Reise

Dolce vita in Italien: Ferrara - Fahrrad-freundliche Kulturmetropole

Das norditalienische Ferrara ist bekannt für prächtige Architektur, deftiges Essen und ganz viele Fahrräder. Wer von dort einen Abstecher ans Meer plant, findet in Comacchio ein kleines Venedig.

Von 
Till Börner
Lesedauer: 
In der Innenstadt von Ferrara geht es quirlig zu. © Till Börner

Ferrara. Ferrara - das bedeutet Jahrhunderte alte Prachtbauten, verwinkelte Gassen, eine reichhaltige Küche und ganz viele Fahrräder. Ja, durch Ferrara bewegt man sich am besten auf zwei Rädern. Knattern in anderen italienischen Städten Vespas durch die Straßen, sind es hier vor allem die Zweiräder der ruhigeren Sorte: Die Universitätsstadt in der Emilia-Romagna behauptet von sich, Italiens Fahrradhauptstadt zu sein.

Wer jetzt an breit ausgebaute Fahrradwege denkt oder gar Parkhäuser, die einzig und allein Drahteseln vorbehalten sind, dürfte vor Ort enttäuscht werden. Eine solche Infrastruktur sucht man in Ferrara vergebens - dennoch legen Einheimische und Touristen viele Wege nicht mit dem Auto oder zu Fuß zurück. Das Fahrrad ist allgegenwärtig. In der Fußgängerzone, auf der Straße, in den ruhigen Grünanlagen abseits der Gassen und Piazzi. Eigentlich fährt jeder wie er will, niemand schimpft, man geht tolerant miteinander um.

Ferrara gilt als Fahrradhochburg. Auf den Resten der alten Stadtmauer bewegen sich Fahrradfahrer und Fußgänger gleichermaßen fort. © Till Börner

Dass sich das Fahrrad als Fortbewegungsmittel in Ferrara so durchgesetzt hat, dürfte mehrere Gründe haben. Die zahlreichen Studenten, den Vorteil, dass es keinerlei Höhenunterschiede gibt und ganz bestimmt die Tatsache, dass die Renaissance-Altstadt seit 1995 UNESCO-Weltkulturerbe und damit auch völlig autofrei ist.

Dort gibt es die ein oder andere Sehenswürdigkeit, die einen Halt lohnenswert machen. Im Gegensatz zu den meisten anderen norditalienischen Städten ist Ferrara relativ jung, nämlich im frühen Mittelalter gegründet worden. Ihre Blütezeit erlebte Ferrara unter der Herrschaft der Este, davon zeugt das im Zentrum gelegene Castello Estense. Das Schloss wurde im 14. und 15. Jahrhundert erbaut und ist heute noch von einem Wassergraben umgeben, der über Zugbrücken passiert wird.

Das Schloss beherbergt ein Museum, das einen Überblick über das Leben am herzoglichen Hof bietet. Besucher laufen durch die damalige Küche, vorbei an Schießscharten und gelangen auf eine weitläufige Dachterrasse, die heute als Orangengarten genutzt wird. Aber es geht auch abwärts. Durch eine Tür, die so niedrig ist, dass man fast hindurchkriechen muss, kommt man ins Verlies. Hier sperrten die regierenden Este auch Familienmitglieder ein, die Verschwörungen planten oder eine Affäre mit der falschen Frau eingingen.

Kein Familienmitglied und dennoch einer der bekanntesten Bewohner des Schlosses war Cristoforo di Messisbugo. Der Küchenchef und Organisator höfischer Feste veröffentlichte sein Werk „Banchetti, composizioni di vivande e apparecchio generale“. Das Buch stellt nicht nur eine wichtige Quelle für das höfische Leben im 16. Jahrhundert dar, sondern ist auch eine über die Jahrhunderte überlieferte Rezeptsammlung. di Messisbugo beschreibt darin unter anderem das Konservieren von Kaviar.

