Mannheim. So etwas erlebt man selten. Im Normalfall erntet die Vorband bei Gefallen höflichen Applaus und ein bisschen Fußwippen, bevor die Stimmung erst beim Headliner dann richtig hochkocht. Der Freitagabend im Mannheimer Jugendkulturzentrum Forum stellt die Ausnahme von dieser Regel bei den meisten Rockkonzerten dar: Und das liegt daran, dass die deutsche Indierock-Hoffnung Van Holzen mit den Post-Hardcore-Newcomern Kind Kaputt eine ebenfalls aufstrebende Band ins Vorprogramm geholt hat. Ein packendes Sturm-und-Drang-Paket mit lauten Gitarren, das für einen atmosphärisch dichten und von 100 Besuchern zurecht durchweg gefeierten Konzertabend sorgt.
Um Punkt 20 Uhr stehen Kind Kaputt auf der Bühne. Zusammengefunden haben sie sich vor Jahren an der Mannheimer Popakademie, und auch wenn das Band-Hauptquartier mittlerweile in Leipzig steht, bleibt die Rückkehr ins Forum ein kleines Heimspiel für Johannes Prautzsch (Gitarre, Gesang), Konstantin Cajkin (Gitarre) und Mathis Kerscher (Schlagzeug). Die Reihen sind bereits früh gut gefüllt, und Kind Kaputt demonstrieren in drängenden 40 Minuten, warum sie sich in der Szene einen guten Namen gemacht haben. Natürlich sind Bands wie Heisskalt, Fjort oder auch Van Holzen selbst die richtigen Referenzpunkte für den Sound des Dreiers, der aber in diesem Fahrwasser mit ausgezeichneten Texten und giftigen Gitarren vorzügliche eigene Akzente sitzt. Sie trauen sich mit „Monsun“ sogar an ein (ziemlich okayes) Tokio-Hotel-Cover heran – und fahren im großartigen „Wasser“ die Ernte für einen überzeugenden Auftritt ein.
Die Messlatte ist damit hoch gelegt für Van Holzen – aber das Trio aus Ulm reißt sie nicht. Der große Hype um das Debütalbum „Anomalie“ (2017), als die jungen Schwaben in den gängigen Musikmagazinen abgefeiert wurden und ihnen eine Karriere im Stil der Arctic Monkeys vorhergesagt wurde, mag vorbei sein. Aber Van Holzen sind in der Zwischenzeit als Band gereift, haben die Corona-Jahre schadlos überstanden – und wissen immer noch, wie man eine mitreißende Rockshow auf die Beine stellt. Der Druck, der sich von der Bühne auf die Zuschauer übertragt, muss sich vor großen Namen wie Queens Of The Stone Age oder Royal Blood nicht verstecken. Mit den herausragenden Rockern „Schlafen“ und „Gini“ gibt es dafür gleich zu Beginn zwei zündende Beispiele vom letzten Album „Aus der Ferne“. „Gras“ steht in der Tradition besten Indie-Pops mit Gitarrenwumms, und auch das fantastische Debüt wird mit „Karneval“, „Herr der Welt“ oder „Erfolg“ ordentlich gewürdigt.
Im Forum brodelt es bis zum finalen Rausschmeißer „Alle meine Freunde“ – und die Band ist von den euphorischen Reaktionen bei ihrer allerersten Mannheim-Show überhaupt ziemlich überwältigt. „Wir sind unendlich froh, dass die Leute vor der Bühne so feiern“, sagt Sänger Florian Kießling. „Das war nicht das letzte Mal. Wir kommen wieder nach Mannheim.“
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