Zurück zur Lebensfreude

Hotels für Frauen in der Menopause sind ein neuer Trend im Tourismus. Ein Testaufenthalt in einem Gesundheitsresort im üppigen Grün von Ko Samui, wo versucht wird, das Hamsterrad anzuhalten und die Gäste zurück zum Strahlen zu bringen.

Von 
Brigitte Jurczyk
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Auch so ein Anblick kann beruhigen: das Meer bei Kamalaya © Brigitte Jurczyk

Wie viele Stufen führen zum Himmel? Niemand hat sie gezählt. Aber oben vor der Tür des Pavillons, der sich am Ende der Treppe im tropischen Grün verliert, steht wirklich ein Engel. Audi ist ihr Name. Sie hat keine Flügel, trägt auch nicht Weiß. Dafür hat sie gesegnete Hände. Audi – Thailänderin, 26 Jahre alt – arbeitet für das Kamalaya, ein ganzheitliches Gesundheitsresort auf Ko Samui, der zweitgrößten thailändischen Insel.

Bevor Audis Hände bei einer Ganzkörpermassage wahre Wunder vollbringen, wird Frau ausführlich gecheckt: Gewicht, Größe, Taillen- und Bauchumfang, Blutdruck, Körperfettanteil, Muskelmasse und viele weitere Werte. Dann geht Anna, die Ernährungsberaterin mit norwegischem Nachnamen und polnischer Geburtsurkunde, den Fragebogen durch, den der Gast vorher ausgefüllt hat.Was die alles wissen wollen: Wie die Schlafqualität ist, wie oft man nachts zur Toilette muss, ob Hitzewallungen quälen, das Gewicht schwankt, welche Operationen man schon überlebt hat – bis hin zu seelischen Traumata.

Thailand

Anreise

Flug ab Frankfurt nonstop nach Bangkok mit Thai Airways, www.thaiairways.com. Weiter mit Bangkok Airways, www.bangkokair.com, nach Ko Samui.

Unterkunft

Das Wellness Sanctuary & Holistic Spa auf Ko Samui bietet verschiedene Gesundheitsprogramme an. Zum Beispiel eine Kur für Frauen in speziellen Lebensphasen wie zum Beispiel in der Meno- und Postmenopause. Ab acht Tage. Preis für die Kur inkl. Verpflegung: ca. 3430 Euro. Preis für die Übernachtung für eine Person inkl. Kur und Verpflegung: ca. 5590 Euro. Das Kamalayaist ideal für Alleinreisende, https://kamalaya.com. Zu buchen auch über Veranstalter wie Neue Wege, www.neuewege.com.

Weitere Anbieter

Das Mount Med ist ein neues Gesundheitsresort in den Kitzbüheler Alpen. Unter anderem bietet es spezielle Health-Programme für Frauen in den Wechseljahren an, www.mountmedresort.com.

The Retreat in der üppigen Natur Costa Ricas unterstützt Frauen in der Menopause, durch Ernährung, Bewegung und Gespräche die Herausforderungen der Wechseljahre besser annehmen und ausgleichen zu können, www.theretreatcostarica.com.

Statt sich gegen die emotionalen und körperlichen Veränderungen in den Wechseljahren zu wehren, wird in ganzheitlichen Retreat-Kursen im Preidlhof in Südtirol durch Yoga, Haltungsgymnastik oder Tanz die Freude am Leben in dieser Phase wieder geweckt. www.preidlhof.com bju

Wer hier zu einer bestimmten Kur hinkommt, hat nämlich meist ein Problem: die Menopause. In Deutschland befinden sich rund neun Millionen Frauen aktuell in den Wechseljahren. Etwa 80 Prozent von ihnen leiden unter den typischen Symptomen wie Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen, Gereiztheit, Schlaflosigkeit, Nebel im Kopf. Der Grund: Der Körper stellt die Produktion von bestimmten Hormonen ein. Aber anstatt darunter still zu leiden, tauschen sich Frauen jetzt darüber aus. Medizinerinnen schreiben kluge Bücher über das Thema. Und seit Kurzem hat auch die Wellnessbranche die Zielgruppe für sich entdeckt. Immer mehr sogenannte Menopausen-Retreats in den schönsten Ecken der Welt bieten Frauen an, sich in dieser Umwälzungsphase ganz auf sich selbst zu konzentrieren. Ein neuer Trend im Tourismus.

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Im Kamalaya auf Ko Samui heißt solch eine Acht-Tage-Kur „Strahlende Glückseligkeit“. Sie nimmt Frauen in genau dieser Lebensphase ins Visier. Eine Zeit, die für viele herausfordernd ist, manchmal quälend, zumindest verändernd: Beatrice (56) – Businessfrau, Stresspegel hoch – hat die Notbremse gezogen: „Ich habe mich für zehn Tage im Job ab- und im Kamalaya angemeldet.“ Die Belgierin sieht müde aus. Zu Hause kann sie nicht mehr schlafen. Als hätte sie es plötzlich verlernt. Tagsüber ist sie nervös bis gereizt. Jetzt geht sie mit einem Täschchen voller Pillen aus Annas Besprechungszimmer und mit einem auf ihre Symptome abgestimmten Programm auf ihr Zimmer. Von der Terrasse geht der Blick hinunter aufs Meer. Freundinnen hatten ihr das Kamalaya empfohlen.

Neben Massagen, Bädern und Wraps, Pilates, Yoga und Meditationseinheiten wird die Ernährung ins Behandlungskonzept miteinbezogen. Man weiß hier um die Wichtigkeit von Mikronährstoffen, wie Traditionelle Chinesische Medizin oder Ayurveda wirkt, und dass ein gutes Gespräch manchmal Wunder vollbringen kann. Vor allem in der Menopause.

Das Kamalaya liegt im Süden von Ko Samui. Die Villen und Zimmer, das Restaurant und die einzelnen Behandlungsräume wurden terrassenförmig angelegt und wie wahllos ins Grün hingeworfen. Kleine Wasserfälle prasseln über Felsbrocken, ein Bach schlängeln sich hinunter zum Strand. Als Karina aus Texas und John Stewart aus Kanada das Kamalaya vor über 20 Jahren anlegen ließen, war hier nichts. Das heißt, nicht ganz: Die Insel kannte schon Backpacker, die in ein paar Hütten am Strand schliefen. Aus einer Seelenverwandtschaft entstand schnell ein gemeinsames Projekt: Ein ganzheitlich aufgestelltes Refugium für Menschen, die aus dem Hamsterrad des Alltags aus- und körperlich wie seelisch gestärkt wieder in den Fluss den Lebens einsteigen wollten.

„Der Fokus lag schon damals auf TCM, der Traditionellen Chinesischen Medizin. Karina hat einen Master in TCM und sich viele Jahre damit beschäftigt. Elemente aus der klassischen Medizin, der asiatischen Heilkunst sowie neue Erkenntnisse zur gesunden Ernährung kamen hinzu“, sagt Anna, die seit fünf Jahren die internationalen Gäste im Kamalaya betreut. Jetzt kümmern sich auch ehemalige tibetische Mönche und Nonnen als Mentoren in Sachen Lebensverbesserung um die Seelenbalance. „Gerade Frauen in der Menopause haben oft Schwierigkeiten, mit den körperlichen und sozialen Veränderungen klarzukommen. Die Kinder sind aus dem Haus, der Stress im Job lässt allerdings nicht nach. Viele haben ihr Ziel aus den Augen verloren, manche kämpfen mit der Sinnfrage.“ Oft fließen hier Tränen.

Bernie kennt das. Der gebürtige Westfale hat schon einige Frauen aus ihrem Tief geholt. Als langjähriger TCM-Therapeut weiß er, wo er die Nadeln setzen muss, um Qi – die Lebensenergie – zu aktivieren. Bei Beatrice greift er zusätzlich zu Feuer, mit dem er die Kräuterkügelchen in Brand setzt, die auf den Nadeln sitzen. Sie leiten die Energie in den Körper. Vom Rauch etwas benommen taumelt Beatrice aus dem Behandlungszimmer hinunter ins Restaurant.

Weil Eiweiß meist in der Ernährung von Frauen zu kurz kommt, kann man es hier zu jedem Essen dazu bestellen: 100 Gramm gegrillten Fisch, Garnelen, Hähnchen oder Tofu. Die Servicemitarbeiterinnen sind über jeden Gast informiert: Wer muss mit welchen Nährstoffen aufgepäppelt werden? Wer will hier nebenbei gesund abnehmen?

Porpla (29), Therapeutin, sagt am letzten Tag: „Bei der ersten Behandlung vor über einer Woche hattest du noch zu viele Gefühle im Bauch und zu viele Gedanken im Kopf!“ Gerade hat die Therapeutin bei einer weiteren Massage Beatrice’ Bauch in die Hände genommen und mit den Finger tiefer gebohrt – in die Zwischenräume von Darm, Magen, Leber und Milz. Kein wirklich angenehmes Gefühl, sagt Beatrice: „An einigen Stellen schnürte das mir geradezu den Atem ab. Trotzdem bin ich erstaunlicherweise zum Schluss weggenickt.“ Porpla, die ursprünglich aus Bangkok kommt, lacht und sagt: „Siehst Du. Wir haben die Gedanken und Gefühle verscheucht und schon kannst du sogar mitten am Tag schlafen.“

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