Film

Neuer Film von Petzold: Dem Schmerz entfliehen

„Miroirs No. 3“ heißt der neue Film des Regisseurs und Mannheimer Schiller-Preisträgers Christian Petzold. Er läuft auch in Kinos in Mannheim und Heidelberg.

Von 
Wolfgang Nierlin
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Barbara Auer und Paula Beer in einer Szene des Films „Miroirs No. 3“, der am 18. September auch in die Kinos in Mannheim und Heidelberg kommt. © picture alliance/dpa/Schramm Film

Mannheim/Heidelberg. Die junge Frau wirkt unglücklich, ist vielleicht lebensmüde. Gedankenverloren steht sie auf einer Brücke, über die geschäftig der Verkehr rollt, und blickt auf einen Fluss. Kurz darauf, an seinem Ufer, verharrt sie noch immer unentschlossen in ihrer Melancholie – bis ein Stehpaddler im schwarzen Neoprenanzug ruhig vorbeigleitet und dabei die gefährdete Frau in diesem merkwürdig surrealen, symbolisch überhöhten Bild an den Tod erinnert, zugleich aber auch an das Leben, das bald für die Klavierstudentin Laura (Paula Beer) auf ungeahnte Weise weitergeht.

Denn bei einem Wochenendausflug in die Uckermark verunglückt sie zusammen mit ihrem Freund. Während Jakob am Unfallort stirbt, überlebt Laura fast unversehrt wie durch ein Wunder. Und sie findet Unterschlupf im heimeligen Landhaus ihrer Ersthelferin Betty (Barbara Auer), die die Verunglückte ganz selbstverständlich aufnimmt und für sie bald zu einer Art Ersatzmutter wird.

Titel spielt auf Klavierzyklus von Maurice Ravel an

In Christian Petzolds neuem Film „Miroirs No. 3“, der seinen anspielungsreichen Titel vom dritten, „Une barque sur l‘océan“ („Eine Barke auf dem Ozean“) benannten Teil des gleichnamigen Klavierzyklus von Maurice Ravel bezieht, haben die Figuren zunächst keine ausgesprochene oder gar sichtbare Geschichte. Sie sind jenseits gesellschaftlicher und sozialer Zusammenhänge oder Hintergründe in eine Situation geworfen, die das Leben ist.

Trotz dieser mitunter plakativen Unbestimmtheit kommen sie nicht aus dem Nirgendwo, sondern sind Figuren überlieferter Fiktionen, die von der (Märchen-)Literatur geschrieben oder von Kunst und Film ins Bild gesetzt wurden. Entsprechend sieht „Miroirs No. 3“ zwar sehr realistisch aus und strahlt mit seiner hellen, sinnlichen Sommeratmosphäre eine betörende Leichtigkeit aus, zugleich aber ist der Film des Mannheimer Schiller-Preisträgers Petzold mit seinen symbolischen Verweisen, seinem Bezug zur Transzendenz und seinen Spiegelgeschichten von einer untergründigen Schwere durchzogen. Ablesbar ist das etwa an bedeutsamen Blickwechseln, die öfters die Dialoge ersetzen, an Räumen, die ihre eigenen Geschichten erzählen, oder auch an den Bewegungen zwischen den Orten, die den sich verändernden Beziehungsstatus der Figuren verhandeln.

Dieser schwankt zwischen einer überraschend spontanen Nähe und einer Distanz, die aus dem Unausgesprochenen einer dunklen, die Verhältnisse zerrüttenden Geschichte kommt. Auch Betty ist in einem Schmerz gefangen, der sich wie die vielen kaputten Dinge in ihrem Haushalt nicht einfach reparieren lässt. Sie lebt deshalb getrennt von ihrem Mann Richard (Matthias Brand) und ihrem Sohn Max (Enno Trebs), die in der Nähe eine Autowerkstatt betreiben. Als würden sie sich schon lange kennen, entwickeln Laura und Betty eine vertrauensvolle Beziehung. Sie helfen und unterstützen sich gegenseitig und wirken dabei offensichtlich ausgleichend aufeinander. Doch es braucht wohl eine „Ent-täuschung“, damit die Figuren zurückfinden in ein neues Leben mit einer veränderten Wirklichkeit; ähnlich dem schwankenden, in Seenot geratenen Schiffchen, das in Ravels musikalischem Spiegelbild schließlich wieder in ruhigere Gewässer gleitet.


Vorstellungen in der Region

Ab 18. September läuft der Film auch im Atlantis-Odeon in Mannheim und Heidelberger Gloria-Kino . Das Odeon überträgt am 18. September um 20 Uhr, die Premiere des Films in Berlin, an die sich ein Filmgespräch mit dem Regisseur Christian Petzold anschließt.

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