Mannheim. Shany Mathew lebt in zwei Welten: In der einen arbeitet die Maxdorferin als Integrationsbeauftragte der Stadt Bad Friedrichshall bei Heilbronn. In der anderen bringt sie Menschen indischen Tanz an der Orientalischen Musikakademie Mannheim bei. Sie stand schon oft als Solotänzerin auf vielen deutschen Bühnen. „Mit 14 Jahren war ich ein Bühnenkind“, sagt Mathew
Die Tänzerin wurde in Heidelberg geboren, wuchs in Wiesloch auf. Nach dem Abitur studiert sie in Trier BWL, Tourismus und Soziologie und macht schließlich ihr Diplom. Doch die Liebe zum Tanz lässt sie nicht los. Denn mit dem Tanzstil Bharatanatyam hat sie bereits im Alter von zwölf Jahren in Heidelberg begonnen.
Shany Mathew studiert in Indien den Tempeltanz
In Kerela lässt sie sich während des Studiums in den Ferien weiterbilden, zudem verbringt sie ein Jahr in Indien. Vertieft dort ihre Kenntnisse. Die Kalakshetra Fine Arts Academy in Chennai gilt heute als Eliteschule für Bharatanatyam.
Auch P.T. Narendran, ihr Mentor, wurde dort ausgebildet, unterrichtet an dem Institut und war Mitglied des Kalakshetra-Ensembles. Der preisgekrönte Tänzer stellt häufig gemeinsame Projekte mit Mathew auf die Beine. „Er ist einer der größten Tänzer Indiens“, sagt sie.
Mit Leidenschaft tanzt die 44-Jährige Bharatanatyam. Bekannt ist der Stil auch als Tempeltanz. „Man hat es so eingedeutscht“, erzählt Mathew. „Damit konnten die Europäer am meisten anfangen. Der Tanz kommt von den Tempeln und wurde als Gottesdienst dort aufgeführt. Der Öffentlichkeit war es zunächst nicht gestattet, den Tempel zu betreten.“ Denn es handelte sich um eine heilige Messe zwischen den Devadasis, den Tempeltänzerinnen und den Priestern.
Tanz ist bereits 2000 Jahre alt: Die Bewegung erzählt Geschichten
Diese Kunstform sei eine der ältesten Tanzformen und bereits 2000 Jahre alt, erzählt P.T. Narendran. Die Kunst wurde dann in eine Tanzform gebracht. „Man sagt, sie komme ursprünglich von dem Gott Shiva“, sagt er. Während der rein rhythmische Tanz „Nritta“ genannt wird, gilt „Nritya“ als erzählende Variante. Die Absicht dieser Kunstform ist, Wissen zu vermitteln und formt somit die Basis des Hinduismus.
Tanzen ist eine körperliche Tätigkeit, aber es hat gleichzeitig mit seinen Emotionen zu tun
Um auch das Volk mit ihrer Botschaft zu erreichen, setzte sich der Gott Brahma dafür ein, dass aus allen einzelnen Aspekten des Tanzes eine Kombination für alle Menschen wird. So lautet die Legende. „Tanzen ist eine körperliche Tätigkeit, aber es hat gleichzeitig mit seinen Emotionen zu tun“, sagt Narendran. Bei dem Tanzstil gehe es vor allem darum, seine Gefühle auszudrücken, sagt er. „Genieße das, was du tust.“
Der Tanzstil ist Unterhaltung und gleichzeitig lerne man dabei, sagt Narendran. Er sei wie eine Körpersprache – mit zahlreichen Bewegungen, Schritten und Grundpositionen mit Händen und Beinen. Um die Darstellungen tänzerisch zu unterstreichen, spielen die Körperhaltung aber auch die Mimik eine große Rolle.
