„Literatur im Schloss“

Die Erfindung der modernen deutschen Literatur

Jan Philipp Reemtsma kommt am 11. September mit seiner Wieland-Biografie

Von 
Ulrich Rüdenauer
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Jan Philipp Reemtsma kommt am 11. September mit seiner Wieland-Biografie zu „Literatur im Schloss“. © Steffie Ritter

Bad Mergentheim. Jan Philipp Reemtsma ist nicht nur ein bedeutender Mäzen, der Gründer des Instituts für Sozialforschung in Hamburg, ein begnadeter Vorleser, Förderer von Arno Schmidt-Kulturermöglicher, sondern vor allem ein renommierter Literaturwissenschaftlicher. Etliche Bücher zeugen von seiner tiefen Kenntnis der deutschen Literaturgeschichte und Ästhetik. Immer schon im Zentrum seiner Arbeit stand Christoph Martin Wieland. Ihm hat Reemtsma nun eine Biografie gewidmet, die er am 11. September um 19 Uhr im Roten Saal des Residenzschlosses präsentieren wird. „Etherisch“ und „selig“, „harmonisch“ und „festlich“, „Liebeswut“, „Steckenpferd“ und Milchmädchen“, „Weltall“ und „Weltliteratur“ – allesamt Worte, die uns leicht über die Lippen gehen und so gewöhnlich erscheinen, als seien sie immer schon da gewesen. Waren sie natürlich nicht.

Eine Pioniertat

Zu verdanken sind diese und etliche andere Neologismen einem Aufklärer und Sprachgenie: Christoph Martin Wieland arbeitete, schreibt Jan Philipp Reemtsma, konsequent an der Modernisierung der deutschen Sprache. Vieles musste er erfinden, um Shakespeare gerecht zu werden – dessen Stücke übersetzte er als erster ins Deutsche. Eine nicht zu überschätzende Pioniertat.

Wieland war aber nicht nur ein Sprachinnovator. Er hat außerdem mit viel Geschick das geschaffen, was wir heute „Weimarer Klassik“ nennen – zu Unrecht denken wir dabei ja nur noch an die beiden Säulenheiligen Goethe und Schiller. Wieland war als erster da, und er bereitete buchstäblich den Boden für das, was noch kommen sollte. Nicht zuletzt hat er neue literarische Formen und Erzählweisen entwickelt.

Der Germanist und Literaturmäzen Reemtsma würdigt „Christoph Martin Wieland“ nun mit einer großen Biografie, deren Untertitel die Wirkmacht des Biberacher Pfarrerssohns prononciert herausstellt: „Die Erfindung der modernen deutschen Literatur“ (C.H. Beck, 704 Seiten, 38 Euro). Groß ist nicht nur der Umfang dieses Buches, gewaltig nicht nur der Inhalt, den es abzudecken gilt.

Profundes Wissen

Imposant ist vor allem die dramaturgische und stilistische Meisterschaft Reemtsmas, seine Fähigkeit, profundes Wissen auf geradezu hinreißende, kluge, manchmal ironische, manchmal schön parteiische Weise zu verdichten. Reemtsmas Biografie des 1813 gestorbenen Wieland - die erste seit 70 Jahren - ist eine literaturhistorische Großtat. Vermutlich wird sie nicht zu einem Wieland-Boom führen, man darf die Wirkung toller Bücher leider nicht überschätzen. Aber eine Ehrenrettung ist sie mindestens, und sie wird mit ziemlicher Sicherheit für eine geraume Zeit ein frisches Wieland-Bild prägen.

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