Interview - Hubert Wandjo und Alexander Endreß von der Mannheimer Popakademie über ihr neues Handbuch „Musikwirtschaft im Zeitalter der Digitalisierung“

Mannheimer Popakademie bündelt Erkenntnisse zur Digitalisierung der Musikindustrie

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Hubert Wandjo (l.) und Alexander Endreß von der Popakademie sprechen über ihr neues Handbuch. © Manfred Rinderspacher

Mannheim. Herr Endreß, Herr Wandjo, Ihr Handbuch „Musikwirtschaft im Zeitalter der Digitalisierung“ enthält auf 550 eng bedruckten Seiten mehr als 30 Aufsätze von renommierten Fachleuten und Praktikern – kann man aus dieser Flut von Information eine Quintessenz destillieren?

Hubert Wandjo: Eine mit Sicherheit: Wenn man das Buch komplett durchliest, kann man die Größe des Transformationsprozesses erkennen, dieses Zeitenwandels also, der die Musikindustrie in den vergangenen 15 Jahren ereilt hat. Wenn man das so geballt vor Augen hat, wird klar, was in diesem Zeitraum alles passiert ist. Die Profis sind oft nur mit Teilaspekten des Wandels beschäftigt und haben andere Bereiche der Digitalisierung gar nicht auf der Uhr. Da kann man feststellen: „Wow, das ist schon harter Tobak, was da passiert ist. Speziell in der Zuspitzung der vergangenen fünf, sechs Jahre.“

Alexander Endreß: Und die Transformation ist ja noch nicht abgeschlossen. Das soll das Buch auch veranschaulichen. Jetzt ist nur ein Zeitpunkt, an dem sich Einiges, auch in der Praxis, etabliert hat. Wir wollen aber auch signalisieren, dass der Wandel und die Weiterentwicklung nicht aufhören, dass man sich weiterbilden, darüber reden, wissenschaftlich arbeiten, Erfahrungen sammeln und verdichten muss. Und zwar in sehr vielen Bereichen. Denn Musikwirtschaft hat ganz viele Aspekte. Die muss man alle verstanden haben, um das große Ganze zu verstehen.

Zur Person und zum Buch

  • Hubert Wandjo wurde am 27. April 1952 in Lampertheim geboren. Er studierte von 1973 bis 1979 BWL in Mannheim. 1980 startete der Diplomkaufmann seine Karriere bei CBS (später Sony Music) in Frankfurt, wo er bis zum stellvertretenden Geschäftsführer und Chef des Labels Columbia (Michael Jackson, Bruce Springsteen, Bob Dylan) aufstieg. 1997 übernahm er die Leitung von Eastwest Records.
  • 2002 kehrte Wandjo nach Mannheim zurück, um 2003 neben Udo Dahmen die Geschäftsführung der Popakademie Baden-Württemberg zu übernehmen. 2008 wurde dem Leiter des Fachbereichs Musik- und Kreativwirtschaft der Professorentitel verliehen.
  • Alexander Endreß wurde am 26. März 1971 in Heilbronn geboren. Er studierte in Erlangen-Nürnberg Wirtschafts- und Sozialwissenschaften auf Diplom und wurde 2004 promoviert. 2008 wurde der auch als Musiker aktive Wissenschaftler Studiengangsmanager im Fachbereich Musik- und Kreativwirtschaft an der Popakademie, seit 2021 ist Studiengangsleiter Musikbusiness.
  • Hubert Wandjo/Alexander Endreß (Herausgeber): „Musikwirtschaft im Zeitalter der Digitalisierung. Handbuch für Wissenschaft und Praxis“. Nomos Verlag, 550 Seiten, 58 Euro.

Also ist dieses „Handbuch für Wissenschaft und Praxis“ wie in anderen Disziplinen auch zwangsläufig eine Momentaufnahme?

Wandjo: Das ist sicherlich so. Aber es hat auch nicht nur eine Halbwertszeit von einem Jahr. Vieles ist Basiswissen und so weit in der Industrie angekommen, dass die Praxis sich vorerst nur im Detail verändern wird. Ein Großteil der Transformation und  viele essenzielle Entwicklungen haben jetzt schon stattgefunden. Die Basics sind da, aber es wird auch noch viel passieren – speziell im Marketing-Bereich nach Facebook, Instagram, den TikToks und Twitches. Viele Inhalte werden aber die nächsten fünf bis zehn Jahre Bestand haben.. Der massive Transformationsschub wird die nächsten fünf Jahre etwas abflachen. Es wird keine neue Welle kommen, die alles, was in dem Handbuch steht, obsolet machen wird.