Beim Tanzen bleibt der Oberkörper gerade, die Tänzerinnen präsentieren die Bewegungen aus der Hüfte heraus. Man drücke sich auf geistiger Ebene aus, so Mathew. „Wir erzählen etwas und haben eine Message.“ Nicht umsonst werde im Westen der Stil als Ausdruckstanz oder Tanztheater bezeichnet. „Wir erzählen nämlich Geschichten.“ Inzwischen wird der Tanz von sämtlichen Nationen und Kulturen getanzt. „Die Leute haben daran Interesse, ihn zu lernen.“ Für sie sei es spannend, da Körper und Geist im Einsatz sind. „Der Stil ist wie getanztes Yoga. Es gibt den Menschen viel Ruhe und Kraft.“
Mathew spielt in Bollywood-Streifen mit
Wenn Mathew auf die Bühne geht, hüllt sie sich in eine traditionelle Tracht samt passendem Make-up und Frisur. Ihre Stirn schmückt ein roter Bindi. Als Tänzerin hatte die 44-Jährige bereits Auftritte in Bollywood-Filmen. „Das passiert automatisch, wenn du indischen Tanz machst“, sagt sie amüsiert.
Man werde dann von Filmemachern angerufen. Mathew wirkte gar in einem Streifen mit, bei dem die Bollywood-Legende Shah Rukh Khan mitspielte. „Das war für mich eine Erfahrung in jungen Jahren“, sagt sie. „Danach habe ich auch eine Hauptrolle angeboten bekommen.“ Sie lehnt jedoch ab.
Ich hatte niemals daran gedacht, eine Schule zu eröffnen.
Als sie vor 15 Jahren eine Stelle bei der Orientalischen Musikakademie angeboten wird, sagt sie zu. Dort bekam sie eine Plattform und Räumlichkeiten. Sie gibt zunächst Kurse und Workshops, da sie als Tänzerin viel unterwegs ist. „Ich hatte niemals daran gedacht, eine Schule zu eröffnen.“ Eine Begegnung mit einem indischen Kind, das Mathew bei einer Veranstaltung kennenlernt, ist der Auslöser, regelmäßig Unterricht anzubieten.
Tänzerin unterrichtet an der Orientalischen Musikakademie in Mannheim
Über Mundpropaganda bekommt sie immer mehr Kundschaft. „Ich war immer ein bisschen scheu, mir geht es um die Kunst“, sagt sie. „Jetzt ist alles so gewachsen, dass es explodiert. Sie hat rund 100 Schüler. Angefangen hat sie mit Kindern, inzwischen kommen auch die Mütter. „Ich bin kurz davor eine Institution für mich zu gründen.“ Geplant sei es nicht gewesen.
Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer geht es nicht nur um den Tanz. Es sei auch eine kulturelle Zusammenkunft und Integration. „Ich bin für die Kinder eine Bezugsperson, ihnen ist der Unterricht sehr wichtig. Jetzt wird auch eine Dokumentation über die Kalakthetra Schule gedreht. Shany Mathew und ihre Schülerinnen und Schüler werden ebenfalls Teil des Films sein.
Ihren Beruf will Shany Mathew nicht aufgeben
Die beiden Welten vereint Mathew gern. Aufgeben möchte sie ihren bürgerlichen Beruf nicht. Denn als eher introvertierte Person braucht sie immer wieder Pausen vom Künstlerdasein. „Mir tut der bürgerliche Beruf gut, denn da steht man nicht so im Rampenlicht“, sagt sie und lächelt.
Eigentlich hätte sie ihr Vater ja gern als Ärztin gesehen, verrät sie. „Ich bin einen anderen Weg gegangen“, sagt sie zufrieden. „Das Wichtigste war für mich, herauszufinden: Wo bin ich glücklich?“ Dieses Ziel hat sie erreicht. Das Wissen möchte sie auch ihren Schülerinnen und Schülern mitgeben. „Denn wenn du glücklich bist, können es andere Menschen in deinem Umfeld auch werden.“
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