Fast hätte es sogar für den Pop-Echo gereicht: Obwohl Heinos Cover-CD "Mit freundlichen Grüßen" nur ein paar Wochen vor der Echo-Gala erschienen war, verkaufte sie sich so schnell so oft, dass nur Klassik-Popstar David Garrett die Nase vor dem altgedienten Volkssänger hatte. Der stellte trotzdem einen Download-Rekord auf und erhält in diesen Tagen seine erste Platin-Auszeichnung für über 200 000 abgesetzte Exemplare seit 1981. Am Montag, 3. Juni, holt Heino sein wegen Terminproblemen abgesagtes Rock-Konzert im Mannheimer Capitol nach. In unserem Interview verrät der 74-Jährige, wie diese Show aussehen soll, was es mit dem "Rocker-Krieg" um sein "verbotenes Album" auf sich hatte und dass er schon darüber nachgedacht hat, Anti-Nazi-Songs nachzusingen.
Hallo Heino, freundliche Grüße! Tragen Sie noch fleißig Ihren Totenkopfring?
Heino: Ja, natürlich. Den hat mir doch meine Frau Hannelore geschenkt.
Ihr erstes Nummer-1-Album "Mit freundlichen Grüßen" hat sich enorm gut und schnell verkauft - wahrscheinlich über 150 000, oder?
Heino: Wir haben Gott sei Dank jetzt schon mehr verkauft. Irgendwann bekomme ich da noch 'ne Platin-Schallplatte.
Wie waren die Reaktionen auf Ihre neuen Songs beim Frühlingsfest der Volksmusik?
Heino: Beim Frühlingsfest musste ich natürlich in erster Linie noch mal die traditionellen Lieder singen, aber auch einen Titel von der neuen Platte. Das war "Junge" von den Ärzten. Und ich muss sagen, das kommt bombig an. Und gerade war ich in Regensburg . . . Ein Geschreie, als ich das gesungen habe. Da merkt man schon, dass viele, viele junge Leute zu den volkstümlichen Konzerten kommen, nur um mich zu sehen.
Ich könnte mir vorstellen, dass "Junge" auch den Älteren gut gefällt. Ich finde, die Version ist ein bisschen in Richtung Freddy aufgestellt - es klingt ein bisschen wie sein Anti-Hippie-Lied "Wir"..
Heino: Die Älteren, klar, die haben viel Spaß. Man darf ja nicht vergessen, dass sie immer gehänselt wurden: Ihr mit Eurem Heino. Die können jetzt erhobenen Hauptes sagen: Unser Heino kann das auch singen - und mit Erfolg. Das sind ja auch wunderschöne Melodien mit frischen Texten - wenn auch mit etwas weniger Harmonien, wie wir das aus dem volkstümlichen Bereich kennen.
Man muss zugeben: Jan Delays Text zu "Liebeslied" haben viele bei Ihnen zum ersten Mal verstanden.
Heino: Ja,da kommen viele, auch junge Leute zu mir und sagen: "Jetzt verstehe ich zum ersten Mal den Text." Bei Grönemeyers "Was soll das" passierte das oft - dabei gibt es den nur als Download. Die Platte war 14 Tage auf dem Markt, da kamen am Hamburger Flughafen zwei seriöse Herrn um die 40 auf mich zu: "Wissen Sie, ich bin Ärzte-Fan. Aber ich muss Ihnen sagen: Jetzt verstehe ich den Text zum ersten Mal richtig. Ihre Interpretation gefällt mir besser." Und so wird es vielen gehen.
Bei "Liebeslied" hatten Sie bestimmt Spaß im Studio - die Zeile "Bock ihn in den Arm zu nehmen und stundenlang zu knuddeln" kommt jedenfalls sehr amüsant rüber.
Heino: Ja, wissen Sie: Man soll nicht alles so ernst nehmen. Musik soll ja Freude bereiten. Und als ich den Song gesungen habe, musste ich natürlich auch ein bisschen schmunzeln. Aber ich muss sagen, ich finde ihn schön. Oder "Das Kompliment" von Sportfreunde Stiller. Der Text ist doch einmalig. Zumindest weiß ich jetzt, was Chill-out-Area ist. Da musste ich mich erst einmal erkundigen, was singe ich da überhaupt?
Wo wäre denn Ihre persönliche Chill-out Area?
Heino: Meine persönliche Chill-out Area geht grade an mir vorbei. Das ist die Hannelore.
Von den Popsongs haben Sie sich gesangstechnisch manchmal etwas unterfordert gefühlt, wie Sie in einigen Interviews betonten - kommt es darauf bei Punk oder Hip-Hop wirklich an?
Heino: Nein. Ich habe ja nur gesagt, dass das für mich als Sänger natürlich keine große Herausforderung ist. Es macht mir aber Spaß. Was eine größere Herausforderung wäre: Wenn ich auf der Bühne "MfG" von den Fantastischen Vier singe. Das muss man üben. Gesanglich sind Songs von Sportfreunde, Clueso, Westernhagen oder Grönemeyer nicht so fordernd wie der "Enzian" über drei Oktaven.
Aber das heißt doch nichts in der Popmusik . . . dann wäre ein Bob Dylan zum Beispiel ein extrem schlechter Sänger . . .