Endreß: Dass es jetzt erscheint, ist ja auch kein Zufall. So ein Buch entsteht nicht mal eben mit einem Fingerschnippen innerhalb von einem oder zwei Jahren.

Sondern?

Endreß: Die Idee haben wir eigentlich schon sehr lange, haben die Bearbeitung aber immer wieder verschoben, weil wir tatsächlich nicht sicher waren, ob bestimmte Themen sich schon so konsolidiert haben, dass sie noch über morgen hinaus Aktualität haben und es etwas bringt, das zu lesen. Circa Mitte 2019 waren wir sicher, dass ein Grundstock vorhanden ist, und man auf den Erfahrungen aufbauen kann. Aber es gibt auch Felder, die wir noch nicht angegangen sind.

Zum Beispiel?

Endreß: Der ganze Live-Bereich. Dort hat die Digitalisierung gerade erst begonnen. Dabei war die Pandemie sicherlich ein Treiber. Aber darüber wollten viele Experten noch nicht im Buch schreiben, weil man sich nicht sicher sein kann, wie sich das weiter entwickelt.

Soll das Buch in erster Linie ein Standardwerk für die eigenen Studierenden der Popakademie sein?

Wandjo: Ja.

Endreß: Das war der erste Impuls. Nahezu alle Autorinnen und Autoren haben an der Popakademie referiert oder sind hier mit einem größeren Lehrauftrag verhaftet. Teilweise ist es eine Weiterentwicklung des Stoffes der Dozierenden, teilweise werden die Inhalte schon gelehrt, teilweise inspirieren die Artikel, neue Felder anzugehen. Ohne Verbindung zum Ausbildungsbetrieb an der Akademie wäre das Projekt auch gar nicht möglich gewesen.

Gab es auch für Sie als Herausgeber inhaltlich neue, überraschende Erkenntnisse in den Beiträgen?

Endreß: Nicht unbedingt. Das Grundkonzept bzw. die Struktur des Buches haben wir als Herausgeber ja entwickelt und damit die inhaltliche Zielsetzung festgelegt. Es behandelt die Sparten „Makrostrukturwandel – Die Transformation des Musikmarktes und seiner Rahmenbedingungen“ und  „Mikrostrukturwandel – Modernes operatives Musikmanagement“, mit Unterthemen wie digitales Musikmarketing oder die Auswirkung der neuen Technologien auf die Produktionsästhetik. Erst als wir die konkreten Themen hatten, sind wir an die Autorinnen und Autoren herangetreten, deren Schreibprozess wir dann zum Teil auch sehr intensiv begleitet haben.

Wandjo:  Für mich gab es nur ein paar Sachen im Rechtsbereich, die neu für mich waren – weil ich damit nicht tagtäglich befasst bin. In anderen Bereichen sind wir in der Lehre und der Curriculums-Entwicklung so intensiv mit den Themen befasst und im Austausch mit unseren Lehrenden, dass wir zu sehr und zu lange in den Inhalten stecken, um groß überrascht zu werden.  

War es schwierig, sich dabei  auf wissenschaftliche Standards für die Texte zu einigen?

Wandjo: Mitunter war das im Einzelfall zeitaufwendig. Diese Feinarbeit hat Alex übernommen.

Endreß: Da ging es meist um formalwissenschaftliche Aspekte. Berufspraktiker berichten ja in erster Linie über ihre Erfahrungen und forschen nicht methodisch. Das war ein Kompromiss mit dem vorrangig wissenschaftlich ausgelegten Nomos Verlag: Ich habe von vornherein gesagt, dass man keine methodische Grundlagenforschung erwarten darf. Wenngleich wir auch einige Wissenschaftler als Autoren gewinnen konnten – z.B. Peter Wicke - und selbst Beiträge verfasst haben, so ist es im Ergebnis ein empirisch angelegtes Werk, das insbesondere von den Erfahrungen der Praktiker profitiert. Die Texte haben wir, sofern nötig, dann dahingehend redigiert, dass sie den formalen Regeln einer wissenschaftlichen Arbeit entsprechen.

