Berlin. Was essen wir denn heute? Pizza? Döner? Maultaschen? Oder doch mal was ganz anderes? Hier ein Tipp zur Inspiration: das Disgusting Food Museum in Berlin. Dort bekommt man Anregungen aus den Küchen der Welt. Allerdings sollte man schon ein bisschen mutig und offen für Unbekanntes sein. Denn frei übersetzt lässt es sich als „Museum der ekligsten Speisen der Welt“ bezeichnen.
Disgusting Food Museum in Berlin: Hier gibt's Tomatensaft mit Schafsaugäpfeöl
Wie wäre es als Aperitif mit einer „Mongolischen Mary“? Also einem Tomatensaft, in dem Schafsaugäpfel schwimmen. Als Starter sind „Virgin Boy Eggs“ eine Empfehlung: Das sind Eier, die einige Stunden im Urin von kleinen Jungs geköchelt haben. Die auch „Goldene Eier“ genannte chinesische Spezialität soll zwar stark nach Pipi riechen, geschmacklich aber sehr delikat sein.
Zum Hauptgericht wären „Prärie-Austern“ eine gute Wahl – frittierte Bullenhoden, die sich in Nordamerika und Kanada großer Beliebtheit erfreuen. Und als Dessert ist die Durian, hierzulande auch Stink- oder Kotzfrucht genannt, erste „Sahne“.
Mehr als 90 verschiedene Lebensmittel aus aller Welt sind im Museum zu sehen, von vielen kann man Duftproben nehmen, manche sogar probieren. Das Berliner Museum ist weltweit das zweite seiner Art und entstand im Frühjahr 2021 nach dem Vorbild des gleichnamigen Museums in Malmö, das sich seit 2018 auf die Fahnen geschrieben hat, zu zeigen, wie unterschiedlich die Esskultur rings um den Erdball ist. Es will dazu beitragen, Vorurteile abzubauen und Zukunftsperspektiven des Essens zu hinterfragen.
Museum für ekelhaftes Essen in Berlin: Was eklig ist, ist subjektiv
Was für die einen köstlich ist, ist für andere einfach nur eklig und im wahren Sinne des Wortes zum Kotzen. Wobei Ekel sehr facettenreich ist: Formen und Farben können abstoßen, der Geruch, der Geschmack, die Konsistenz einer Speise genauso wie die Bedingungen, unter denen Nahrungsmittel produziert werden.
„Der Ekel ist ein starker erster Eindruck, bisweilen ein schnelles wie notwendiges Vorurteil, das uns vor einer vermeintlichen Gefahr bewahrt. Je länger wir uns solchen Dingen aussetzen, die uns ängstigen oder sogar Ekel hervorrufen, desto mehr beginnen wir zu verstehen, warum sie so sein müssen, wie sie eben sind, und wie wir uns positiv auf sie beziehen können, welchen Reiz oder Vorteil sie uns gewähren. So gehen aus der Abschottung durch Ekel Brücken hervor, die kulturell ganz unterschiedliche Menschen betreten wie verbinden“, ist Dr. Martin A. Völker, Gründungsdirektor des Berliner Museums, überzeugt.
Wer sich aufmerksam umschaut, wird schnell merken, wie sehr kulturelle, religiöse und regionale Einflüsse unsere Essgewohnheiten und unsere Lebensmittel bestimmen und damit auch, wovor wir uns ekeln. So empört es uns Mitteleuropäer zutiefst, dass in vielen asiatischen Ländern die bei uns vergötterten „Kuscheltiere“ Hund und Katze auf dem Speiseplan stehen.
Wir finden es aber völlig normal, Rinder und Schweine zu verzehren. Wir verabscheuen (zu Recht), dass Gänsen ihr Futter qualvoll eingetrichtert wird, um die insbesondere in Frankreich so beliebte Stopfleber zu erzeugen, greifen aber selbst zum Billigfleisch von Tieren, die hierzulande in viel zu engen Ställen gehalten und zum Schlachten tagelang eingepfercht quer durch Europa gekarrt wurden.
Ekliges Essen aus Deutschland ebenfalls im Disgusting Food Museum in Berlin
Um sich vor Speisen zu ekeln, muss man gar nicht die halbe Welt umrunden. Auch ein Lebensmittel aus Sachsen-Anhalt hat es ins Museum geschafft: der Würchwitzer Milbenkäse, der seinen besonders würzigen Geschmack dadurch bekommt, dass winzig kleine, spinnenartige Milben ihn drei Monate lang mit ihrem Speichel fermentieren, bevor er samt den Krabbeltierchen verspeist wird. Schon bei dem Gedanken daran greift mancher zur Kotztüte, die übrigens jeder Besucher vorsorglich als Eintrittskarte bekommt.
Berlin
- Anreise: Mit dem Zug nach Berlin, www.bahn.de
- Unterkunft: Das Holiday Inn Express liegt fußläufig zum Alexanderplatz und der Museumsinsel. DZ/F ab 110 Euro, www.ihg.com. Das Hostel Martas am Bahnhof hat günstige Familienzimmer ab 118 Euro, Frühstück 10 Euro, www.martas.org.
- Aktivitäten: Disgusting Food Museum, Freitag bis Dienstag, 12 bis 18 Uhr, Eintritt 16 Euro, www.disgustingfoodmuseum.berlin
- Allgemeine Informationen www.visitberlin.de HDI
Das Disgusting Food Museum will aber nicht nur dazu ermuntern, die vielfältige Welt des Essens zu erkunden und eigene Geschmacksvorstellungen zu überprüfen, es will ebenso Zukunftsperspektiven aufzeigen und solche Fragen in den Fokus rücken wie: Kann die Änderung einer persönlichen Vorstellung, was ekelhaft ist, dazu beitragen, dass wir alle anders essen, anders produzieren und noch erfinderischer werden im Sinne ökologisch nachhaltiger Lebensmittel?
Future Food in im Museum in Berlin entdecken
Ein Beispiel für Future Food sind Insekten. Die Vorstellung, sie zu essen, lässt die meisten Deutschen vor Ekel erschaudern. Erstaunlicherweise aber sind es gerade Mehlwürmer, Heuschrecken und Co., die an der „Tasting Bar“ des Museums besonders gut ankommen.
Auch die Durian kann man dort probieren. Es muss doch einen Grund haben, dass sie in Asien als „Königin der Früchte“ bezeichnet wird. Ein beherzter Schnitt durch das Stachelkleid gibt nicht nur einen sehr unangenehmen Geruch frei, sondern auch ein gelbliches, puddingartiges Fruchtfleisch. Es in den Mund zu nehmen, kostet schon einige Überwindung.
Doch als das erst einmal geschafft ist, passiert ein geschmackliches Wunder: Angenehm fruchtig, süß-säuerlich mit einem Hauch von Ananas, Lauch und Vanille schmiegt es sich an den Gaumen und bestätigt, wie sie der Autor eines britischen Reiseführers einst beschrieb: „Sie stinkt wie die Hölle und schmeckt wie das Himmelreich.“
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