Städtereise

Warum Saarbrücken einen Besuch wert ist

Ausrichter der zentralen Feiern zum Tag der Deutschen Einheit war dieses Jahr das Saarland – Gelegenheit, seine Hauptstadt Saarbrücken zu entdecken.

Von 
Konstantin Groß
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Wunderbar: In Saarbrücken gibt es Natur nicht irgendwo draußen, sondern inmitten der Innenstadt. © Konstantin Groß

Mannheim. Friedrich Merz ist ja nicht gerade dafür bekannt, sein Publikum mit humorvollen Bemerkungen zum Schmunzeln zu bringen. In seiner Rede beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober in der Saarbrücker Kongresshalle schafft der Bundeskanzler dies jedoch gleich zu Beginn: „Wer uns findet, findet uns gut“ zitiert er das inoffizielle Motto des gastgebenden Saarlandes wie auch die Empfindung so mancher Besucher von außerhalb.

Denn das Saarland, am äußersten westlichen Rande Deutschlands gelegen, wird unterschätzt, sofern es überhaupt bekannt ist. Nur eine von 80 Millionen Deutschen leben hier, weniger als im Landkreis Rhein-Neckar. Dennoch ist es, wenn auch erst nach jahrzehntelangen Auseinandersetzungen mit Frankreich seit 1959, ein Bundesland wie etwa NRW: Mit Landtag und Ministerpräsidentin, egenem Landeskriminalamt und eigenem Sender. Dem Saarländischen Rundfunk, der mit Werner Zimmer den legendären „Mister Sportschau“ und mit Kommissar Palü einen der beliebtesten „Tatort“-Ermittler hervorbrachte.

Das kleine Saarland bietet jede Menge Rekorde

Auch sonst überrascht das Saarland. Nirgendwo leben so viele Menschen im eigenen Heim wie hier (62 Prozent statt 42 im Bundesdurchschnitt), nirgendwo auch mehr Katholiken, sogar mehr (49 Prozent) als in Bayern (42 Prozent). Auch an Vereinsmitgliedern gibt es hier mit 10.000 im Verhältnis die meisten in Deutschland (10,7 Prozent der Bevöllkerung gegenüber 7,4 im Bundesdurchschnitt).

Nicht nur am Tag der Deutschen Einheit begrüßt Saarbrücken seine Gäste. © Konstantin Groß

Besuchern bietet das Saarland viel: Die Saarschleife im Nordwesten ist ein Kleinod der Natur, der Blick von oben, am besten von Mettlach aus, ist atemberaubend. Das Eisenwerk Völklinger Hütte, heute Weltkulturerbe und Touristenmagnet, steht für den schmerzhaften Strukturwandel im Bergbau, mit dem 2012 endgültig Schluss war. Schließlich Saarbrücken, die Hauptstadt, nur drei Kilometer von der Grenze zu Frankreich entfernt. 180.000 Einwohner, nicht mal zwei Drittel der Bevölkerung Mannheims.

Im Zentrum der europäischen Verkehrsströme

Doch für Saarbrücken gilt das Gleiche wie für das Saarland insgesamt. Der Oberbürgermeister konkretisiert dies durch ein interessantes Erlebnis. „Von Saarbrücken aus kommt man überall schnell hin, sogar nach Paris“, zitiert Uwe Conradt das etwas holprige Kompliment eines Musikers, als dieser sein Engagement in Saarbrücken antrat. Als dieser die Stadt wieder verließ, hatte er seine Menung komplett gedreht: „Von überall her ist man schnell in Saarbrücken.“

Das stimmt: Nicht mal anderthalb Stunden dauert es, bis der Zug aus Mannheim in Saarbrücken ankommt. Doch an keinem der gewohnten Bahnhöfe der Gründerzeit, sondern einem aus dem Jahre 1967. Während des Krieges lag der 1893 vollendete Vorgängerbau im Zentrum der 30 alliierten Luftangriffe. Der gesamte Bereich wurde komplett zerstört und nach dem Kriege neu aufgebaut.

Hoch über der Stadt: das Schloss aus dem 19. Jahrhundert. Die Fläche links ist übrigens kein abfallender Putz, sondern eine Kunst-Installation. © Konstantin Groß

Das gilt auch für die Bahnhofstraße, die in die Innenstadt führt. Mit 1,5 Kilometern Länge ist sie die Einkaufsmeile der Hauptstadt. Und laut Untersuchungen mit fast 7.000 Passanten pro Stunde die meistfrequentierte unter deutschen Mittelstädten.

Im Stadtzentrum: die Europa-Galerie im 1880 errichteten neoklassizstischen Gebäude der „Bergwerksdirektion Saarbrücken“, der einst die Gruben des Landes unterstanden. Als immer mehr von ihnen dicht machten und keine Direktion mehr brauchten, wurde es umgebaut, 2010 ein Einkaufszentrum eröffnet. Mit einem Hauch Kaufhaus LaFayette Paris.

