Frankreich

Die Höhle der Träume

Ausflug in eine prähistorische Welt: Die Nachbildung der Grotte Cosquer im französischen Marseille ist ein Louvre der Steinzeit

Von 
Claudia Diemar
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Bizarre Tropfsteingebilde, Urzeit-Tiere, menschliche Handabdrücke: Die Grotte Cosquer ist spektakulär. © Patrick Aventurie

Wie in Zeitlupe bewegt sich das einem Autoscooter ähnliche Fahrzeug lautlos durch die Kunstgalerie der Urzeit. Immer neue Tiere tauchen auf, in Rot und Schwarz auf die Wände gebracht: Steinböcke, Gämsen, Auerochsen, Hirsche, Antilopen, Robben und immer wieder Pferde. Dann zeigen sich Handabdrücke, abstrakte Ritzungen, eine Huldigung an die Fruchtbarkeit in Form einer Vulva. In sechs Sprachen, darunter auch Deutsch, ertönen per Kopfhörer die Kommentare zu den Bildern. Die Scooter drehen sich sanft, wenn anderswo ein Lichtspot sich auf ein neues Kunstwerk richtet. Doch es ist kein Fels, sondern eine sorgsam ausgeführte Kopie aus Kunstharz, auf der die Objekte dieses „Louvre der Steinzeit“ aufleuchten.

Von spektakulärer Schönheit

Die Küste östlich von Marseille ist von spektakulärer Schönheit. Zwischen der Mittelmeermetropole und dem malerischen Ort Cassis reihen sich die „Calanques“ genannten, fjordartigen Buchten aneinander. In leuchtendem Türkis schimmert das Wasser vor grellweißen Kalksteinfelsen. 1985 entdeckte der passionierte Taucher Henri Cosquer hier eine Höhle, die später nach ihm benannt wurde. Hinter einem langen, engen Felstunnel unter dem Meeresspiegel gelangte der Taucher in noch trockene Gewölbe. Dort eröffnete sich ihm eine Wunderwelt: bizarre Tropfsteingebilde, unterbrochen von Darstellungen Dutzender Tierarten und menschlicher Handabdrücke. Jahrelang hielt Cosquer den Fund der submarinen Sensation geheim. Erst als andere Taucher diese ebenfalls entdeckten und drei von ihnen dabei zu Tode kamen, meldete er den Fund der Höhle, die daraufhin von den Behörden vergittert wurde. Seither durften nur wissenschaftliche Teams mit Sondergenehmigung hier eindringen. Weil das Wasser in den letzten Jahrzehnten immer höher stieg und schon Teile der Malereien überspülte, wurde schließlich das gesamte Höhlensystem mittels 3-D-Technik abfotografiert und dokumentiert.

Frankreich

Anreise Mit dem Zug nach Marseille, www.bahn.de.

Unterkunft La Résidence du Vieux Port: Traditionshaus im Stil der 1950er Jahre mit gediegenem Komfort und herrlichem Blick über den alten Hafen, Doppelzimmer ab 190 Euro, www.hotel-residence-marseille.com.

Maison Saint-Louis: bildschön renoviertes Mittelklassehaus im Zentrum, Doppelzimmer ab 110 Euro, es gibt auch Familienzimmer für bis zu 6 Personen, www.hotel-maison-saintlouis.com.

Mama Shelter Marseille: junges Haus nahe Cours Julien mit vielen Szenekneipen, Doppelzimmer ab ca. 96 Euro, www.mamashelter.com/fr/marseille.

Aktivitäten Grotte Cosquer: Das Faksimile der berühmten Cosquer-Höhle ist täglich geöffnet, Eintritt 16 Euro, Kinder von 10 bis 17 Jahren zahlen 10 Euro, für Sechs- bis Neunjährige kostet es 5 Euro, www.grotte-cosquer.com.

Allgemeine Informationen www.marseille-tourisme.com www.atout-france.fr CD

Vor mehr als 30 000 Jahren, als hier die ersten Kunstwerke entstanden, sah die Küste der Provence ganz anders aus. Das Meer lag kilometerweit von der Höhle entfernt, der enge Unterwasser-Korridor ließ sich trockenen Fußes begehen. Das Klima vor Ort war damals rau, vergleichbar mit dem heutigen auf Island, erfährt man von der ruhigen Stimme aus dem Kopfhörer. Deshalb lebten auch Pinguine hier, die ebenfalls unter den Höhlenmalereien zu sehen sind. Erst das Abschmelzen der Gletscher am Ende der letzten Eiszeit rückte die Höhle an die Küste des Mittelmeeres und ihren Zugang unter den Wasserspiegel.

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Seit Kurzem aber kann jeder die Schönheit der Grotte Cosquer bewundern. Eine exakte Kopie der Höhle ist in jahrelanger präziser Arbeit entstanden und findet sich nur wenige Gehminuten vom Alten Hafen in Marseille am einstigen Überseedampfer-Anleger J 4.

Bereits zum Kulturhauptstadtjahr 2013 entstand hier neben dem ikonischen Bau des MuCEM-Museums zur Kultur des Mittelmeerraumes die gleichfalls spektakuläre „Villa Méditerranée“ des Architekten Stefano Boeri. Wie ein gigantisches schneeweißes Sprungbrett ragt das Gebäude vor dem Meeresblau auf. Lange war seine Nutzung unklar, nun hat es endlich seine Bestimmung gefunden.

Dies alles erfährt man während der mit viel Raffinesse inszenierten Fahrt durch die Höhle. Bis zu sechs Personen finden in den einzelnen Scootern Platz. Nach der gut halbstündigen, bequemen Erkundung der Höhlenkopie kann man in den höhergelegenen Stockwerken die Nachbildungen riesiger Urzeittiere ebenso bewundern wie das Panorama über dem Hafen. Weil das MuCEM-Museum und das gleichfalls sehenswerte Kunstmuseum „Regards de Provence“ in der ehemaligen Desinfektionsstation des Hafens in unmittelbarer Nähe liegen, lässt sich hier ein kultureller Dreiklang der Sonderklasse erleben, bevor man durch das angrenzende ehemalige Fischerviertel Le Panier spaziert.

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