Kolumne #mahlzeit Bitte mal kurz die Welt retten

In Sachen Klimawandel müssen wir endlich handeln. Kolumnist Stefan M. Dettlinger spielt dabei den humorlosen und apokalyptischen Spielverderber.

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Stefan M. Dettlinger
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Wir müssen mal wieder über Umweltschutz reden. Sorry. Das ist nicht lustig, ich weiß. Aber heute ist eben mal Sendungsbewusstsein dran, nicht Humor. Ich spiele Spielverderber. Mein Eindruck ist nämlich: Es ist gerade wie damals auf der Titanic. Während wir in die Katastrophe rennen, während wir also schnurstracks durch munteres CO₂-Verblasen auf den Eisberg namens Klimakatastrophe zuschippern, spielt auf dem A-Deck der 1. Klasse das Titanic-Quintett munter einen Song der deutschen Hip-Hopper K.I.Z: „Hurra, die Welt geht unter“ – eine postapokalyptische Utopie nach dem Kollaps herrschender Systeme.

Wenn das Wesentliche im Alltagsrauschen untergeht

Ja, der Mensch ist das Wesen, dessen größte Begabung darin besteht, unfassbar Schreckliches einfach unter den Teppich zu kehren. Dabei, liebe Leute: Es. Geht. Ums. Ganze. Die Mahnungen werden immer deutlicher. Während am Montag in Exeter 160 Klimaforscher von überall darauf hingewiesen haben, dass sich unser Planet mit starker Erwärmung rasant katastrophalen und unumkehrbaren Kipppunkten nähert, haben mehr als eine halbe Million Deutsche im Internet nach „Nordirland – Deutschland“ gesucht, Zigtausende Metropolitaner über Parkplatznot geklagt und sich Menschen wie Alya aufgeregt, dass Ozzy Osbourne immer noch tot ist.

Tja, Leute, leider gibt es Wichtigeres zu erledigen. Denn die Kipppunkte könnten uns das Leben kosten. Bald. Ach ja, so ein Kipppunkt ist genau, wonach es sich anhört. Wenn etwas umkippt, ist es kaputt, oder es läuft etwas aus. Und manchmal führt ein Gramm schon zum Umkippen einer Sache. Ein Kipppunkt in der Klimaforschung ist ein kritischer Schwellenwert, bei dessen Überschreiten ein Teil des Erdsystems vergleichsweise plötzlich und unumkehrbar in einen neuen Zustand kippt – mit potenziell furchtbaren Folgen für uns. Manchmal reicht zum Kippen ein Hundertstel Grad aus. Forscher sehen es als essenziell an, Kipppunkte zu vermeiden. Nur so, meinen sie, könne man schwerwiegende, nicht mehr rückgängig zu machende Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern.

Auf dem Spiel, so habe ich gelesen, steht etwa das Überleben des Amazonas-Regenwalds, von dem 100 Millionen Menschen abhängen. Und auch wir auf dem alten Kontinent Europa werden wohl gehörig leiden, könnte demnächst doch die AMOC kollabieren, die Atlantic Meridional Overturning Circulation. Das wird erhebliche Auswirkungen haben, wo die AMOC uns bisher doch einigermaßen stabiles Klima garantiert.

Gemeinsam handeln, um die Zukunft zu sichern

Das Klima läuft aber Amok. Eigentlich merken wir es ja auch schon. Was war, wird aber harmlos gewesen sein im Gegensatz zu dem, was kommt. Wir müssen alles tun, was geht, wenn wir unsere Kinder und die jüngere Generation lieben. Beispiellose und sofortige Maßnahmen von politischen Entscheidungsträgern in aller Welt sind notwendig. Alle müssen helfen. Denn die Erde ist unser Raumschiff Enterprise. Wir sitzen alle in diesem Boot. Beim nächsten Mal gebe ich mir dann wieder Mühe, lustig zu sein – wenn ich überlebe.

Schreiben Sie mir: mahlzeit@mannheimer-morgen.de

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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