Ende des Jahres stellt Sabine Meyer nach über 40-jähriger Karriere ihre Klarinette in die Ecke. Nicht ihre künstlerischen Verdienste sollen hier gewürdigt, sondern eine Zeit ins Gedächtnis gerufen werden, als es in Spitzenorchestern keine Frauen gab.
Fehlende Toiletten oder die Nicht-Gewährleistung der Frauenschutzgesetze unter so vielen Männern wurden vorgeschoben, um die Gleichberechtigung Lügen zu strafen. Bewusst wurde auf potenzielle Qualität verzichtet. Während die Wiener Philharmoniker erst 1997 (!) die erste Frau aufnahmen, geriet Sabine Meyer schon 1983 in der unrühmlichen Geschichte männerdominierter Orchester-Besetzungspolitik in die Schlagzeilen. Ihr Bekanntheitsgrad in der breiten Öffentlichkeit beruht nämlich auf dem Engagement als Soloklarinettistin bei den Berliner Philharmonikern.
Neben einer Geigerin war sie die einzige Frau im Orchester. Selbstherrlich hatte Herbert von Karajan sie am Orchester vorbei verpflichtet. In aller Öffentlichkeit geriet ihr Probejahr zur Kraftprobe zwischen Maestro und Orchester. Ob Meyer zu jung zur Führung, ihr Ton zu eigen war, wie man aus dem Orchesterkreisen hörte? Sicher jedenfalls wurde die 23-Jährige im Machtkampf zwischen Karajan und dem sich demokratisch verwaltenden Orchester instrumentalisiert. Gut beraten, kündigte sie vor Ablauf des Probejahrs – um einer Abstimmung, der wohl kaum künstlerische Kriterien zugrunde gelegen hätten, zu entgehen.
Während der hitzig ausgetragene Streit um die erste Frau auf einer Solostelle den Auftakt zum nervig-langen Ringen zwischen Dirigent und Orchester markierte, startete Sabine Meyer früh eine Solo-Weltkarriere.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Zeitzeichen Klarinettistin lieber solo unterwegs
Das Orchester als reine Männerdomäne hat Sabine Meyer kennengelernt. Nun nimmt die Klarinettistin, die dann lieber solo Erfolge feierte, Abschied von der Konzertbühne.