Mannheim. Wie Gesang physikalisch erzeugt wird, nach welchen Regeln eine Komposition aufgebaut ist, das lässt sich erklären und verstehen. Aber das Wesentliche – nämlich was eine Stimme, einen Song wirklich besonders, einzigartig macht – bleibt dem rationalen Verständnis verborgen. Man hört gewissermaßen nur mit dem Herzen gut –- und man verzeihe an dieser Stelle die etwas leichtgewichtige Anspielung auf „Der kleine Prinz“ und zugleich auf den Namen der Musikerin, um die es im Folgenden gehen soll: Henny Herz.
Aber bereits beim ersten Stück, das die Sängerin und Gitarristin zusammen mit ihren Mitmusikern Nicholas Stampf (Schlagzeug, Tasten) und Tobi Schmitt (Bass) auf der Bühne vor der Alten Feuerwache Mannheim spielt („Constant Flow“), beginnt man eben damit, sich derlei Gedanken zu machen.
Ab dem zweiten Song hört man einfach nur noch zu, weil man nicht verpassen will, was da gerade akustisch passiert und den Titel „Bird“ trägt: Ein mit bernsteinfarbenem Weltraum-Sound in die Schwerelosigkeit gehobener Song, so versonnen und fein gesponnen, dass man befürchtet, er könnte bei Erschütterung wie eine Seifenblase zerplatzen. Er stammt von Herz’ 2019er Debütalbum „Back Into Space“, auf dem die Masterstudentin der Mannheimer Popakademie in hervorragender Manier vielschichtig-elegischen Pop mit Folk, jazzigen Elementen und Chanson verquickt. Hier spielt das Trio das Stück also live – und erstmals seit langem ist das im klassischen Sinn zu verstehen: Der Freiluft-Auftritt in der „Homemade & Fresh“-Reihe der Feuerwache ist das erste vor Publikum ausgerichtete Mannheimer Konzert seit über sechs Monaten.
Viele neue Songs
Vor allem neue Songs stellt Herz hierbei vor, wie „Vivid Dream“, ein einerseits in sich gekehrtes, dabei aber auf einen New-Orleans-Groove gebettetes und schließlich in veritablen Garage Rock gewendetes Stück. Oder das gleichermaßen fabelhafte „Wide-Open“, das sich dunkel schimmernd wie eine nächtliche See-Bootsfahrt vor dem Hörer ausbreitet. Man assoziiert Lou Reed und Velvet Underground, fühlt sich an die großartige Sophie Hunger und an die sternenklare Stimmwärme einer Katie Melua erinnert. Das alles klingt freilich auch deshalb so gut, weil die beiden Mit-Popakademiker Nicholas Stampf und Tobi Schmitt so versiert wie pointiert zusammen mit Herz musizieren.
Die Wahl-Mannheimerin wurde vor 28 Jahren in München geboren, wobei ihre Familie aus Ostdeutschland stammt. Ihre Eltern sind beide Berufsmusiker, der Vater Trompeter, die Mutter Violinistin: „Die haben mich klassisch sozialisiert“, erzählt Herz nach dem Konzert im Gespräch mit dieser Redaktion.
Sie besuchte ein musisches Gymnasium, war im Gospelchor, spielte in verschiedenen Bands, sang klassisch. Und merkte aber schnell, dass sie nicht in der Klassik zuhause sein würde, erkannte, „dass ich nicht interpretieren will, sondern selbst Songs schreiben … muss“, wie sie nach kleiner Pause lachend hinzufügt. Womit Herz im Übrigen schon im Alter von 15 Jahren angefangen hatte.
Sie schloss ein Studium der Theater- und Literaturwissenschaft und Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München ab, machte nebenher aber auch immer Musik, unter anderem mit ihrer Band pourElise. 2018 nahm sie in Mannheim ihr Studium für den Master of Arts in Popular Music auf, das sie inzwischen fast beendet hat. Ihre Abschluss-Projektarbeit befasse sich, sowohl musikalisch als auch wissenschaftlich, mit der Geschichte ihrer einst aus der DDR geflüchteten Eltern, mit den Hintergründen, was Musizierende flüchten ließ, erzählt sie.
Am Anfang habe sie der Popakademie noch etwas distanziert gegenübergestanden, denn: „Mit der Musik, die ich mache, dachte ich zumindest, dass ich da vielleicht gar nicht so sehr hingehöre.“ Zwar bewegen sich ihre Songs im Popbereich, aber eben eher an dessen Rändern. „Ich dachte, es ist vielleicht schwierig für mich, die passenden Leute zu finden.“ Aber sie fand sie schließlich, wie dieses Konzert belegt: Nicholas Stampf steht kurz vor seinem Bachelor-Abschluss, Schmitt hat bereits seit einigen Jahren den Master in der Tasche. „Das Coole an der Popakademie ist: Relativ schnell hat man alle mal gesehen, in irgendwelchen Kontexten“, meint Herz – und hat dann die Möglichkeit, sich künstlerisch mit ihnen auszuprobieren.
Zweites Album in Planung
Diesen Sommer, an zehn Tagen im August, will sie mit Stampf und Schmitt sowie einem weiteren Popakademiker – Gitarrist Lukas Klotzbach – in einem Studio nahe Augsburg ihr neues Album aufnehmen, das vielleicht sogar noch dieses Jahr erscheinen wird. Wir sind extrem gespannt darauf. Zuletzt koopererite Herz mit ihrer Kollegin Listentojules.
Aus München zum zweiten Studium in die Quadratestadt
- Die Sängerin, Songschreiberin und Gitarristin Henny Herz wurde 1992 unter dem Namen Elise Henriette Gröblehner in München geboren.
- Sie studierte Theater- und Literaturwissenschaft sowie Philosophie an der LMU (Ludwig-Maximilians-Universität München) und schloss mit dem Bachelor of Arts ab.
- Ihren Künstlernamen hat sie der Berliner Schriftstellerin und Salonnière Henriette Julie Herz (1764 bis 1847) entlehnt.
- 2017 veröffentlichte sie unter diesem Namen ihre erste Solo-EP „One Day One Room“. 2019 erschien ihr Debüt-Album „Back Into Space“ (auch auf Vinyl). Herz singt mehrsprachig – neben Englisch auch auf Deutsch und Französisch.
- Live werden Henny Herz und ihre Band bei den Schillertagen des Mannheimer Nationaltheaters (die vom 17. bis 27. Juni stattfinden) auftreten, außerdem ist für den 4. Juli ein Konzert in der Konzertmuschel des Mannheimer Herzogenriedparks geplant.
- Infos zur Künstlerin gibt es auf ihrer Homepage www.hennyherz.com oder unter www.facebook.com/hennyherz.
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