Ferrara ist bekannt für seine Cappellacci

Apropos Essen: In Ferrara wird traditionell eher deftig gekocht. Fleisch, Wurst und natürlich Pasta stehen auf den Speisekarten. Eine Spezialität der 130.000-Einwohner-Stadt sind Cappellacci. Die Teigtaschen werden meist mit Kürbis gefüllt und mit Salbei und Butter serviert. Zum Einstieg essen die Ferraresi gerne Pinzini - frittiertes Gemüse, das mit Salami und Käse auf den Tisch kommt. Zum Abschluss gibt es Bomboloni - sowas wie italienische Berliner, zu denen ein fruchtiger Likör schmeckt.

Ein Schlankmacher ist so ein Abendmenü nicht. Was macht man in Ferrara, um die Kalorien wieder abzubauen? Man steigt natürlich aufs Rad. Es muss nicht immer nur zwischen bunten Häusern und alten Palazzi über Kopfsteinpflaster durch die Altstadt gehen. Ferrara besitzt eine fast neun Kilometer lange Stadtmauer, die von einem Fußweg- und Radweg begleitet wird. Entschleunigt lässt es sich im Schatten alter Wehrtürme und Schutzwälle durchs Grüne in die Pedale treten. Von hier führt auch ein Weg zum Po und dort auf den Destra Po trifft - eine Radwanderroute, die bis an die Küste führt.

Die Adria ist von Ferrara weniger als eine Autostunde entfernt. Bis Comacchio sind es genau 52 Kilometer. Die Lagunenstadt wird gerne mit Venedig verglichen, allerdings geht es hier deutlich beschaulicher zu: Touristen-Massen und Kreuzfahrtschiffe sucht man vergeblich, auch kostet der Zugang zur Stadt keinen Eintritt. Dafür gibt es Kanäle, sehenswerte Brücken und Restaurants, in denen der heimische Fisch zu fairen Preisen verkauft wird. Was rund um Comacchio gefischt wird - dazu später mehr.

Abendstimmung in Comacchio. Der Hauptort liegt nicht direkt an der Adria, trotzdem ist das Wasser aufgrund zahlreicher Kanäle allgegenwärtig. Unterhalb der Trepponti-Brücken münden mehrere Kanäle in einen. © Till Börner

Entstanden ist Comacchio auf den Resten des etruskischen Handelshafens Spina. Im 17. Jahrhundert folgten Brücken, Kanäle und kleine Paläste. Und wie Venedig lag Comacchio bis vor rund 200 Jahren in einer Lagune, war ausschließlich über Stege und Boote zu erreichen. In mehreren Projekten wurde die Wasserlandschaft trockengelegt und die Lagune schrumpfte um die Hälfte. Heute sind die Valli di Comacchio ein 9.000 Hektar großes Brackwassergebiet, das zum von der UNESCO als Welterbe anerkannten Parco regionale del Delta del Po gehört. Auch im 21. Jahrhundert ist das Wasser allgegenwärtig in Comacchio. Wahrzeichen der Stadt ist deshalb auch die Ponte dei Trepponti - eine 400 Jahre alte Brücke, unter der drei Kanäle ineinander münden.

Folgt man einem der Kanäle und überquert dabei immer wieder kleine Brücken, dann landet man an einer Art Promenade, an der sich Restaurants aneinanderreihen. Auf fast jeder Speisekarte steht Aal. Der schlangenähnliche Fisch wird schon seit der Antike in der Lagune gezüchtet und gefangen. Ihn gibt es als Suppe, im Risotto, am Spieß gegrillt oder frittiert.

Wer nach zu viel Aal den Drang mal wieder den Drang nach Sport verspürt, kann auf informativen Touren durch die Valli die Comacchio radeln - oder in der Adria schwimmen gehen. Schließlich gehören zu Comacchio auch 25 Kilometer Sandstrand.

Redaktion Redakteur in der Onlineredaktion

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke