Mannheim. Ein Blick über Genregrenzen: Zum Auftakt der Serie „Über den Zaun“ spricht der Mannheimer Konstantin Gropper, Kopf des ernsthaften Indie-Popprojekts Get Well Soon, über seine Leidenschaft für US-Comedy.
Herr Gropper, manche haben den Eindruck, dass Ihre Musik mit Get Well Soon sehr intellektuell ist. Dabei steckt viel Humor in Musik und Texten. Wie lustig sind Sie denn so?
Konstantin Gropper (lacht): Ich stelle zumindest fest: Je älter ich werde, kann ich Musik und Kunst ganz ohne Humor nur noch schwer ertragen. Es ist ein sehr wichtiges Element – sowohl, wenn ich Musik mache, als auch, wenn ich sie höre. Diesen bierernsten intellektuellen Anspruch sehe ich bei mir allenfalls am Anfang, etwas Humor war schon immer drin.
Definitiv. Es erschließt sich aber nicht allen auf Anhieb.
Gropper: Ja, genau. Das ist auch Geschmackssache. Ich mag ja selbst Humor, den nicht jeder versteht.
Mögen Sie deshalb keine deutsche Comedy? Ihr Faible bezieht sich ja auf britische oder US-Komiker.
Gropper: Ich habe irgendwann aufgehört, mich mit deutscher Comedy zu beschäftigen. Sie ist einfach nicht so meins. Deswegen kann ich zum aktuellen Stand gar nicht so viel sagen. Vor ein paar Jahren gab es jedenfalls noch eine enorme Diskrepanz zur Qualität im englischsprachigen Raum. Für mich gilt da leider das Klischee vom deutschen Humor.
Woran machen Sie den Qualitätsunterschied fest? In der Popmusik klingen deutsche Texte oft seicht oder kompliziert im Vergleich zum knappen, coolen Englisch.
Gropper: Das kann sein. Es hat ja auch seinen Grund, warum ich selbst lieber auf Englisch singe. Aber ich weiß nicht, ob es das wirklich alleine ist. Ich habe den Eindruck, dass die amerikanische und vielleicht auch die englische Tradition persönlicher ist, autobiografischer und ein bisschen ehrlicher. Amerikanische Stand-up-Comedy hat ja oft diesen observativen Charakter: Man guckt sein eigenes Leben an und merkt, wie lächerlich alles eigentlich ist. Dahaben die Deutschen oft eine zu hohe Meinung von sich.
Wer sind Ihre Favoriten?
Gropper: Wer sich bei mir durchzieht, so als Übervater, ist Jerry Seinfeld. Auch von der Art des Humors, der sich aus dem Alltäglichen speist. Irgendwann hat sich das erweitert: Ich mag Humor, der nicht sofort als solcher zu erkennen ist – Leute wie Marc Maron oder den Kanadier Norm Macdonald, die extrem trocken erzählen. Da muss man sich sehr drauf einlassen, lauthals lachen ist da gar nicht der Punkt. Ich war auch ein großer Fan von Louis C.K.. Deren Witze drehen sich auch meist um die eigene Unzulänglichkeit. Das können Deutsche nicht so gut.
Wobei Hannah Gadsby 2018 im „Nanette“-Programm das Ausschlachten der eigenen Makel als Geschäftsprinzip von Comedy auf fast therapeutische Art als selbstzerstörerisch beschrieben hat.
Gropper: Das habe ich nur in Ausschnitten gesehen. Es hat mich aber nicht so umgehauen, dass es meinen Geschmack beeinflusst hätte.
Wie ist es denn mit krawalligeren Komikern – Jim Jefferies etwa?
Gropper: Den finde ich auch sehr gut.
Für die verstärkte Sensibilität hierzulande ist er aber zu krass, oder?
Gropper: Das ist ja auch wieder so ein Thema. Da gibt es unter den aktuell Großen in den USA zwei Fraktionen: Die einen sagen, Comedy muss alles dürfen wie zum Beispiel Bill Burr. Was ich etwas armselig finde. Als denkender Mensch sollte man schon sehen, dass man heutzutage besser noch mal drüber nachdenkt, ob man noch über etwas Anderes Witze machen kann als Frauen. Das erwarte ich schon. Jim Jefferies war früher auch sehr krass, aber in seinem aktuellen Programm schafft er es anders, viel reflektierter.
Jefferies, Dave Chappelle oder auch der Schotte Chris Sloss schaffen es ja, von extrem derben Zoten zu psychologisch hochspannenden Höhenflügen anzusetzen.
Gropper: Ja, gerade Chappelle ist ein Meister im Spiel „Worüber lacht Ihr hier eigentlich?“ und zieht dabei ganz große Bögen.
Wobei sein Netflix-Special „Dave Chappelle: Sticks & Stones“ (2019) an vielen Punkten zu weit ging – aus reinem Trotz, wie es schien.
Gropper: Nur Beleidigen und Anecken aus Prinzip sind halt auch nicht der Weg. Klar, besteht das Wesen von interessanter Comedy darin, dass man sich etwas traut, was sich vorher keiner getraut hat. Aber es kann auch nicht sein, dass man permanent das Limit pusht. Das ist zu einfach, und gerade Chappelle ist hochintelligent und hat das eigentlich nicht nötig. Ich finde interessant an Seinfeld, dass er immer gesagt hat: „Es muss doch möglich sein, Comedy zu machen, ohne die ganze Zeit nur zu fluchen.“ Quasi „Clean Comedy“, das ist ein interessantes Ziel. Nicht, dass alles so sein müsste. Aber es geht eben auch.
Was tut Comedy für Sie?
