Nur ein Hauch von Tourismus

Mallorca: Der einstige Fischerort Colònia de Sant Jordi hat es geschafft, sich ein kleines Stück Ursprünglichkeit zu bewahren

Von 
Andi Nowey
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Es ist fast der südlichste bewohnte Ort von Mallorca. Colònia de Sant Jordi hat sich an der Südwestküste der Insel ein Stückchen Ursprünglichkeit und Abgeschiedenheit bewahrt. Während andere einstige Fischerdörfer auf Mallorca durch den einsetzenden Tourismus inzwischen zu Beton-Monstern mutiert sind, hat sich die Expansion dieses Ortes weitestgehend in Grenzen gehalten. Von Campos aus Richtung Süden oder von Santanyi aus Osten kommend fesselt die Umgebung von Colònia de Sant Jordi durch eine farbliche und optische Monotonie, die sich erst dem Ortsschild nähernd verändert.

Wenn man das Auto aber erst einmal im Ort abgestellt und verlassen hat, wird offenbar, dass der Ort den Spagat zwischen Tourismus und Natürlichkeit geschafft hat. In unmittelbarer Nähe der einladenden und von Restaurants gesäumten Uferpromenade befinden sich zwei Strandabschnitte, die für den wohlverdienten Ausgleich für die Anreise durch diese unwirtliche Landschaft sorgen.

Die kleine Platja de es Port liegt direkt unterhalb der Promenade und ist eingebettet zwischen dem Sportboot-Hafen zur einen und einer felsigen Küste zur anderen Seite. In dem an dieser Stelle wellenberuhigten Meer treffen sich hier vornehmlich die Einheimischen. Schwimmen will hier keiner, vielmehr ist dieses Fleckchen Meer ein kühlender Begegnungsort. Hier wird der Sonntagsplausch in angenehmer Atmosphäre abgehalten. Es scheint, als wolle die spiegelglatte Meeresoberfläche selbst am liebsten als Tischplatte fungieren, um als Konkurrenz zur nahe gelegenen Gastronomie zu fungieren. Geschwommen wird hier nicht, hier wird im Wasser gestanden und geplaudert.

Nimmt man einen knapp zehnminütigen Fußmarsch auf sich, erreicht man die etwas weitläufigere und naturumsäumte Platja des Dolç, wo sich vornehmlich das agilere und jugendliche Badevolk mit Unterstützung von dröhnenden Musikboxen vergnügt. Mit Blick auf die wie Kerzenwachs auf ein Blatt Papier ins Meer getropften, vorgelagerten Inseln und den markanten Leuchtturm verfolgt man von dieser Stelle aus mit Genuss, mit welchem beeindruckenden Schauspiel die Sonne hinter den Häuserzeilen versinkt.

Nachdem man diese spektakulären Eindrücke aufgesaugt hat, sollte ein gediegener Spaziergang um die Landspitze mit dem nun zum Leben erweckten, in matrosenstreifen gehaltenen Leuchtturm und der wild zerklüfteten Küste Richtung Norden nicht fehlen. Das Ufer bietet hier das nicht erahnte Kontrastprogramm zu dieser lieblich-glatten Meeresoberfläche am Hafen-Strand.

Von überall strömen Fragmente von Düften der reichhaltig gedeckten Essenstische über die Promenade. Es ergibt sich eine kaum zu definierende Potpourri-Wolke der leckersten Gewürze und Gerichte. Schon allein die Anstrengung der Vorstellungskraft, welche Speisen hinter dieser vermeintlichen Geruchsattacke liegen, reicht aus, um ein Sättigungsgefühl zu erreichen.

Über eine der schachbrettartig angelegten Straßen geht es dann zurück zum Hafen, wo zahlreiche Restaurants ein krönendes Finale dieses beeindruckenden Tages bieten. Reich an Sehenswürdigkeiten abseits der naturbelassenen Strände ist Colònia de Sant Jordi zwar nicht, dafür aber umso mehr an Herz, Gediegenheit und Atmosphäre.

Freier Autor Schwerpunkte: Mannheimer Kreisfußball, Kreisklassen A und B, Kreispokal, Waldhof-Legenden

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