Der neue Film

So verstärken sich im Film "Evil does not exist" Bild und Ton

Eine besondere Beziehung von Bild- und Tonebene zeichnet den neuen Film des Japaners Ryusuke Hamaguchi aus: In "Evil does not exist" geht es um unser Verhältnis zur Natur.

Von 
Thomas Groß
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Szene aus dem japanischen Spielfilm „Evil does not exist“. © Pandora Filmverleih

Es beginnt mit einem versonnenen Blick nach oben. Ganz langsam fährt die Kamera durch ein Waldstück und zeigt das volle Blätterdach, durch das mild die Sonne funkelt. Dazu hört man passend weite, gedehnte Töne mit romantischem Anklang. Ein reizvolles, meditativ wirkendes Zusammenspiel von Bild und Ton eröffnet den neuen Film des Japaners Ryusuke Hamaguchi, der mit Mitte vierzig bereits auf den wichtigsten internationalen Festivals ausgezeichnet und für seinen Vorgängerfilm „Drive my car“ auch mit einem Oscar geehrt wurde.

Erneut arbeitete der Filmemacher nun mit der Tonkünstlerin Eiko Ishibashi zusammen, und er entwickelte aus dieser Kooperation die erzählte Geschichte: Die zweite Einstellung seines beim Festival in Venedig prämierten Films „Evil does not exist“ zeigt die neunjährige Hana (Ryo Nishikawa), die nach oben schaut. Ihre Perspektive ist es, welche die Kamera am Anfang einfing; dann sieht man sie durch den Schnee stapfen, dem sie ebenfalls ihre ganze Aufmerksamkeit zu widmen scheint.

Wirtschaftliche Interessen bereiten Schwierigkeiten

Hana lebt mit ihrem Vater Takumi (Hitoshi Omika) in einem kleinen Dorf nicht allzu weit entfernt von Tokio. Das Verständnis für die Natur und ihre Kreisläufe, die der Vater ihr vermittelt hat, scheint das ein wenig verträumt wirkende Mädchen ganz und gar verinnerlicht zu haben. Auch die anderen Bewohner des Dorfes praktizieren einen sorgsamen Umgang mit ihrer Umgebung, und wären da nicht öfter mal die Schüsse von Jägern in der Nähe zu hören, man könnte das Leben hier glattweg für eine Idylle halten.

Doch so, wie das Bild eines sich auf dem Waldboden dahinschlängelnden Baches hier bald von der Aufnahme eines schnurgerade die Landstraße entlangfahrenden Autos durchkreuzt wird, so rückt auch die Großstadt näher an die intakte Natur: Eine Firma möchte dort eine „Glamping“-Anlage errichten, um gestressten Städtern Erholung auf einem luxuriösen Campingplatz zu bieten. Besonders das im Ort vielseitig genutzte Bachwasser könnte dadurch Schaden nehmen – das wird in einer Anwohnerversammlung rasch deutlich. Die Firma agiert unter Zeitdruck, weil sie sich Subventionen sichern will. Und sie versucht, Takumi, der sich bescheiden als „so etwas wie den örtlichen Handlanger“ beschreibt, als Vermittler zwischen den konträren Interessen zu gewinnen.

Dass dies nicht ganz einfach wird, ist klar. Zumindest zwei Beschäftigte der Firma, die ohnehin ihrer Arbeit kritisch gegenüberstehen, agieren immerhin behutsam und verständnisvoll. Doch dann nimmt das Geschehen eine überraschende Wendung, die letztlich passend zur Anlage dieses sehenswerten Films alle Eindeutigkeiten ausschließt. Das Erzähltempo bleibt dabei wohltuend ruhig und langsam. Und bis zum Schluss verbürgt hier das intensive Zusammenspiel von Bild, Ton und Erzählung ein ganz besonderes filmisches Erlebnis.

Redaktion Kulturredakteur, zuständig für Literatur, Kunst und Film.

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