Heino: Das muss nicht besser oder schlechter sein. Wir machen uns da im volkstümlichen Bereich manchmal viel zu viele Gedanken. Wenn ich jetzt nun etwas von Tschaikowsky, Schubert oder Mozart aufnehme, alles tolle Lieder, da versuchen wir immer möglichst viele Harmonien reinzubringen, mit Geigen, Celli, Bratschen. Und jetzt habe ich bei der neuen Produktion festgestellt, das ist oft gar nicht notwendig und auch gar nicht immer schön. Wenn ich jetzt zum Beispiel "Sonne" von Rammstein mit einem großen Sinfonieorchester mit 70 Musikern mache, dann klingt das noch pompöser, dann klingt das richtig groß. Aber es muss nicht unbedingt schöner sein. Die jungen Leute haben ja ein ganz anderes musikalisches Empfinden. Und es ist ja auch zeitabhängig. In einigen Jahren sieht alles wieder anders aus.
Haben Sie auch über Songs von Xavier Naidoo nachgedacht? Da waren Ihnen die souligen Gesangslinien wahrscheinlich zu verspielt, oder?
Heino: Xavier Naidoo hat auch tolle Lieder gemacht, eins gefällt mir besonders gut . . . "Dieser Weg"! Aber wir müssen jetzt erst mal abwarten. Es muss ja auch Hand und Fuß haben. Ich muss mich da mit den jungen Leuten besprechen, die sich in dieser Materie auskennen. Wie fühlt Ihr das? Wie sollen wir das machen?
Wie haben Sie den Sound für das Album entwickelt?
Heino: Ich habe das mit dem Produzenten, der ja halb so alt ist wie ich, so entwickelt, denn wir durften die Nummern ja nicht verändern. Es gab aber auch keinen Grund dafür. Für uns war nur die Frage: Halten wir es sparsam oder machen wir eine Riesenproduktion daraus? Und dann haben wir mehrere Möglichkeiten ausprobiert. Erst einmal eine bombastische Version, dann haben wir immer mehr rausgenommen, erst die Celli, dann einen ganzen Streichersatz. Und je mehr wir dabei rausgenommen haben, desto moderner klang dann die Nummer. Wir haben gemerkt, wenn wir es bombastisch machen, klingt es altmodischer.
Wie setzen Sie den Sound bei Ihrem Konzert am 3. Juni im Mannheimer Capitol um - sind zum Beispiel die Bläser dabei?
Heino: Ich habe meine Band, die das auch bei der Produktion gespielt hat. Dazu vier Bläser, die auch bei Udo Jürgens oder Grönemeyer spielen, Bass, Schlagzeug, Orgel und drei Chorsänger. Das wird dann auch wieder etwas bombastischer, das muss abgehen. Da kann man dann sagen: Oh, hallo. Da ist was los.
Meinen Sie nicht, dass die Platte auch ohne den über den Boulevard lancierten "Rockerkrieg" ein Erfolg geworden wäre - einfach weil viele Ihrer Interpretationen ganz originell und unterhaltsam sind?
Heino: Diese "Rockerkrieg"-Geschichte haben wir ja nicht inszeniert. Das hat sich ergeben. Bevor wir das Album rausgebracht haben, wollten wir drei, vier Titel zu Werbezwecken benutzen. Das heißt, wir hätten einen Spot gemacht. Aber das ist von allen kategorisch abgelehnt worden. Das war bösartig. Da sind Worte gefallen, die nehme ich gar nicht erst in den Mund. Einiges liegt auch schriftlich vor. Warum sollen wir hier auch einen großen PR-Effekt machen, den wir im Grunde gar nicht nötig haben? Ich war da sehr drüber erstaunt, weil ich immer gedacht habe, die Jungs sprechen von Toleranz und Respekt. Das habe ich da etwas vermisst. Jetzt hat sich das natürlich beruhigt, denn gegen Erfolg kann man nicht anstinken. Und die Jungs, die sich am meisten aufgeregt haben, die Ärzte, die verdienen ja schön daran.
Was kommt als Nächstes nach mit "Freundlichen Grüßen" - "Alles nur geklaut"?
Heino: Da lasse ich mich von der Schallplattenfirma beraten. Die kennen sich besser aus. Man kann das nicht so wahllos machen. Ich habe jedenfalls noch Optionen auf zwei Platten.
Info
Zur Person: Heino wurde am 13. Dezember 1938 in Düsseldorf als Heinz Georg Kramm geboren. Sein Markenzeichen ist die sehr dunkle Sonnenbrille, die er wegen seiner hervortretenden Augen nach einer Morbus-Basedow Erkrankung trägt. Zu singen begann der gelernte Bäcker und Konditor mit dem markanten Bariton 1960, 1965 entdeckte ihn Ralf Bendix. Ab 1967 und dem Album "Kein schöner Land in dieser Zeit" platzierte er sich regelmäßig in den Charts, später auch mit Hits wie "Karamba, karacho, ein Whisky", "Mohikana Shalali", "Blau blüht der Enzian" oder "Die schwarze Barbara". Nach eigenen Angaben hat Heino über 50 Millionen Tonträger verkauft. Trotzdem gelang ihm erst im Februar 2013 mit der Rock-Coverplatte "Mit freundlichen Grüßen" sein erstes Nummer-1-Album.
Zum Konzert: Entgegen anderslautender Meldungen gibt es für das Heino-Konzert am Montag, 3. Juni, 20 Uhr, im Mannheimer Capitol zum aktuellen Album noch Karten (0621/10 10 11, 34,50 bis 41,40 Euro).
Zum Kirchenkonzert: Im Herbst ist Heino wieder zu hören, mit dem Programm "Die Himmel rühmen II - Die Kirchentournee mit Franz Lambert und Chor". Am Montag, 18. November, 19 Uhr, in der Dreifaltigkeitskirche Worms (38,65 Euro) und am Samstag, 30. November, 19.30 Uhr, in der Hemsbacher Lutherkirche. jpk
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