ist gelöst, die letzte Eingabe bestätigt, die letzte Anzeige grün. Die Wasservergiftung ist verhindert, zumindest in der Spielrealität. Auf dem Rückweg zum Kornmarkt wird der Koffer zurückgegeben, es gibt ein Zertifikat – und ein Gruppenfoto, um sich zu erinnern: an eine Weltrettung, die mit einem Missverständnis an der Haustür begann.
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