Der Vorteil ist, dass man nicht in Musiksoziologe oder VWL promoviert haben muss, um die Texte zu verstehen.

Wandjo: Ja. Komplette Laien könnten mit einigen Artikeln vielleicht Verständnisprobleme haben. Man braucht schon Vorkenntnisse und etwas Erfahrung. Aber Interessierten mit etwas Vorwissen, also zum Beispiel Profi- und Amateur-Musikern oder Leuten im Verwertungsbereich, die sich weiterbilden wollen, bringt das sehr viel.

Die Musikindustrie sucht nach Digitalspezialisten. Die sind zwar mittlerweile zahlreicher, auch weil wir jedes Jahr qualifizierte Leute fertig ausbilden und Quereinsteiger dazukommen. Aber es sind bei weitem noch nicht genug, so dass die Branche auch einen hohen Weiterbildungsbedarf hat.

Endreß: Eine weitere Zielgruppe möchte ich hinzufügen: Wissenschaftler, die nicht direkt in der Musikwirtschaft arbeiten. Ich habe oft festgestellt, dass Leuten, die über Kreativwirtschaft forschen, die letzte praktische Sicht der Dinge fehlt. Da werden häufig über viele Seiten Dinge ausgeführt, die der Praxis völlig widersprechen. Ich glaube, dass das Handbuch  diesen Forschenden unheimlich helfen wird, weil sie mit wenig Aufwand erfahren, was zum Beispiel ein Marketing-Direktor eines Label wirklich tut. Wie baut er eine Kampagne auf? An welchen Stellen gibt es Lizenzierungsbedarf, wo muss normativ harmonisiert werden? Man dürfte eigentlich unterstellen, dass Wissenschaftler solche Informationen auch alleine recherchiert bekommen. Aber die Musikwirtschaft ist als Forschungsfeld noch nicht so grundgelegt, als dass man auf etliche, gut ausgearbeitete, empirische Studien stoßen würde. Das ist auch genau die Idee des Buches und der Kompromiss, dem die Nomos-Reihe der Handbücher für Wissenschaft und Praxis gelingt: Für Wissenschaftler Ansätze zu finden, um tiefer in die Materie einzutauchen. Und für Praktiker: Sich auf Augenhöhe mit den Profis zu wissen, mit dem, was man tut und wie man es tut. Und wenn da Unterschiede bestehen, sich weiterzubilden oder mit anderen Fachleuten auszutauschen.  

Der Titel suggeriert es schon: „Musikwirtschaft im Zeitalter der Digitalisierung“ – gibt es nicht quasi einen Zwang zur Fortschreibung und Aktualisierung?

Endreß: Mit dem Verlag haben wir die Vereinbarung, nach ungefähr fünf Jahren die Autorinnen und Autoren um Aktualisierung und Ergänzung ihrer Texte zu bitten und eine zweite Auflage zu gestalten. Aber es gibt auch viele Felder, bei denen wir noch gar nicht richtig in die Tiefe gehen konnten.

Zum Beispiel?

Endreß: Das riesige Thema Künstliche Intelligenz (KI). Das könnte man über alle Themenbereiche und Kapitel noch einmal extra spannen. Ob das Musikproduktion oder auch Lizensierung ist. Dort gibt es große Probleme und noch keine komplette Rechtssicherheit. Ein gutes Beispiel für Digitale Transformation ist auch die ABBA-Reunion, anlässlich derer in London ein eigenes Theater gebaut wurde, um im Mai 2022 eine Show mit jung aussehenden Avataren der Band dauerhaft zu zeigen.

Ist das die lang erwartete digitale Revolution auch im Live-Bereich?

Endreß: Zumindest waren diese ganzen Hologramm-Shows bislang unrentabel. Denn sie hatten einen wahnsinnigen technischen Aufwand bei großer Unsicherheit vor Ort, in jeder neuen Halle. Das schalten Abba dadurch komplett aus, dass sie ein fixes technisches Setup in nur einem Venue haben.

