Interview

Vince Ebert: „Im Panikmodus reagiert unser Gehirn nicht besonders clever“

Der Physiker und Kabarettist erklärt vor seinem Auftritt am 17. März im Mannheimer Capitol, dass Kapitalismus besonders klimafreundlich ist und warum er nicht empfiehlt, unreflektiert der Wissenschaft zu folgen

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Jörg-Peter Klotz
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Argumentiert im Dienst der Wissenschaft gegen blinde Gefolgschaft für die Wissenschaft: Kabarettist Vince Ebert. © Frank Eidel

Mannheim. Herr Ebert, sind Sie froh, dass Sie in der Öffentlichkeit nicht ganz so präsent sind wie Dieter Nuhr?

Vince Ebert: Och, Popularität ist ja in unserem Beruf kein Nachteil. Aber da kann ich mich auch nicht beschweren. Meine Shows sind fast alle ausverkauft, was nach der harten Corona-Zeit alles andere als selbstverständlich ist.

Ich frage, weil Ihr im Fernsehen sehr präsenter Kollege Dieter Nuhr häufig Proteststürme erntet. Unter anderem wird er für ähnlich differenzierte Argumentationen zum Thema Wissenschaft wie in Ihrem Buch „Lichtblick statt Blackout“ in den sozialen Medien als wissenschaftsfeindlich gegeißelt. Das passiert bei Ihnen nicht so extrem oder wie sind Ihre Erfahrungen?

Ebert: Erfreulicherweise wurde mein neues Buch, in dem ich mich kritisch mit der deutschen Energiewende und unserer Klimapolitik auseinandersetze, in den Medien und beim Publikum sehr positiv aufgenommen. Was mich sehr freut. Ich möchte mit dem Buch eine Debatte anstoßen und eben nicht bestimmte Gruppen gegeneinander aufhetzen. Und dennoch lege ich den Finger in die Wunde: „Tun wir aus den richtigen Gründen vielleicht ja das Falsche? Könnte es andere Wege geben, die Welt zu verbessern?“ Diese Fragen treffen derzeit offenbar einen Nerv und sind meiner Meinung nach dringend nötig. Und natürlich: Ein paar Leute gibt es gerade bei dem Thema immer, die einem irgendwelche dubiosen Dinge unterstellen wollen.

Am 17. März im Capitol

Vince Ebert wurde am 23. Mai 1968 in Miltenberg geboren und wuchs in Amorbach auf. Sein Taufname Holger wurde schon im Teenager-Alter ersetzt, weil er glühender Fan des Hamburger Boogie-Pianisten Vince Weber war.

Von 1988 bis 1994 studierte Ebert Physik an der Universität Würzburg. Danach arbeitete er bei einer Unternehmensberatung in Frankfurt. Während seiner Powerpoint-Präsentationen fiel das komische Talent des Consultants auf.

Seit 1998 steht er mit eigenen Kabarettprogrammen auf der Bühne. Sein erster Regisseur Eckhard von Hirschhausen riet dem Diplom-Physiker dazu, das Thema Wissenschaft kabarettistisch zu forcieren.

Mit seinem zehnten Programm „Make Science Great Again“ gastiert Vince Ebert am Freitag, 17. März, 20 Uhr, erstmals im Mannheimer Capitol. Die Abendkasse öffnet um 19 Uhr und bietet laut Veranstalter noch Restkarten zum Preis von 35 Euro.

Vince Ebert: „Lichtblick statt Blackout: Warum wir beim Weltverbessern neu denken müssen“. DTV. 224 Seiten. 15 Euro.

 

Ein Reizpunkt für die Klimabewegung unter vielen in ihrem Buch ist, dass Sie das „Follow the Science“-Diktum der Bewegung Fridays For Future nicht für unfehlbar halten. Obwohl Ihre Karriere seit Jahrzehnten darauf fokussiert, Menschen Wissenschaft näher zu bringen. Ist das kein Widerspruch – auch zu einem Programmtitel wie „Make Science Great Again“.

Ebert: In der Wissenschaft geht es darum, Phänomene zu beobachten, Hypothesen über mögliche Zusammenhänge zu formulieren und diese dann mit Hilfe von Experimenten zu überprüfen. Die Wissenschaft beschäftig sich mit der Erforschung von messbaren Zusammenhängen. Die Kernphysik zum Beispiel beschreibt sehr genau, wie viel Energie durch eine Kernspaltung frei wird. Aber sie macht keinerlei Aussagen darüber, ob Kernenergie gut oder schlecht ist. In der Wissenschaft versucht man also nicht, die Welt zu bewerten, sondern man versucht, sie zu verstehen. Oder anders gesagt: Klimaforschung ist objektive Wissenschaft. Klimapolitik dagegen ist subjektiv, unscharf und verhandelbar. Wer beides miteinander vermischt oder gar gleichsetzt, gewinnt vielleicht die Sympathien der Öffentlichkeit, aber er missbraucht damit die Wissenschaft für populistische Zwecke.

