Wer zum Teufel ist László Kra … szna … horkai?“, will Caro wissen, als sie auf ihr aufleuchtendes Phone schaut. „Also echt: Die Stockholm-Gang hat schon wieder einen für den Nobelpreis gewählt, den keiner kennt und der …“ Alya, die Elin auf dem Schoß balanciert, ihr Küsschen gibt und gleichzeitig eine Gabel zum Mund führt, unterbricht: „... Moment: den hier keiner kennt, hier, in diesen chauvinistischen, rassistischen, mitteleuropäischen, und kulturimperialistischen Abendland-Breiten zwischen Łódz und Los Angeles.“
Caro muss den Namen erst mal auswendig lernen
Caro trinkt, schaut, denkt Blasen in die Luft. Überraschend. „Okay“, sagt sie dann, „jetzt steck dir die Gabel endlich in den Mund. Das Essen wird kalt. Ja, ich muss den Namen eben erst mal auswendig lernen und dann sprechen, ohne mir dabei Knoten in die Zunge zu machen.“
Dieses Komitee, denke ich, Schwedens nach Abba berühmteste Entertainer um den Frontmann Anders Olsson, eiert einmal jährlich durch die Bücherregale der Weltliteratur, fragt sich „Vem är nästa?“ und greift zu. Klar, die Liste derer, die den Nobelpreis verdient (gehabt) hätten, aber nie bekommen (haben), ist tausendfach länger als die 118 Buchstabenmillionäre seit 1901. Philip Roth, Christoph Ransmayr, Haruki Murakami, Salman Rushdie oder das Phantom Thomas Pynchon, das die Schweden wegen Unsichtbarkeit nicht entdecken – sie alle werden Jahr um Jahr gehandelt, aber man weiß schon: Das wird wieder nix. Stattdessen: der paranasal pressende Barde Bob – „like a rolling stone“.
Die Herausforderung der verschachtelten Sätze meistern
Oder eben László Krasznahorkai, der Melancholiker und Mystiker, der Zweifler und Zürner, der Apostat und Apokalyptiker, der Verzückte und Verdammte mit seinen düsteren Storys, mit den langen, konstruierten und verschachtelten Sätzen, Sätzen, die, wie in seinem Erfolgsroman „Melancholie des Widerstands“, gleich zu Beginn des Romans über fast die ganze Seite gehen und dem Lesenden süffisant zublinzeln: „Ja, mein Lieber, wenn du mich knacken willst, brauchst du verdammt noch mal Geduld und grammatikalischen Durchblick!“
Kurzum: Sätze wie der, den ich gerade geschrieben habe. „Ich finde gut, dass Leute wie Krasznahorkai den Preis bekommen“, höre ich mich aussprechen. „Warum?“, raunzt mich Caro an. Sie schießt Blicke wie Blitze in ihr Umfeld. Ich erkläre, dass ich zwar noch nichts von Krasznahorkai (zu Ende) gelesen habe, dass ich solche Literatur aber trotz ihrer Sperrigkeit für relevant und unterstützenswert halte.
Debatte über Literaturpreise und Kultur-Populismus
„Latzlo Kratznadingsbums ist 71! Der braucht keinen Förderpreis, der muss Bücher schreiben, die nicht nur ein paar Tausend Teufel weltweit lesen wollen“, so Caro. „Krasznahorkai, László Krasznahorkai“, sagt Alya, „und sag mal: Bist du jetzt zu den Kultur-Populisten übergelaufen, die Popkultur über alles stellen – auch über Intelligenz?“
Ich finde ja, Pynchon muss den Preis noch bekommen – allein schon, weil der Donald im Weißen Haus ihn als „Vertreter der US-amerikanischen Gegenkultur“ bezeichnet hat.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kolumne #mahlzeit Krasznahorkai: Literaturnobelpreis sorgt für Kontroversen
László Krasznahorkai gewinnt den Nobelpreis in Stockholm und sorgt für Diskussionen in der Runde von Kolumnist Stefan M. Dettlinger.