Podcast

Speyerer Ehepaar spricht offen über nicht monogame Beziehung - und Mats Hummels

In einer sich emanzipierenden Gesellschaft steigt die Sichtbarkeit alternativer Lebenskonzepte. Julia und Christoph Gass sprechen in ihrem Podcast "Eheplus" über ihre nicht monogame Partnerschaft und was der BVB-Fußballer damit zu tun hat

Von 
Stephan Alfter
Lesedauer: 
„High Five“ für ein Konzept, das für konservativere Menschen kaum nachvollziehbar ist: Christoph und Julia Gass. © Lighthunters

Speyer. Von Woche zu Woche werden es mehr Menschen, die sich für die besondere Art der Beziehung interessieren, die Julia und Christoph Gass führen. Fast 5000 Zuhörer haben inzwischen auf die erste Folge ihres Podcasts geklickt, in der die beiden einigermaßen tabulos darüber sprechen, warum sie in ihrer Ehe auch andere Sexualpartner zulassen.

Im Sommer haben der 30-Jährige Projektmanager in der IT-Branche und die 26-jährige Marketing-Projektmanagerin im Historischen Rathaus in Speyer den Bund der Ehe geschlossen. Das interessierte damals im Juli auch die „Bild“-Zeitung, die ein Foto des Hochzeitspaars veröffentlichte. Anlass dafür war die Tatsache, dass die nun frisch gebackene Braut noch wenige Wochen zuvor mit Mats Hummels abgelichtet worden war - knutschend Ende Mai auf der Balearen-Insel Mallorca. Von Hummels und seiner „Viererkette“ las man damals angesichts der Tatsache, dass dem Fußballstar in den Monaten zuvor schon ähnliche „Beziehungen“ mit anderen Frauen angedichtet worden waren.

Botschaften unter der Gürtellinie

Irritierender als das war aber eben für die geneigten Klatsch-Leser und -Leserinnen der Umstand, dass das 26-jährige Speyerer Instagram-Model schon wenige Wochen danach im Speyerer Standesamt mit einem anderen Mann stand - nämlich mit Christoph Gass. Mit dem Speyerer Fußballer führt sie seit mehreren Jahren eine Beziehung, die - wie sie selbst im Gespräch mit dieser Redaktion ausdrückt - „von Anfang an eine starke Basis“ habe. „Wie geht das zusammen?“, fragten sich Menschen, die die beiden eher aus der Ferne kennen. Immerhin schweigt Julia Gass beharrlich, wie es überhaupt zu der Verabredung mit Hummels kam.

Die Kommentarspalten boulevardesker Online-Seiten füllten sich jedenfalls schnell. Die Schablone mit dem klassischen Weltbild passte nicht mehr. Erst fremd knutschen, dann heiraten - ein Tabubruch? Tendenz unter den Lästerern: Mitleid mit dem Bräutigam, teilweise Hassbotschaften für die Braut. Julia Gass wehrte sich: „Der Horizont mancher Menschen ist leider echt begrenzt. Für manche Menschen gibt es auch andere Konzepte für ihre Beziehung und ihre Liebe“, antwortete sie auf Nachrichten, die unter die Gürtellinie zielten. Dass das Modell, das sie mit Christoph Gass lebt, eine offene Ehe ist, wurde jetzt erstmals für jeden deutlich.

Das Resultat eines Prozesses, der anschließend einsetzte, ist der genannte Podcast „Eheplus“, der inzwischen bei Folge neun angelangt ist, und der auch Julias Ehemann sichtbarer gemacht hat. Christoph Gass ist den sozialen Medien eigentlich deutlich weniger zugewandt als seine nunmehr langjährige Lebensgefährtin, die sich ihrem 116 000 Follower starken Instagram-Publikum sehr oft in neuer Unterwäsche oder in Sportleggins präsentiert. Ganz zu schweigen von den an Reichweite starken Portalen wie „Only Fans“ und TikTok.

Der Podcast "Eheplus"

Die erste Folge von Eheplus ist bei Spotifiy seit dem 18. August 2022 abrufbar. Inzwischen gibt es neun Folgen.

Julia und Christoph Gass erklären ihr eigenes Konzept einer offenen Beziehung und wollen auf diesem Weg Verständnis für das Modell schaffen.

Wie viele Folgen es letztlich werden, ist bisher nicht klar. Die Anzahl der Zuhörer steigt nach Aussage beider indessen wöchentlich.

