Davos hat derzeit einen guten Stand, ist in vielen Medien, auch in dieser Zeitung, präsent. Doch das hat seine Gründe. Im gesamten vergangenen Jahr war es das 100. Jubiläum des Romans „Zauberberg“, zu dem sein Autor Thomas Mann durch seinen Aufenthalt vor Ort inspiriert wurde, aktuell in der zurückliegenden Woche das hochkarätige jährliche Weltwirtschaftsforum. Davor und danach jedoch lockt wieder vor allem die wunderbare Natur im 1500 Meter hoch gelegenen Wintersport-Paradies.
Insofern empfiehlt sich ein Besuch in Davos vor oder nach dem Weltwirtschaftsforum, das an diesem Freitag zu Ende ging. Denn während dieses Spektakels, das seit 1971 zu Gast ist, herrscht Ausnahmezustand. Aus Sicherheitsgründen ist der halbe Ort unzugänglich, weil großräumig abgeriegelt, auf Wiesen sind provisorische Hubschrauber-Landeplätze errichtet. Aus 120 Staaten reisten 3000 Teilnehmer an, darunter 900 CEOs sowie 60 Staats- und Regierungschefs, so auch der ukrainische Präsident Selenskyi.
Nach dem Weltforum-Zirkus kehrt wieder Normalität ein
Klar, dass die Preise für Zimmer vor und natürlich besonders während der Forum-Woche explodieren – bis zu 5000 Franken pro Nacht – , sofern man überhaupt eines ergattern kann. „In dieser Woche ist jede Besenkammer vermietet“, schmunzelt eine Hotelmanagerin. Doch nun, nach Ende des Spektakels, normalisiert sich das Leben vor Ort wieder, sinken die Preise – wenn auch auf „Davoser Niveau“. Aber sogar die nobelsten Häuser wollen eben auch nach dem Forum gut belegt sein.
Das gilt auch für jene beiden Adressen, die in der Forums-Woche um prominente Gäste wetteifern: das historische Belvedere und das hypermoderne Alpengold. Mancher mag einwenden, da fehle doch eines: die „Schatzalp“, die durch ihre Verbindung zum „Zauberberg“ wie kein anderes Haus für die Hotellerie von Davos steht. Doch beim Wirtschaftsforum spielt es eine eher geringere Rolle. Zum einen, weil hoch am Berg ein wenig abseits gelegen und nur schwer zu erreichen, zum anderen mit seinem Charme von 1900 eher für Geschichtsfans faszinierend.
Da hat es das „Belvedere“ unten, mitten im Ort, leichter, obwohl es noch älter ist, heuer genau 150 Jahre. Der in Paris geborene Johann Carl Coester erwarb im Jahre 1874 gut 2300 Quadratmeter Wiesenland und errichtete dort ein Hotel mit 30 Zimmern, das er am 17. Juli 1875 eröffnete – unter dem durchaus angemessenen Namen „Belvedere“ (schöne Aussicht). Dank stetiger Erweiterungen entwickelte es sich zum romantischen Hotel-Palast des Fin de Siecle. Im Foyer kann man die Fotos all derer bewundern, die hier wohnten: „Schatzinsel“-Autor Robert Louis Stevenson logierte 1880/81 eine ganze Saison lang, „Sherlock-Holmes“-Erfinder Arthur Conan Doyle mit Ehefrau Louise gleich für zwei Winter 1894 und 95. Der Maler Ernst-Ludwig Kirchner stellte 1920 seine Bilder aus, Physiker Albert Einstein entspannte sich 1928 an der Geige, Autor Erich Kästner nutzte das Ambiente 1936 fürs Schreiben, Entertainer Maurice Chevalier trat 1938 als Sänger auf, sein späterer Kollege Vico Torriani arbeitete als Kellner.
1970 erhielt das Haus als eines der ersten in den Alpen ein Hallenbad – mit einem Wandbild des renommierten Künstlers Heinz Blum. Seit 1980 gehört das Hotel dem Steigenberger Konzern und ist eingeführter Schauplatz hochkarätiger Partys während des Wirtschaftsforums.
Konkurrenz gibt es erst seit etwas mehr als einem Jahrzehnt: das hypermoderne „Alpengold“ am nordöstlichen Ortsrand. Auf dem bewaldeten Hügel oberhalb des Sees befand sich ab 1896 ein Sanatorium für Lungen- und Atemwegserkrankungen, das 1986 geschlossen und 2007 abgerissen wurde. Ab 2011 entstand auf dem 20 000 Quadratmeter großen Areal ein Hotel mit 216 Zimmern und 38 Eigentumswohnungen. Bauherr war die Credit Suisse, die Kosten betrugen 250 Millionen Franken.
