In meiner Badewanne bin ich Kapitän

Elektrisch betrieben und mit Holzfeuer beheizt tuckern Badeboote über den eiskalten Brienzer See. Badegäste sollten eine Mütze nicht vergessen.

Von 
Kirsten Panzer
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Winterbaden war nie cooler als im Brienzer See. © Schweiz Tourismus/André Meier

Weiße Rauchwölkchen erheben sich aus dem klaren, kalten Brienzer See in Richtung Berge, wabern herum und lösen sich ganz langsam auf. Eins nach dem anderen, das nächste, das übernächste, während die Wintersonne das Wasser zum Leuchten bringt. Am Ufer stehen neugierige Spaziergänger, suchen mit ihren Blicken nach dem Grund für den zarten Rauch. Papstwahlen sind es nicht, die hier zwischen den Emmentaler und Berner Alpen angezeigt werden. Auch wenn die Farbe passt, der Ort tut es nicht.

Dann kommt ein Farbklecks zum Rauch dazu. Der erhebt sich zwar nicht, dafür bewegt er sich auf dem Wasser in langsamen Bahnen, nähert sich dem Ufer, zieht seine Kreise wie von Geisterhand gesteuert. Doch weit gefehlt, es ist kein Geist, der übers Wasser treibt, es ist ein Boot, ein ganz kleines. Es tuckert langsam an der Aare-Mündung vorbei in Richtung Brienz. Das Boot fährt elektrisch und lautlos mit einer Geschwindigkeit von fünf Kilometer pro Stunde.

Dank des Rauchs könnte es wirklich eine Fata Morgana oder ein Nebelgeist sein. Das Boot aber ist echt, auch wenn es wie ein überdimensioniertes Badewannenspielzeug aussieht. Knallgelb leuchtet es auf dem türkisgrünen Wasser des tiefsten Sees der Schweiz. Seine so auffallende Farbe hat dieser von all den Gletschersedimenten, die die Aare mit sich bringt und in ihn hinein spült. Dazu dann noch der strahlend blaue Himmel, die weißen Gipfel, so wird er zu einem wahren Winterleuchten, dem man sich im Warmen ganz entspannt hingeben kann. Denn wer möchte schon frieren an solch einem klirrenden Wintertag.

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Von
Corinna Busalt
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Wie das am besten geht? Mit solch einem Boot, allerdings nicht mit einem beliebigen, sondern mit einem Badeboot randvoll gefüllt mit warmem Wasser. Jetzt könnte man meinen, das gebe es ja gar nicht, das Wasser sei zu schwer, das Boot zu leicht. Weit gefehlt, über den Brienzer See lässt es sich ganz hervorragend in einer Badewanne schippern. Der doppelwandige Bootsrumpf aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) sorgt für Sicherheit. Es ist unsinkbar, selbst wenn das Badewasser darin schwappt.

Zu verdanken haben das die Badegäste Andrea Hottinger. Die Bootsbauerin vom Zürichsee sorgt inzwischen schon in der dritten Saison dafür, dass es auf dem eiskalten See auch im Winter ganz kuschelig warm zugeht. Also hinein ins Badekleid, wie die Schweizer den Badeanzug so schön benennen, vorsichtig einen Fuß auf den eiskalten Steg gestellt, der zweite folgt und dann hinein ins warme Wasser. Wenn die Kälte ganz tiefwinterlich klirrt, dabei unbedingt an eine Mütze denken! Anders als in der heimischen Badewanne braucht man die hier.

Wohlige 38 Grad hat das Wasser. „Eine Stunde vor dem Ablegen fangen wir schon an, die 1600 Liter in unserem Durchlauferhitzer auf Temperatur zu bringen“, erklärt die Inhaberin des Pirate Bay Nautical Center am Südufer des Brienzer Sees, die die schwimmende Badewanne, den Hot Tub, in die Schweiz gebracht hat. Dabei kontrolliert sie dienstbeflissen die Holzscheite, die für die Ausfahrt an Bord im Korb bereitliegen. Auf dem See feuern die Badegäste im knisternden Ofen nach, damit die weißen Wölkchen weiterhin zum Himmel aufsteigen und das Badewasser wohltemperiert bleibt.

Eineinhalb Stunden dauert der schwimmende Badespaß. Gebucht wird er gerne von Paaren und kleinen Gruppen, die gemeinsam auf dem See im Warmen planschen. Auch einen Heiratsantrag gab es schon im Badeboot – die unabdingliche langstielige rote Rose war bis zu ihrem Einsatz gut versteckt.

Also: „Leinen los“, die Pinne in der Hand und ab auf den See. Langsam tuckert das knallgelbe Bötchen davon. „Bleibt nur im südlichen Teil, weiter um die Ecke in Richtung Nordufer fahrt ihr bitte nicht hinaus!“, ruft sie noch hinterher. Die Bucht vor der Mündung der Aare ist groß genug für eine Badetour der ganz besonderen Art. 1,7 Kilometer sind es von hier bis zum gegenüberliegenden Ufer. Das sollte reichen und dazu kann man ja auch noch bestens im Kreis fahren, immer wieder der Sonne entgegen.

Einen Hot Tub, ein Badefass, kennt man vielleicht aus der heimischen Thermenlandschaft oder dem Ferienhaus im Norden. Doch die bewegen sich nicht, sondern bleiben an Ort und Stelle stehen. Das Boot dagegen schwimmt und raucht. Und wem ist einmal zu warm werden sollte, der kühlt sich ab im See. Wenn der gerade einmal fünf Grad hat, tut es nach ein paar kräftigen Schwimmzügen besonders gut, wieder ins Boot zu klettern, zum Aufwärmen und Entspannen mitten im Brienzer See zu Füßen der schneebedeckten Schweizer Alpen.

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