Aber das bietet sich ja nur in der absoluten Weltstar-Liga an, oder? Die Praktiker zum Beispiel von Epicto sagen, dass bei der Abbatar-Show wie bei Hollywood-Blockbustern oder großen Videospielen teure Programmierer über einen langen Zeitraum zu Buche schlagen…  

Endreß: Naja, wir haben ja schon oft die Erfahrung gemacht: Was heute unerschwinglich ist, wird durch die Entwicklung am Markt in zehn Jahren Usus. Und denken Sie an solche Eventorte wie etwa Las Vegas: Die müssen dort im Entertainment ja immer noch einen draufsetzen. Wenn ich mir anschaue, was im Bereich Live-Entertainment in den vergangenen 20 Jahren alles üblich geworden ist…

Wandjo: Und die KI-Leute setzen ja auf den Einzug des Quantencomputers. Der technische Fortschritt wird hier sicherlich einen wesentlichen Beitrag zur Beschleunigung solcher Entwicklungen leisten.

Okay, aber letztlich reden wir im Fall Abba in London von extrem hochwertigem Musikkino mit einer Live-Coverband und den aufgezeichneten Originalstimmen. Ist das wirklich die Zukunft?

Wandjo: Das entscheidet letztlich der Markt bzw. die Nachfrage. ABBA haben natürlich die Größe und Bedeutung, um so etwas mit überschaubarem Risiko anbieten zu können, schauen wir mal, wie sich das entwickelt und wie weit sie kommen. Interessant ist es allemal.

Endreß: Die Möglichkeiten muss man differenzieren. Letztlich ist das eine Preisfrage. Und es hängt auch davon ab, an welchen Stellen man Synergien schaffen kann. Musiktourismus ist ja zum Beispiel ein großes Thema. In Verbindung mit einer Städtereise nach London ist die ABBA-Show sicher ein attraktives Paket. Also: Da ist durch die Marketing-Brille gesehen vieles möglich.

Sehen wir auch die Wiederauferstehung der Toten wie Elvis oder Jimi Hendrix als Avatare? Kann das auf der Basis alter, nach HD-Maßstäben verwaschener Videos funktionieren?

Endreß:  Das hat man bei Michael Jackson gesehen: Videos können als Grundlage dienen, um die Bewegungsabläufe einzufangen und zu kategorisieren. Das kann man dann mit der KI kombinieren.

Wandjo: Aber auch in anderen Bereichen ist die KI schon von großer Relevanz, zum Beispiel beim Komponieren oder auch in der Musikproduktion, insbesondere im Mastering. Da muss man nicht mehr nach New York zum Mastern fliegen, um einen bestimmten Sound zu bekommen, sondern installiert sich PlugIns, die einen bestimmten Mastering-Stil quasi „nachbauen“.

Ist das Zeitalter nach der Digitalisierung, eine Musikwirtschaft 5.0,  eigentlich schon in Sicht?

Wandjo: Die Digitalisierung wird nicht aufhören. Von großer Relevanz für einen andauernden Transformationsprozess sind aber vor allem auch die Akteurskonstellationen, wie man an den Börsengängen von der Major-Plattenfirmen Universal und Warner sieht: Die Spotifys dieser Welt verdienen zwar operativ noch kaum Geld. Sie haben aber über ihre Börsengänge genug Kapital, um andere Unternehmen zu kaufen. Und im Bereich der Entlohnung und Berechnung digitaler Musik wird sich etwas tun müssen. Da gibt es ja schon Initiativen, dass Künstlerinnen und Künstler direkt von ihren Streams profitieren. Dieser ganze Bereich „Wer kriegt was?“ ist noch nicht ausreichend zu Ende diskutiert. Es gibt auch Bereiche, wo die Kreativen keine Rolle spielen: „Mood Music“, also zum Beispiel, die klassische Fahrstuhlmusik, hat schon längst nichts mehr mit dem zu tun, was wir unter Musikproduktion verstehen. Das macht KI. Das ist profitabel, weil man niemanden bezahlen muss. Das Problem dabei: Bis dato galt der Spruch „Der Computer kann keine Copyrights generieren“. Jetzt kommen aber die Anwälte der Leute, mit deren Musik der Computer gefüttert wurde. Da gibt es jetzt schon Diskussionen. Ob sich im Technikbereich noch mal so eine Umwälzung anbahnt….? Ich glaube die hatten wir jetzt schon.