Drei Jahre lang dauerten die Arbeiten, 450 Menschen waren auf dieser Großbaustelle beschäftigt. Bis zuletzt fehlte es nicht an Problemen. Im Oktober 2013 sorgte die Sprinkleranlage für einen Wasserschaden, die neuen Böden mussten alle wieder raus. Im Monat drauf eine weitere Unterbrechung, als die bei Subunternehmen angestellten polnischen Gipser ihre Arbeit einstellten, weil sie keinen Lohn erhalten hatten.
Trotz aller Widrigkeiten war es am 19. Dezember 2013 so weit: Das Haus konnte eröffnen, punktgenau zum Weltwirtschaftsforum im Januar 2014. Wie erhofft, war das Hotel bald komplett ausgebucht. Denn es konnte mächtig Eindruck machen.
Sein Aussehen gibt dem Hotel den Spitznamen Golden Eye
Schon durch sein Äußeres: Das 40 Meter hohe Bauwerk, außen ganz mit Metall verkleidet, war als liegender Tannenzapfen konzipiert. Auf Grund seiner Farbe erhielt es jedoch bald den Spitznamen Golden Eye.
Im Inneren bietet es Tagungsräume für 1000 Gäste, drei Restaurants, eine kleine Shopping-Mall, einen Spa-Bereich mit allem, was dazu gehört. Ein Designerbüro aus Stockholm konzipierte die Lobby, den Boden aus Granit, die Wände mit Arvenholz. In den Regalen jedoch stehen Bücher ohne Buchstaben. Dafür wird Kaffee in echtem schneeweißen Knochenporzellan serviert, 300 Mitarbeiter sorgen sich um die Gäste.
Ohne Zweifel bietet das Haus Fünf-Sterne-plus-Niveau. Dennoch verzichtete es darauf, sich so klassifizieren zu lassen. Grund war der Pharma-Kodex, der Pharmafirmen verbot, Ärzte in Fünf-Sterne-Hotels einzuladen. Da das Haus offiziell ein solches aber nicht war, blieb ihm die lukrative Kundschaft aus dem Bereich der Medizinbranche erhalten.
Auch Donald Trump wusste in seiner ersten Amtsperiode als US-Präsident das Haus zu schätzen, das auf Grund seiner sichereren Lage dem Belvedere vorgezogen wurde. Dem Vernehmen nach mieteten die Amerikaner damals eine ganze Etage im oberen Bereich des Gebäudes mit vom übrigen Hotel unabhängigem Zugang und eigener Tiefgarage.
2021 erwarb der Hotel- und Klinikkonzern Aevis Victoria das Hotel von Intercontinental und benannte es in „Alpengold“ um. Und auch dieses Haus weiß, dass ein Hotel sogar in Davos vom Forum alleine nicht leben kann. Die übrigen Gäste profitieren davon – nach dem Forum.
Infos und Tipps
Lage: Davos liegt im Osten der Schweiz, von Mannheim knapp 500 Kilometer Luftlinie entfernt.
Anfahrt: Auto fünf Stunden, am schnellsten über A 13 und Chur. Zug z. B. 6.33 Uhr Abfahrt Mannheim, 11.47 Uhr Umsteigen in Landquart, 12.52 Uhr Ankunft Davos.
Logie: Preisbeispiele DZmF für den 4. auf 5. Feburar: Erstes Haus am Platze: Steigenberger Hotel „Belvedere“ (ab 426 Euro); zweite Top-Adresse: „Alpengold“ (ab 470 Euro). „Sporthotel Central“ im Ort (ab 360 Euro). Besondere Locations: „Hard Rock Hotel“ in entsprechendem Ambiente wie Motorrad im Foyer (ab 267 Euro) oder auf 1861 Metern die „Schatzalp“, im Jahre 1900 erbaut, mit historischer Ausstattung (ab 440 Euro).
Besichtigen: Medizinhistorisches Museum zur Geschichte dieses einst wichtigsten Lungenkurortes in Europa. Wintersportmuseum zur Tradition im Ski-Bereich.
Kultur: Kirchner-Museum. Zeigt nicht nur die farbintensiven, großflächigen Werke des Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner (1880- 1938), der ab 1917 in Davos gelebt hat, sondern ordnet sie auch ein in die Ortsgeschichte.
Wintersport: Skigebiet Davos/Klosters auf sechs Berghängen mit 85 Abfahrten von 300 km Länge sowie 40 km Loipen. -tin
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