Zeitzeichen Pynchon – fast so leicht wie Caroline Wahl

Pynchon meldet sich mit „Schattennummer“ zurück. Zwölf Jahre hat er sich dafür Zeit gelassen.

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Stefan M. Dettlinger
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Am Freitag ist mal wieder so ein Tag, der für eine bestimmte Menschengruppe (die mit der literarisch-masochistischen Neigung) zum Feiertag wird. Nach nur zwölf Jahren gibt es endlich mal wieder einen Pynchon-Day. Im Klartext: Der Typ, der fast so berühmt ist wie Beyoncé, der sich aber in etwa so oft fotografieren lässt wie das nördliche Breitmaulnashorn, veröffentlicht mal wieder ein Buch. Der nun 88-Jährige hat also mal wieder zwölf Jahre lang Phantom der Opas gespielt und ein Schattendasein an der New Yorks Upper West Side geführt, und plötzlich, zack, haut er ein neues Buch raus: „Schattennummer“.

Wer nun Angst bekommt – nicht nötig: Das Buch wiegt (ohne Schutzumschlag) nur 420 Gramm, das sind 735 Gramm weniger als Pynchons „Gegen den Tag“ mit 1155 Gramm. Zum Vergleich: Caroline Wahls „Windstärke 17“ bringt – ohne Schutzumschlag und Mikropony - 410 Gramm auf die Waage. Ich glaube nicht, dass Pynchon froh wäre, wüsste er, dass seine Literatur heute nur eine Salamischeibe schwerer ist als die Wahls.

Wie immer kann man sich in dieser leichten Literatur von Pynchon, die immer etwas Labyrinthisches hat, zwar leicht verlaufen, findet aber nur schwer wieder raus. Mitunter wünscht man sich bei Pynchon‘esken Leseakten seit jeher einen Ariadnefaden, an dem man sich, Gramm für Gramm, an Sätzen und Absätzen entlanghangeln kann. Um den Ausgang zu finden?

Übrigens: Zwölf Jahre für 420 Gramm Literatur – das macht nur etwa alle zehn Tage 1 Gramm – also sonderlich produktiv war Pynchon ja noch nie.

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.