Unser Tipp in den Bergen

Schauplatz Alpbachtal: Hier ist Tirol noch Tirol

Menschen empfinden Bergregionen als willkommenen Gegenpol zur Schnelllebigkeit unserer Zeit. Naturidylle, Authentizität und Traditionen sind dabei eine Einladung, sich auf das Wesentliche zu besinnen. Das Tiroler Alpbachtal ist wie geschaffen dafür.

Von 
Katja Bauroth
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Die Gipfel sind schon leicht gezuckert, auf den Balkonen leuchten noch die Geranien: Die Herbstzeit ist im Alpbachtal besonders schön. Hier ein typischer Bauernhof in Inneralpbach. © Alpbachtal Tourismus

Alpbach/Reith im Alpbachtal. Wenn sich am Morgen die Herbstsonne über die Hänge der Kitzbüheler Alpen schiebt, glimmt das Holz der Häuser in warmem Licht, und Alpbach zeigt sich in seiner ganzen Anmut. Der Tiroler Ort, auf einem sonnigen Plateau in rund 1.000 Metern Höhe gelegen, wurde nicht ohne Grund zum schönsten Dorf Österreichs gewählt. Der unverwechselbare Holzbaustil mit geschnitzten Balkonen, filigranen Verzierungen und Blumenschmuck prägt das Bild. Seit 1953 sorgt eine Bauordnung dafür, dass kein Neubau aus der Reihe tanzt – ab dem ersten Stock darf ausschließlich Holz verbaut werden, sodass jedes Haus ein Stück lebendige Baugeschichte ist. Einzige Ausnahme zwischen der jahrhundertealten alpinen Architektur: das Congress Centrum Alpbach, ein Designgebäude voller Funktionalität und hochwertiger Konferenztechnik, das jährlich zum Treffpunkt für Nobelpreisträger, Experten und Politiker aus ganz Europa wird.

In Alpbach verschmelzen Tradition und Gegenwart auf einzigartige Weise – ein Gesamtkunstwerk aus Landschaft und gelebter Kultur. Über 100 bewirtschaftete Bauernhöfe, viele originalgetreu erhalten, liefern Produkte, die in Lokalen und auf Hütten serviert werden. Besonders beliebt: der Alpbachtaler Heumilchkäse, eine echte Spezialität.

Brauchtum begeistert Prominente

Hier oben ist Tirol noch Tirol. Wenn Ende September die Kühe von den Almen zurückkehren, verwandeln sich die Orte in Festplätze aus Farben, Klängen und Emotionen. Beim Reither Almabtrieb werden – so denn der Almsommer unfallfrei blieb – die mit Blumenkronen geschmückten Tiere wie Stars empfangen, begleitet von Alphornbläsern, Musikkapellen und Hunderten von Besuchern aus aller Welt, die mit den Einheimischen das Kirchtagsfest und den traditionellen Bauernmarkt feiern. Dort zeigen Kunsthandwerker wie Georg Leitner ihre Fingerfertigkeit. Leitner ist Federkielsticker. Er schätzt, dass es in Österreich nicht einmal mehr zwei Handvoll Menschen gibt, die das fast vergessene Kunsthandwerk beherrschen: Mit fein geschliffenen Federkielen aus Pfauenfedern werden Ornamente in Leder gestickt – jedes Stück ein Unikat, vom Leibgurt bis zur Trachtendekoration. Leitner hat diese Fähigkeit von seinem Vater Johann gelernt und übt sie seit 44 Jahren aus. Seine Handarbeiten entstehen auf Bestellung – Kunstwerke, die nicht nur Zierde, sondern auch Zeugnisse regionaler Identität sind. Auf Gürtel stickt er zum Beispiel Familienwappen, „ein Kunde wollte mal das Logo der Band Rammstein“, erinnert er sich an Spezialwünsche. Mit etwa einem Jahr Lieferzeit muss gerechnet werden; selbst der bekannte Sänger Hansi Hinterseer wartete geduldig auf seinen Gürtel.

Georg Leitner aus Reith im Alpbachtal ist einer der wenigen Federkielsticker, die es noch in Österreich gibt. Das Foto entstand beim Kirchtag im Museum Tiroler Bauernhöfe Ende September. © Katja Bauroth

Das Alpbachtal in Tirol gilt nicht umsonst als der authentische Geheimtipp der Alpen. Eine ganzjährig erlebbare Zeitreise bietet das Freilichtmuseum Tiroler Bauernhöfe in Kramsach (Erwachsene 12, Kinder bis 17 Jahre 4, Familien 24 Euro). In 37 originalgetreu wiedererrichteten Bauernhäusern aus allen Regionen Tirols lassen sich 500 Jahre alpines Leben nachempfinden – vom Rauchfang über die Schlafkammern bis zu den alten Gerätschaften in den Ställen. Auf einem anderthalbstündigen Spaziergang tauchen Besucher ein in die Welt vor der Industrialisierung. Audio-Installationen machen Alltagssituationen hörbar, Schautafeln gewähren Einblicke in Geschichte und Lebensweise von anno dazumal. Ende September wurde das 50-jährige Bestehen des Museums groß gefeiert, da dampften Kiachl in der Pfanne, es duftete nach frisch gebackenem Brot, Vereine kamen in schönen Trachten und Musikanten füllten die Stuben mit wohlklingenden Volksweisen. Das Museum ist bis 2. November geöffnet und erstmals in diesem Winter auf Anfrage (Telefon +43/5337/62636). Ein Tipp: die Adventsspaziergänge über das Gelände, gestaltet vom Theaterverein Bruck (Infos hier).

Zum gelebten Brauchtum gehören zudem die Perchtenläufe am 5. und 6. Dezember. Mit schaurigen Holzmasken und schweren Kostümen aus getrockneten Maisblättern ziehen die Gestalten zu Trommel-Rhythmen durch die Dörfer, um böse Geister zu vertreiben. Die Gruppe „Seida Pass“ aus Kramsach lief sogar schon über den Laufsteg der Pariser Fashion Week. Der belgische Modedesigner Walter Van Beirendonck war durch Social Media auf die Kostümierten aufmerksam geworden und baute sie in seine Show ein.

Infos und Tipps

Anreise: Das Tiroler Alpbachtal liegt etwa 1,5 Stunden von München entfernt und ist mit dem Auto zum Beispiel mautfrei über den Achenseepass erreichbar oder mit der Bahn bis Jenbach(dann Bus). Zur Region gehören die Dörfer Alpbach, Reith im Alpbachtal, Kramsach, Brandenberg, Breitenbach, Münster, Brixlegg, Radfeld und Kundl sowie Rattenberg, die kleinste Stadt Österreichs. Tipp: Rattenberger Advent, 21. November bis 21. Dezember 2025, je freitags bis sonntags bei freiem Eintritt.

Übernachten: Für Wellness und Genuss mit moderner Note und traditionellem Charme steht das Fünf-Sterne-Hotel Der Böglerhof – pure nature spa resort in Alpbach. Es gibt Familien-Spa- und Erwachsenen-Spa-Bereiche mit Indoorpools und Saunalandschaften, die tolle Aussichten auf die Bergwelt bieten, sowie einen Naturbadeteich. Preise, Pauschalen und mehr: www.boeglerhof.at

Herbst-Spartipp: 3 Übernachtungen in einer Pension mit Frühstück und Alpbachtal Card (kostenlose Bergbahn- und Busnutzung, freie Eintritte) ab 249 Euro pro Person. Infos bei Alpbachtal Tourismus, Telefon +43/5337/ 21200, www.alpbachtal.at

Die Bundesmusikkapelle Reith bietet dem Nikolausspiel eine Bühne und führt das über 300 Jahre alte Kulturerbe ab 28. November auf. Dabei steht nicht der Heilige im Mittelpunkt, sondern der Mensch, der sich seinen inneren Kämpfen stellt, und der Tod, der am Ende siegt. In Tirol wird diese Form des Weihnachtsspiels heute nur noch in Reith im Alpbachtal gepflegt. Früher zogen Laiendarsteller von Hof zu Hof und spielten in den Stuben, heute gibt es feste Termine im Hotel Stockerwirt (Karten gibt es hier).

Naturschauspiel mit Aussicht

Ganz ohne Termine lässt sich das Naturschauspiel verfolgen: Eine der lohnendsten Wanderungen im Alpbachtal führt auf die Gratlspitze (1.899 Meter). Bei Sonnenaufgang, wenn Nebel wie Watte über den Tälern hängt, genießen Gipfelstürmer die 360-Grad-Aussicht bis ins Karwendel und zu den Hohen Tauern. Da im Herbst bereits mit Schnee in den höheren Lagen zu rechnen ist, gibt es in der Region ausgewählte Touren für Familien auf wettersicheren Wegen. Dazu zählt die Gondelfahrt auf das Wiedersbergerhorn in Alpbach – mit spektakulären Panoramablicken und einem familienfreundlichen Wanderweg bis zum Gipfel, der für den Nachwuchs leicht zu bewältigen ist. Bis 2. November haben die Sommerbergbahnen geöffnet. Mit der Alpbachtal Card sind die Fahrten kostenlos.

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Am 5. Dezember startet der Winterbetrieb im Ski Juwel Alpbachtal Wildschönau, mit 114 Pistenkilometern das größte Skigebiet Tirols und frisch gekürt zum „Aufsteiger des Jahres“. Und auch hier, am Berg, ist die besondere Architektur des Alpbachtals zu erleben. Das schönste Symbol regionaler Baukunst ist der 2022 eröffnete Aussichtsturm „Top of Alpbachtal“ an der Bergstation Hornbahn 2000. Der 13 Meter hohe Holzturm mit handgefertigten Schindeln bietet weite Blicke auf die umliegenden Zwei- und Dreitausender – ein Schauplatz purer Freiheit, an dem die Zeit für den Moment gern stehenbleiben darf. Und wenn am Morgen die Sonne über die Gipfel steigt, lässt sie das Turmholz im gleichen warmen Glanz erstrahlen wie die Fassaden der Höfe im Dorf. Das Tiroler Alpbachtal zeigt sich dann in seiner ganzen Anmut.

Autor Katja Bauroth liebt Begegnungen und Storys - im Lokalen und auf Reisen.

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