Gropper: Beobachten, Schlüsse ziehen, am Schluss steht ein Erkenntnisgewinn. Ich will nicht irgendwelche Witze hören, sondern am Schluss rausgehen und mein eigenes Leben reflektieren. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass Comedy und Late Night in diesen Zeiten so einen Boom erleben. Es ist im Moment einfach die beste Brille auf die Absurdität der Zeit. Mit Comedy kann man sehr viel treffendere Kommentare abgeben zu dem, was passiert, als jemand, der es ernsthaft versucht.
Persönliche Comedy-Empfehlungen vom Get-Well-Soon-Mastermind
- Sitcom
„Seinfeld“ (1989-1998)
Kein Geheimtipp, aber bis heute unerreicht! „Godfather of Comedy“. Zu beinahe jeder Lebenssituation fällt mir ein Zitat daraus ein – was meine Freunde und Familie viel Nerven kostet.
„I’m Alan Partridge“ (1997/2002) und „This Time With Alan Partridge“ (2019)
Hierzulande relativ unbekannt, hat Steve Coogan mit dem erfolglosen Radio-DJ/TV-Host einen absoluten Klassiker der Comedy-Charaktere in Großbritannien geschaffen. Mit einem grandiosen Comeback 2019.
„Veep“ (2012-2019)
Nichts für Zartbesaitete. Die vielfach ausgezeichnete Show über eine US-Vize-Präsidentin hebt „Insult-Humor“ auf ein ganz neues Level. Grandioses Ensemble! Konnte laut eigener Aussage in der Trump-Ära nicht weiter gedreht werden, weil es aus Comedy eine Dokumentation gemacht hätte. Tatsächlich nimmt die Serie viele Ereignisse erschreckend realistisch vorweg.
„Schlawiner“ (2010/2013)
Vielleicht die beste deutschsprachige Sitcom. Wobei mit Deutsch hier Österreichisch gemeint ist. Ein sehr unterschätztes Kleinod.
„Horace and Pete“ (2016)
Eher ein Hinweis als ein Tipp. Ob man Louis C.K. nach den eingeräumten Fällen von sexuellem Missbrauch noch sehen kann bzw. die große Frage, ob man den Künstler von der Kunst trennen kann, kann ich nicht beantworten (ich selbst habe ihn tatsächlich seit 2017 gemieden, seine Kunst aber ehrlich gesagt vermisst). Jedenfalls war seine komplett in Eigeninitiative produzierte Sitcom (mit u.a. Steve Buscemi) künstlerisch ein absoluter Gamechanger.
- Stand-Up-Comedy
Marc Maron:
„End Times Fun“ (2020, Netflix)
Stand-Up-Urgestein, der mittlerweile einer der erfolgreichsten Podcaster, weil bester Interviewer weltweit ist. Sehr gebildet, aber nie altklug und extrem neurotisch. Ich empfehle (fast) alles was er auch sonst macht: Podcast, Sitcom („Maron“), Bücher („Attempting Normal“).
Bill Burr:
„Walk Your Way Out“ (2017, Netflix)
Bill ist leider ein Prolet geblieben, was zusehends etwas ärgerlich ist, weil er unnötigerweise zu eindeutig positiven Entwicklungen eine rein trotzige Contra-Haltung einnimmt. Dennoch „einer der Guten“ und aus genau seiner ungebildeten (wie er selbst sagt), hier würde man sagen „Bauernschläue“ holt er immer noch die meisten lauten Lacher. Und zum Nachdenken bringt es einen umso mehr. Auch sehr empfehlenswert: seine Cartoon-Serie „F is for Family“ (Netflix)
Jim Jefferies:
„Intolerant“ (2020, Netflix)
Der Australier hat einen Wandel weg vom Total-Proleten zum (teilweise) Politisch, Zeitkritischen vollzogen. Ein Schöngeist ist er aber immer noch bei Weitem nicht. Immerhin geht er mit der Zeit. Hatte auch eine (mittlerweile leider abgesetzte) sehr sehenswerte Late Show (The Jim Jefferies Show).
Steven Wright:
„I Still Have A Pony“
(2007, z.B. über iTunes)
Wer Steven Wright nicht kennt, kennt den Begriff „trockener Humor“ nicht. Seine absurden One-Liner sind legendär und in einer Melancholie (bzw. Monotonie) dargeboten, die ihresgleichen sucht.
Sarah Silverman:
„A Speck Of Dust“ (2017, Netflix)
Ebenfalls ein Urgestein und eine unerschrocken, bisweilen schmerzhaft kritische Stimme. Die lange Jahre extrem männlich dominierte Comedy-Szene wird in den letzten Jahren ja gottseidank immer mehr durch die dringend notwendige weibliche Perspektive bereichert.
- Buch
Judd Apatow:
„Sick In The Head“ (2016)
Judd Apatow hat eine erfolgreiche Karriere als Produzent und Regisseur („40-Year-Old -Virgin“, „Girls“, „Superbad“), interviewt aber auch seit dem 16. Lebensjahr seine großen Comedy-Helden. Einige dieser Interviews sind hier zusammengestellt und bezeugen wie nahe auch „off-stage“ Drama und Komödie beieinander liegen.
Infos zur Serie
In der Reihe „Über den Zaun“
sprechen wir in lockerer Folge mit Kulturschaffenden und anderen Prominenten über Hobbys und Leidenschaften, die man nicht unbedingt von ihnen erwarten würde.
Zur Person
Der Sänger, Multiinstrumentalist, Produzent, Komponist und Soundtrack-Spezialist Konstantin Gropper wurde am 28. September 1982 in Biberach an der Riß geboren.
Nach dem Abitur studierte er an der Popakademie Mannheim und nahm ein Philosophiestudium in Heidelberg auf.
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