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Sind Sie als Diplom-Physiker vielleicht weniger angreifbar? Oder schützt Sie die bei der Sozialisation in Amorbach im tiefen Odenwald erworbene Bodenständigkeit?

Ebert: Ich versuche ja stets, die Dinge mit einer gehörigen Portion Humor zu erklären. Das führt im besten Fall dazu, dass die Leute über sich selbst lachen können. Ein Beispiel: Am Stand von Greenpeace fragte ich einmal, „Warum demonstriert ihr eigentlich immer nur gegen Pelzmäntel, aber nie gegen Lederbekleidung?“ Antwort: „Weil man ältere Damen risikoloser anpöbeln kann, als die Hells Angels.“ Diesen Gag finden selbst Leute aus der Umweltbewegung lustig.

Sie schreiben explizit, dass Sie sich (anders als der deshalb oft kritisierte Dieter Nuhr) nicht über die Klima-Ikone Greta Thunberg lustig machen wollen. Warum?

Ebert: Ich greife in meinen Shows und Büchern ungern Personen direkt an. Allerdings stelle ich schon die Frage, ob Thunbergs Appell, über den Zustand der Welt in Panik zu geraten, wirklich so konstruktiv ist. Denn im Panikmodus regiert unser Gehirn nicht besonders clever: Das Kleinhirn stellt seine Aktivität ein, die Großhirnrinde wird ausgeklammert. Durch Angst und Panik wird also das klare Denken buchstäblich gelähmt.

Ihr Buch ist auch deshalb lesenswert, weil es ungewohnte Perspektiven aufzeigt. Zum Beispiel belegen Sie durch einfache, gebräuchliche Indizes, dass möglichst freier Kapitalismus zu wirksamem Umweltschutz führt. Wie erklären Sie das inhaltlich?

Ebert: Indem ich meine Thesen mit seriösen, öffentlich zugänglichen wissenschaftlichen Quellen belege. Beim Thema Kapitalismus ist die Datenlage recht eindeutig: Je wirtschaftlich freier ein Land ist, desto besser ist auch der dazugehörige Umweltindex. Aus ökologischer Sicht ist der Kapitalismus also anscheinend nicht das Problem, sondern eher die Lösung.

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Jörg-Peter Klotz
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Damit sind sie deutschlandweit vermutlich der einzige Kabarettist, der FDP-nah argumentiert…

Ebert: Parteipolitik interessiert mich nicht. Ich schaue mir nachprüfbare wissenschaftliche Zusammenhänge an und versuche, sie dann so unterhaltsam aufzubereiten, dass sie auch ein Laie nachvollziehen kann.

Bei der Lektüre  fällt auf: Auf ganz seriöse Argumente folgt regelmäßig im ähnlich sachlichen Ton eine Pointe, teilweise auch Nonsense – das hat mich sehr irritiert, aber auch aufmerksam gehalten. Ist das die Absicht dabei?

Ebert: Aus der Hirnforschung ist schon lange bekannt: Ein vergnügtes Hirn lernt besser.

Am Schluss des Buchs plädieren Sie für mehr Offenheit und Optimismus. Wo nehmen Sie den her in unserer gespaltenen, immer weniger diskursfähigen Gesellschaft?

Ebert: Ich denke nicht, dass wir in einer gespaltenen Gesellschaft leben. Die allermeisten Menschen sind durchaus offen für Argumente. Das Problem liegt eher darin, dass Extrem-Meinungen, die von sehr wenigen vertreten werden, in den Medien so überproportional sichtbar sind, dass es irrtümlich den Anschein erweckt, diese Leute wären der Mainstream.

Am 17. März spielen Sie im Mannheimer Capitol „Make Science Great Again!“. Ist das die Live-Umsetzung Ihres Bestsellers?

Ebert: Nicht nur. Natürlich kommen auch die Inhalte aus dem Buch vor. Aber ich erzähle ebenfalls sehr viel über mein Jahr in New York, wo ich vor Corona gelebt habe und aufgetreten bin. Ein deutscher Comedian, der Physik studiert hat und in den New Yorker Stand-up-Clubs Witze über Georg Ohm, den Begründer des deutschen Widerstandes, macht.

Sind Sie noch aktiv als Schirmherr des Projekts „Jugend für Technik“ am Mannheimer Technoseum?

Ebert: Ja, ich trete dort in regelmäßigen Abständen unentgeltlich auf, um junge Menschen für das Thema Technologie und Wissenschaft zu begeistern. Denn die wichtigste Ressource steckt in den Köpfen unserer Kinder. Wenn wir also ihnen nur Verzagtheit und Verzicht lehren und nicht auch Optimismus und Fortschrittsbegeisterung, geht die nächste industrielle Revolution einfach an uns vorbei. Und das dürfen wir nicht zulassen.

 

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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