Barocke Kirche und klassizistisches Schloss

Je weiter man ins Zentrum der Stadt vordringt, desto historischer wird die Bebaung. Etwa im Viertel St. Johann um den Marktplatz herum mit seinem prägnanten Brunnen aus dem Jahre 1760. Aus der Fülle historischer Bauwerke ragt die Ludwigskirche heraus, 1775 vollendet, 1944 zerstört, wieder aufgebaut, somit nach wie vor eine der schönsten Barockkirchen Deutschlands, daher auch Ort des Festgottesdienstes am Tag der Deutschen Einheit.

Die Ludwigskirche von 1775, eine der schönsten Barockkirchen Deutschlands. © Konstantin Groß

Hoch über der Stadt: das Schloss, 1748 fertiggestellt, von den Franzosen niedergebrannt, im klassizistischen Stil neu errichtet, im 19. Jahrhundert Domizil des Stahlkönigs Karl Ferdinand Stumm, heute Sitz des Regionalverbandes. Auf dem Vorplatz 2.146 Pflastersteine mit den Namen der jüdischen Friedhöfe, die bis 1933 in Deutschland bestanden, im Boden jedoch engelassen mit der Schrift nach unten. Daher „Platz des Unsichtbaren Mahnmals“.

Von hier oben aus wird deutlich, wodurch die Stadt strukturiert ist: durch die Saar, mit 268 Kilometern einer der großen Ströme Europas. Anders als Mannheim hat Saarbrücken aus seinen innerstädtischen Flussufern etwas gemacht. Sie dienen als Parks, oft mit Spielplätzen, sind als Promenaden angelegt, Dutzende von Lokalitäten reihen sich aneinander. Allen voran entlang der 600 Meter langen „Berliner Promenade“.

Sterne-Restaurants zeugen von „Savoir vivre“

Womit wir bereits bei der größten Attraktion des Saarlandes und seiner Hauptstadt sind, in der sich die Nähe zu Frankreich und dessen Savoir vivre niederschlagen: das Genießen. Mit vier Sterne-Restraurants, davon zwei in Saarbrücken, hat das kleine Saarland eine verhältnismäßig hohe Dichte an haute cuisine.

Infos und Tipps



Bild: Termin vor Ort: Autor Konstantin Groß (r.) im Gespräch mit Saarbrückens Oberbürgermeister we Conradt.

Anreise: Täglich verkehren mehrere Fern- und Regionalzüge zwischen Mannheim und Saarbrücken. Die Fahrzeit beträgt 90 Minuten. Der Zielbahnhof liegt in der Saarbrücker Innenstadt.

Übernachten : Vom Bahnhof zu Fuß erreichbar ist das seit 30 Jahren von einem Ehepaar geführte Hotel „Stadt Hamburg“ in den oberen Etagen eines Geschäftshauses in der Fußgängerzone. Die Zimmer sind modern, das Frühstück liebevoll gstaltet. DZmF 120 Euro. Renommierte Hotelketten haben ihre Häuser direkt gegenüber der Kongresshalle ebenfalls in der Innenstadt.

Speisen : Saarbrücken hat zwei Nobel-Restaurants: „Esplanade“ und „Gästehaus Klaus Erfort“. Traditionelle saarländische Küche gibt es in der „Diskontoschenke“. Sie heißt so, weil sie sich im historischen Gebäude der ehemaligen Diskontobank befindet. Günstige Preise, uriges Ambiente, aber nicht allzu viele Tische. Reservierung daher sinnvoll. www.diskonto-schenke.de.

Literatur : Nicht viel. Gut: „Saarbrücken. Die 99 besonderen Seiten der Stadt“, Format DIN A 5, 160 Seiten, 12,99 Euro. Von 2019, aber nach wie vor hilfreich. -tin

Doch auch im Alltag gilt das Motto: „Hauptsach‘ gudd gess“, schmunzelnd ergänzt durch „Geschafft hann mir schnell“. Für das Land, das historisch aus 18 Herrschaftsgebieten besteht, wirkte die Küche integrierend, blieb dabei unprätentiös: Beliebteste Speise ist die Lyonerwurst, Leibgericht die „Gefillde“: mit Hackfleisch und Leberwurst gefüllte Klöße, zur Hälfte aus Kartoffel- und Semmelmehl, in Soße aus Saurer Sahne, Olivenöl und gewürfeltem Katenrauchschinken, serviert mit Sauerkraut.

Das wusste offenbar bereits Goethe zu schätzen. Im Juni 1770 unternahm der Dichterfürst, damals Student in Straßburg, eine Tour vom Elsaß bis in die Pfalz. Dabei machte er Station in Saarbrücken, verewigte seine Eindrücke in dem Werk „Dichtung und Wahrheit“. Von „Saarbrückchen“, diesem „lichten Punkt“, schwärmte er, „bewirtet drei Tage besser, als wir es erwarten durften.“

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