Hafensommer

Suzanne Vega unternimmt in Würzburg „Walk on the Wild Side“

Die Songwriterin gibt ein Konzert, das keine Wünsche offen lässt, und wird vom Publikum gefeiert

Von 
Ulrich Rüdenauer
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Zeit ist bekanntlich eine relative Angelegenheit. Fast 40 Jahre ist es her, dass Suzanne Vegas erste, selbstbetitelte Platte erschien, und mit ihrer Debütsingle „Marlene on the Wall“ landete sie gleich einen Hit. Inspiriert war der von einem Poster Marlene Dietrichs, das in Suzanne Vegas Wohnung an der Wand hing.

„Marlene on the Wall“ mit seiner Up-Beat-Coolness, einer schmeichelnden Melodie, einer turbulenten Liebesgeschichte lebte aber vor allem von einer sanften, geheimnisvollen und doch selbstsicheren Stimme, die etwas Umgarnendes und Ungehörtes in sich trug. Suzanne Vega schuf sich damit nicht nur selbst einen Platz in der Musiklandschaft; sie leitete seinerzeit auch das x-te Folk-revival ein, das Sängerinnen wie Michelle Shocked oder Tracy Chapman hervorbrachte.

Mit diesem Song aus dem Jahr 1985 eröffnet Suzanne Vega, einen Marlene-Dietrich-Blauer-Engel-Zylinder auf dem Kopf, nun ihr Konzert beim Hafensommer in Würzburg: Es ist tatsächlich so, als würden statt Jahrzehnten nur ein paar Tage zwischen damals und heute liegen, als würde Vegas Stimme diese lange Distanz ganz ohne Irritationen und Verfärbungen, die das Leben manchmal mit sich bringen, zurückgelegt haben.

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Von
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Schließt man für einen Augenblick die Augen, fühlt man sich zurückgebeamt in eine frühere Zeit - und die meisten der ihrer Jugend längst entwachsenen Zuhörerinnen und Zuhörer am Würzburger Hafen dürften sich sehr gut an die 80er Jahre erinnern. Suzanne Vega ist vor wenigen Tagen 64 geworden, aber sie strahlt noch immer diese jugendliche Energie aus, die bereits in ihren Anfängen von einer poetischen Reife und lebensklugen Abgeklärtheit durchsetzt war. An ihrer Seite steht der brillante Gitarrist Gerry Leonard, ein Studiomusiker, der mit David Bowie, Laurie Anderson oder Rufus Wainwright gearbeitet hat und in der Lage ist, bei manchen Stücken eine ganze Band zu ersetzen.

Die beiden sind ein eingespieltes Team – schon seit einiger Zeit ziehen sie zusammen durch die Welt, und zu ihrem professionellen Auftritt gehört auch, dass sie dem Publikum jedes Mal das Gefühl geben, etwas Einmaligem beizuwohnen: Suzanne Vega ist nicht nur eine begabte Songwriterin, sondern auch eine versierte Entertainerin. Ihr Publikum umgarnt sie mit ein paar absurden Sätzen auf Deutsch. Ihre Lieder leitet sie mit Anekdoten über deren Entstehung ein. Und sie schmeichelt den Fans damit, erst einmal ein paar alte Songs aus ihrem Repertoire zu spielen – am Anfang sei es ja gut, sich zu erinnern, sagt sie. Das erzeugt gleich eine angenehm-vertraute und gut gelaunte Stimmung, der dann auch die paar Regentropfen nichts anhaben können, die entsprechend der Prognose des Regenradars pünktlich aufs Publikum fallen.

„Small Blue Thing“, „Caramel“ oder „Gypsy“ – Vegas Klassiker sind nicht nur erinnerungswürdige Songs, sondern auch Erkundungen, was sich mit Lyrics in der Musik alles machen lässt. Im „The Queen and the Soldier“ erzählt sie eine parabelhafte Geschichte von Macht und Gewalt, Widerstand und Mut, und sie findet poetische Wendungen, die sich ins Gedächtnis schreiben: „But her face was a child’s, and he thought she would cry / But she closed herself up like a fan“ (Aber ihr Gesicht war das eines Kindes, und er dachte, sie würde weinen./Doch sie schloss sich wie ein Fächer“): Als der Soldat schon glaubt, die Königin, für die er nicht mehr kämpfen möchte, würde Gefühle zeigen, verschließt sie sich vollkommen.

Nicht alle Songs an diesem Abend können mit ihren besten mithalten. „Last Train from Mariupol“ ist ein gut gemeintes, wohlfeil-simples Rührstück über den Ukraine-Krieg, musikalisch ziemlich uninspiriert. Und auch „I Never Wear White“ hat etwas plakativ Eingängiges. Diese Hänger fallen aber angesichts der vielen bemerkenswerten Songs kaum ins Gewicht. Fürs Ende hat sich Suzanne Vega noch zwei Hits aufgespart, die ihr einen Ehrenplatz in der Popgeschichte eingebracht hatten: „Luca“ und „Tom’s Diner“. Die Dramaturgie des Abends hätte man sich nicht besser vorstellen können. Mit den Zugaben erweist sie dann zweien ihrer musikalischen Vorbilder Referenz: Die Cover-Version von „Walk on the Wild Side“ - „a very New York song“, sagt sie - ehrt Lou Reed. Und in „Tombstone“ klingt irgendwie auch nochmal Elvis Costello an, dem sie schon im ersten Teil des Abends mit „When Heroes Go Down“ eine Hommage dargebracht hatte: Da baute sie unüberhörbar Costellos „Lipstick Vogue“ ein. Kurzum: Bei Suzanne Vegas Gastspiel blieben keine Wünsche offen. Und vermutlich dürfte so manch einer mit dem ohrwurmhaften „Tatatala tatatala“ aus „Tom’s Diner“ eingeschlafen sein.

Freier Autor

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