Eheplus findet man auch bei Instagram oder bei TikTok sal

Ihr Mann sagt: „Wir haben gegenüber unseren Freunden nie ein Geheimnis aus unserem Konzept einer offenen Beziehung gemacht. Durch die Öffentlichkeit der Berichterstattung dachten wir uns: ,Jetzt weiß es eh jeder. Jetzt können wir auch ganz transparent damit umgehen’. Das tun sie seither einmal pro Woche.

Liebe zu dritt?

In den bisherigen Folgen denken sie sich zurück zu dem Zeitpunkt, an dem sie begonnen haben, die Monogamie als einzig wahres Konzept in Frage zu stellen. Das tun übrigens immer mehr Menschen. Laut einer Statistik, die „Statista“ im Jahr 2016 veröffentlich hat, glauben 53 Prozent der Befragten, dass Menschen nicht von Natur aus monogam sind. „Liebe zu dritt“ also, wie es die 2021 verstorbene Francoise Cactus im gleichnamigen Song von Stereo Total im Jahr 2001 sang? Christoph Gass und seine Ehefrau differenzieren da noch mehr. Sie leben keine „Ménage a trois“, keine Dreiecksbeziehung, sondern treffen sich mit unterschiedlichen Partnern zum Geschlechtsverkehr. Das können auch Paare sein.

Mehr zum Thema

Lebensmodelle

Polyamore Familie gibt Einblick in ihr Leben

Veröffentlicht
Von
Kai Plösser
Mehr erfahren

„Wir hatten eine ganz klassische Beziehung in den ersten dreieinhalb Jahren“, sagt Christoph Gass. Die Gespräche über ein offenes Konzept hätten begonnen, als Julia geäußert habe, sie würde gerne mal eine Erfahrung mit einer Frau machen. Bei allen Wünschen nach anderen Erlebnissen mit anderen Sexpartnern seien sie sich aber beide sicher gewesen, dass sie für immer zusammen bleiben wollen. Daher sei die Heirat absolut kein Widerspruch. „Wir wollten es nach außen zeigen, dass wir immer zusammen gehören“, sagt Julia Gass. Treu sein wollen sie sich sogar - aber eben auf einer anderen Ebene. Sie geben zu bedenken, wie viele Menschen in einer nur vermeintlich monogamen Beziehung lebten und heimlich fremd gingen. „Ist die offene Ehe also das perfekte, weil ultimativ ehrliche Konzept?“ - darüber spricht das Paar in einer weiteren Podcast-Folge.

Wie ist das mit der Eifersucht

Abgesehen davon, dass das Medium für beide eine neue Erfahrung darstellt, sind die Gespräche von einem tiefen Vertrauen geprägt. Sie sagt: „Es gab in unserer Beziehung von Beginn an keine Tabu-Themen.“ Die eine oder andere Nervosität verzeiht der Hörer den beiden gerne. Und weil es eben keine Tabu-Themen gibt, sprechen die beiden auch gegenüber dieser Redaktion offen darüber, dass sie sich in diesem Jahr bisher viermal und er sich dreimal jeweils mit einem anderen Menschen verabredet hat. „Wie war’s?“, sei jeweils die erste Frage, wenn sie sich dann - mitunter am nächsten Morgen - wieder gegenüberstünden. Eine Folge behandelt insofern auch das Thema Eifersucht und den Umgang damit. Es sei auch schon vorgekommen, dass sie ihn gebeten habe, heute nicht zu gehen. Gefühl, Vertrauen, Sensibilität und Ehrlichkeit nennen sie als die wichtigsten Grundlagen für eine offene Ehe. Dabei ist ihnen wichtig, niemanden überzeugen zu wollen. „Wir wollen im besten Fall mehr Verständnis für andere Beziehungsmodelle schaffen und zu neuen Gedanken anregen“, betonen beide.

Ganz nebenbei erweitert Julia Gass ihre Sichtbarkeit und Popularität in den Medien um ein weiteres Themenfeld. Einen offenen Umgang hatte die 26-Jährige in den vergangenen Jahren schon mit ihrer Magersucht gepflegt, die sie bis in eine Spezialklinik führte. Schon damals unterstützend an ihrer Seite - Christoph Gass.. „In guten wie in schlechten Zeiten“, heißt es schließlich.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen