Ein neues Buch des vor kurzem schwer verletzten Salman Rushdie, der erste Roman von Benjamin von Stuckrad-Barre seit sieben Jahren und Neues von der jüngsten Literaturnobelpreisträgerin: Das literarische Frühjahr 2023 bringt auffallend viele Highlights. Dabei fällt auf, dass viele Autorinnen und Autoren politische Diskussionen ins Zentrum stellen.
Juli Zeh und Virginie Despentes: Blick in gesellschaftliche Debatten
Los geht es im Januar mit dem neuen Buch von Juli Zeh. Diesmal hat sie es nicht alleine geschrieben, sondern mit dem Co-Autoren Simon Urban. „Zwischen Welten“ erzählt von Stefan und Theresa, die sich früher einmal nah standen und sich dann nach einiger Zeit wieder über den Weg laufen. Inzwischen führen sie ganz unterschiedliche Leben – er als Journalist, sie als Bäuerin. In E-Mails und WhatsApp-Nachrichten beginnen sie, sich auszutauschen. Während sich die beiden näherkommen, geraten sie „in einen hitzigen Schlagabtausch um polarisierte Fragen wie Klimapolitik, Gendersprache und Rassismusvorwürfe“, schreibt der Luchterhand Verlag.
Die im Frühjahr erscheinenden Titel in der Übersicht
Juli Zeh und Simon Urban: Zwischen Welten, erscheint am 25. Januar im Luchterhand Verlag, 448 Seiten.
Virginie Despentes: Liebes Arschloch, übersetzt von Ina Kronenberger und Tatjana Michaelis, erscheint am 9. Februar bei Kiepenheuer& Witsch, 336 Seiten.
T.C. Boyle: Blue Skies, übersetzt von Dirk van Gunsteren, erscheint am 15. Mai beim Hanser Verlag, 400 Seiten.
Salman Rushdie: Victory City, übersetzt von Bernhard Robben, erscheint am 20. April bei Random House, 450 Seiten.
Sebastian Hotz: Mindset, erscheint am 5. April bei Kiepenheuer& Witsch, 288 Seiten.
Sheena Patel: I’m a Fan, übersetzt von Anabelle Assaf, erscheint am 15. Mai im Hanserblau Verlag, 192 Seiten.
Annie Ernaux: Der junge Mann, übersetzt von Sonja Finck, erscheint am 16. Januar bei Suhrkamp, 48 Seiten.
Martin Suter: Melody, erscheint am 22. März bei Diogenes, 336 Seiten
Bernardine Evaristo: Mr. Loverman, übersetzt von Tanja Handels, erscheint am 18. Februar im Tropen Verlag, 336 Seiten.
Benjamin von Stuckrad-Barre: Noch ohne Titel, erscheint am 19. April bei Kiepenheuer& Witsch, 352 Seiten.
Siri Hustvedt: Mütter, Väter und Täter, übersetzt von Uli Aumüller und Grete Osterwald, erscheint am 14. Februar im Rowohlt Verlag, 448 Seiten.
Bret Easton Ellis: The Shards, übersetzt von Stephan Kleiner, erscheint am 17. Januar bei Kiepenheuer& Witsch, 736 Seiten.
Einen Ritt durch gesellschaftliche Debatten verspricht auch das neue Buch der französischen Autorin Virginie Despentes („Das Leben des Vernon Subutex“). Sie erzählt in „Liebes Arschloch“ von drei Leuten, die nach einem verunglückten Instagram-Post aufeinandertreffen. Zwischen den dreien entstehe ein digitaler, „fulminanter Briefroman des 21. Jahrhunderts, in dem alle wichtigen gesellschaftlichen Themen unserer Zeit verhandelt werden“, heißt es in der Ankündigung von Kiepenheuer & Witsch. Es gehe um #MeToo und Social Media, Drogen, Machtmissbrauch und Feminismus.
T.C. Boyle und Salman Rushdie: Vom Umgang mit der Welt
Mit der Klimakatastrophe steht ein weiteres riesiges Thema unserer Zeit im Zentrum des neuen Romans von T.C. Boyle. „Der Countdown zur Apokalypse läuft: Kalifornien geht in Flammen auf, Überschwemmungen bedrohen Florida“, kündigt der Hanser Verlag den Inhalt an. Der US-Amerikaner erzählt von einer Familie, deren Mitglieder ihre jeweils unterschiedlichen Verhältnisse zur Umwelt verhandeln.
Einen großen Bogen wiederum spannt Salman Rushdie mit „Victory City“. Der 75-Jährige wurde im August 2022 Opfer einer schweren Messerattacke. Doch er schreibt weiter. In „Victory City“, das im April erscheint, kehrt der Erzähler nach Indien zurück. Eine neunjährige Waise wird im 14. Jahrhundert von einer Göttin auserkoren, ihr Sprachrohr in die Welt zu sein. Ihre Aufgabe: den Frauen in einer patriarchalen Welt eine gleichberechtigte Rolle zu geben. Im Auftrag der Göttin erschafft sie eine Stadt, deren Aufstieg und Untergang im Buch erzählt wird.
Social Media und die Literatur: El Hotzo und Sheena Patel
Im April bringt einer der amüsantesten Twitter-Autoren Deutschlands seinen Debütroman heraus. Sebastian Hotz alias El Hotzo erzählt von einem jungen Mann, der in den Sozialen Netzwerken viele Follower hat und so unerschütterlich an die eigene Einzigartigkeit glaubt, dass er in Seminaren Lektionen „zum richtigen Mindset“ gibt. Auch Mirko will von ihm lernen, wie man ganz nach oben kommt. Der Verlag schreibt über „Mindset“: „Ein Roman über Männer, die keine Zeit und keine Lust haben, an ihrer Durchschnittlichkeit zu verzweifeln.“
Auch die Autorin Sheena Patel hat einen Roman über „die toxische Verführung von Social Media geschrieben“, schrieb der „Evening Standard“ über ihren Debütroman „I’m A Fan“. Die Geschichte der Britin handelt von einer modernen Dreiecksbeziehung, kündigt der Hanser Verlag an, und kommt im Mai heraus. Der „Guardian“ nannte das Buch „zerstörerisch brillant“.
Annie Ernaux, Martin Suter und Bernardine Evaristo: Ungewöhnliche Liebesbeziehungen
Ebenso spannend klingt die Neuerscheinung der Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux, die in „Der neue Mann“ von der Liebesbeziehung einer Frau Mitte 50 mit einem 30 Jahre jüngeren Mann erzählt. Das schmale Buch sei eine „Rückkehr in die eigene Vergangenheit“, die Französin breche „ihr letztes Tabu“, schreibt Suhrkamp.
Martin Suter veröffentlicht im März den Roman „Melody“. Der Schweizer erzählt darin von einem älteren Herren namens Dr. Stotz, der nicht mehr lange zu leben hat und mit einem Studenten seinen Nachlass ordnet. Er erzählt dem Jüngeren von seiner großen Liebe Melody, die vor Jahrzehnten seine Verlobte war, dann aber kurz vor der Hochzeit verschwand. Dem Studenten fallen Ungereimtheiten in der Geschichte auf.
Die britische Autorin Bernardine Evaristo hat für ihren Roman „Mädchen, Frau etc.“ den Booker Prize gewonnen. Auch in Deutschland wurde der Roman ein Bestseller. In „Mr. Loverman“ erzählt sie wieder vom Leben schwarzer Menschen in der britischen Gesellschaft. Dieses Mal geht es um einen Mann, der eine heterosexuelle Beziehung führt, insgeheim aber in seinen Freund verliebt ist, der wie er als junger Mann nach England ausgewandert ist.
Blick nach innen – Benjamin von Stuckrad-Barre, Siri Hustvedt oder Bret Easton Ellis
Auf ihre jeweils ganz eigene Weise setzen sich viele Bücher im neuen Jahr mit politischen Debatten auseinander – und dann gibt es Autorinnen und Autoren, die den Blick eher nach innen richten. Zum Beispiel Benjamin von Stuckrad-Barre. Im April soll sein erster Roman seit sieben Jahren erscheinen. Noch gibt es aber weder einen Titel noch weitere Details. Vermutlich wird es wieder auch um sein eigenes Leben gehen. Zumindest schreibt Kiepenheuer & Witsch in seiner Ankündigung ganz allgemein: „Aus Erlebnis und Beobachtung wird Fiktion, aus dem Leben ein Roman.“
Auch die US-amerikanische Schriftstellerin Siri Hustvedt bietet in ihrem neuesten Band „Mütter, Väter und Täter“ persönliche Einblicke, wie der Rowohlt Verlag ankündigt. Die Essays „reichen von der Natur von Erinnerung und Zeit bis zu dem, was wir von unseren Eltern erben“. Bekannte Themen der 67-Jährigen wie Feminismus, Psychoanalyse oder die Kunst würden verhandelt.
Autobiografisch inspiriert ist zuletzt auch der neue Roman des US-Amerikaners Bret Easton Ellis. In „The Shards“ erzählt der Autor von „American Psycho“ eine traumatische Geschichte, wie sein deutscher Verlag Kiepenheuer & Witsch ankündigt: Während der Schulzeit des Autors sei ein Serienmörder in Los Angeles eine Bedrohung für die Jugendlichen gewesen. Darum geht es in dem Buch, dessen Protagonist der 17-jährige Bret ist. Fakten und Fiktion sollen sich auch hier vermischen. dpa
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