Glosse "Übrigens" "Grufti"-Wörter, die zum Begraben viel zu schön sind

Waltraud Kirsch-Mayer wünscht sich, analog zum Jugendwort des Jahres, dass man im Totenmonat November vom Aussterben bedrohter Wörter gedenken möge. Einen Vorschlag macht sie auch gleich

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Waltraud Kirsch-Mayer
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Übrigens. . . ist im Oktober das Jugendwort des Jahres gekürt worden – „Aura“. Da könnte man doch im Totenmonat November einer Formulierung gedenken, die zwar vom Aussterben bedroht, aber fürs Begraben eigentlich viel zu schön ist. Gäbe es eine Vorschlagsliste für solcherart „Grufti“-Wörter, würde ich ein Adjektiv einreichen, das schmeichelnd auf der Zunge zergeht: „saumselig“. Als kleines Mädchen verknüpfte ich den in meinen Ohren so träumerisch klingenden Dreisilber mit dem Saum von Röcken, in meiner Kindheit häufig mit Bordüre verziert. Allerdings pflegte Großmutter das Wort nicht gerade beseelt, sondern bekrittelnd auszusprechen. Natürlich wussten wir Enkel, dass Omas „seid nicht so saumselig!“ bedeutete, jetzt und sofort auferlegten Pflichten nachzukommen und dabei kein bisschen zu trödeln. Erst viel später sollte ich herausfinden, dass der vermeintliche „Saum“ so wenig mit „selig“ zu tun hat wie dies für „du-selig“ oder „wu-selig“ gilt. Schließlich hat das mittelhochdeutsche „sümesal“, später Saumsal, im Sinne von „Versäumnis“, verbal Pate gestanden. Klar wollen wir bitte schön nur ja nichts versäumen. Und dennoch umweht uns ein Hauch von Glückseligkeit, wenn es hin und wieder gelingt, „saumselig“ durch den Tag zu schlendern. So etwas hätte freilich Oma, die Müßiggang für den Beginn allen Lasters hielt, mit einem missbilligenden „Sapperlot!“ quittiert. Noch so ein wunderbares „Grufti“-Wort! Im Duden ist es zwar noch zu finden, aber mit dem Hinweis „veraltet“. Und Opas bevorzugten Ausruf der Verwunderung – „Ei der Daus!“ – hat das Standardwerk inzwischen eingesargt. 

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