Endreß:  Es gibt auch stetige Innovationen auf der Produktebene. Ein großes Thema sind zurzeit NFTs. Also die Idee, eine digitale Exklusivität und Verknappung zu erzeugen, um Werte zu generieren. Das ist superinteressant.

Also da geht es wie in der digitalen Kunst um die Besitzrechte zum Beispiel um die Original-Datei eines Musikstücks im letzten Mix.

Endreß: Genau. Gewissermaßen ein exklusiver digitaler Fanartikel, dessen Wert sich dadurch steigert, dass er nicht reproduzierbar ist.

Das wäre schon ein Weg, um orientierungslos gewordene Sammler zu bedienen, die keine Lust mehr auf mehr oder weniger sinnvolle Special Editions und Neu-Auflagen der immer gleichen Platten haben, oder? Auch unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten.

Endreß: Ja. Manchmal ist es auch nur ein Promotion-Werkzeug. Etwa das Management der Beziehung des Kreativen zu seinen Fans, wie z.B. bei Cro mit seinen Tickets auf Lebenszeit auf NFT-Basis, den so genannten „Crollectibles“.

Was ist mit Blockchain – zu kompliziert?

Endreß: Das ist meines Erachtens ein sehr sperriges, wenn auch hochinteressantes Thema, weil das Wertschöpfungssystem in der Musikindustrie zuletzt immer komplizierter wurde. Deswegen bietet sich Blockchain auf der einen Seite eigentlich an. Auf der anderen Seite musst du auch alle abholen, alle müssen es verstehen und abstrahieren können. Da bin ich nicht sicher, ob alle in der Musikindustrie dazu bereit beziehungsweise in der Lage sind. Auch die Konvergenz in der Kreativwirtschaft wird spannend für die Musikindustrie.

Inwiefern?

Endreß: Da sprechen wir dann nicht vom reinen Veröffentlichen von Musik, sondern von Kombinationsprodukten mit Ebooks oder eigens geschaffenen Multimedia-Ereignissen. Und es gibt echte Schwachstellen in der Musikindustrie, die man angehen muss. Vor allem die Benachteiligung der Kreativen. So wie jetzt funktioniert das für mich mittelfristig nicht. Da ist die Musikindustrie in der Verantwortung. Allein schon wegen der Fehleranfälligkeit der Abrechnung beim Streaming. Das hat auch Auswirkung auf die Entstehung von Musik.

Wandjo: Auch die Art des Musikmachens verändert sich. Viele Kreative konzentrieren sich auf einzelne Tracks. Wir merken das im künstlerischen Bereich an der Popakademie: Es gibt immer mehr Singer/Songwriter und Producer, Instrumentalisten werden oft nur noch im Live-Bereich gebraucht. Und die Kreativen verdienen weniger durch Streaming. Das hat auch damit zu tun, dass auf einmal so viel mehr Menschen in der Lage sind, Musik zu produzieren und hochzuladen. Also verteilt sich der Gesamttopf auf viel mehr Leute. Die oben schwimmen, bekommen immer noch sehr viel. Aber der Rest wird immer, immer größer.

Endreß: Und es verdienen auch Leute mit altem Songmaterial mit. Also Rechteinhaber, die gar nichts mehr neu produzieren oder verkaufen. Wenn es ausschließlich den physischen Markt noch gäbe, bekämen die nichts vom Kuchen ab, weil ihre Musik am Markt nicht in dieser Form verfügbar wäre.

Wandjo: Circa 50 Prozent der gestreamten Songs sind Katalogsongs, also keine aktuellen Veröffentlichungen. Wer den Katalog besitzt, verdient in hohem Maße mit.

Herr Wandjo, 2022 geht Ihre Zeit an der Spitze der Popakademie aus Altersgründen zu Ende. Inzwischen war Ihre Stelle und die von Udo Dahmen auch endlich ausgeschrieben. Gibt es schon designierte Nachfolgerinnen und Nachfolger?

Wandjo: Nein. Udo Dahmen und ich sind hier auch nur am Rande eingebunden. Die Entscheidung trifft eine Findungskommission aus Teilen des Aufsichtsrats und externen Leuten. Wir sind so lange im Amt, bis unsere Nachfolge geregelt ist.

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