Kino

Pizza, Pein und Moby Dick prägen den Film "The Whale"

Brendan Fraser spielt in Darren Aronofsky „The Whale“, der jetzt in die Kinos kommt, einen schwer adipösen, dem Tod nahen Pädagogen. Dafür wurde er mit dem Oscar belohnt

Von 
Gebhard Hölzl
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Brendan Fraser als Charlie in dem Film „The Whale“, der am Donnerstag in die Kinos kommt. © Plaion Pictures/epd

Während die sieben Oscars der diesjährigen Academy-Award-Verleihung für „Everything Everywhere All at Once“ für eine (positive) Überraschung sorgten, galt Brendan Faser, der die begehrte Trophäe folgerichtig entgegennehmen durfte, seit seiner Nominierung als gesetzt - ob beim Publikum, den Buchmachern oder Brancheninsidern. In einen sogenannten „fatsuit“, einen Fettanzug, ist er geschlüpft, um auf die rund 270 Kilogramm Körpergewicht zu kommen, die sein Part als „The Whale“, sprich „Der Wal“, verlangte.

Brendan James Fraser

  • Brendan James Fraser wurde 1968 In Indianapolis geboren, wuchs in Europa und den USA auf, besuchte in Toronto das Upper Canada College (UCC) und schloss seine Ausbildung in Seattle am Cornish College of the Arts (CCA) ab.
  • Mit Auftritten in Klamotten wie „Steinzeit Junior“ oder „Airheads“ machte Brendan Fraser sich nach seinem Kinodebüt in „Dogfight“ (1991) einen Namen.
  • Seinen bislang größten kommerziellen Erfolg landete er als Fremdenlegionär in „Die Mumie“ (1999).
  • Der Schauspieler wurde vielfach ausgezeichnet, gewann neben dem Oscar für „The Whale“ etwa den Romy (International).
  • Fraser war von 1998 bis 2008 mit der Schauspielerin Afton Smith verheiratet. Der Ehe entstammen drei Söhne.

Ein Wortspiel ist der Titel, bezieht er sich einerseits auf die Leibesfülle des Helden, andererseits auf den für den Plot maßgeblichen „Moby Dick“-Essay, den eine Gruppe Studierender verfassen soll. Als Aufgabe hat ihn der Ex-Literaturprofessor Charlie (Fraser) gestellt, der seinen Lebensunterhalt nun mit Online-Schreibkursen verdient. In seine vollgestellte Wohnung hat er sich zurückgezogen, von der Umwelt weitgehend abgeschottet. Ausnahmen bilden der Pizza-Mann Dan (Sathya Sridharan), der ihm die Kartons mit den üppig belegten Teigscheiben vor die Tür stellt, sowie seine gute Freundin und Krankenschwester Liz (Hong Chau), die regelmäßig bei ihm vorbeischaut und sich Sorgen um seine Gesundheit macht - wenig überraschend bei einem Blutdruck von 238 zu 134.

Schon da - ein paar Minuten sind erst verstrichen - ist klar, dass dem Kranken kaum noch Lebenszeit bleibt. Um dies zu verdeutlichen, muss man obendrein - geschockt und peinlich berührt - miterleben, wie der Pädagoge beim Onanieren fast einem Herzschlag erliegt.

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Harte Kost scheint angesagt, durchaus erwartbar, weil Darren Aronofsky als Regisseur firmiert. Grelle Extravaganzen sind seine Spezialität, siehe „The Fountain“, „Requiem for a Dream“ oder „Mother!“. Doch hier steht ihm der Sinn nach etwas Anderem, nach bodenständiger, gehobener, kluger Unterhaltung. Er zeichnet das Porträt eines einsamen, empathischen Individuums, das einen letzten Wunsch hat: Charlie will Tochter Ellie (Sadie Sink) versorgt wissen. Die hat er nicht mehr gesehen, seit er sich wegen einer schwulen Beziehung von seiner Frau, ihrer Mutter Mary (Samantha Morton), getrennt hat.

Theaterstück als Vorlage

Ein anrührendes Werk, strukturiert in nach Wochentagen benannten Kapiteln. Basierend auf dem gleichnamigen Theaterstück von Samuel D. Hunter, der selbst das Drehbuch verantwortet hat. Streng der Vorlage verpflichtet ist die Adaption, die Herkunft von der Bühne wird nicht geleugnet - was sich beispielsweise im engen, gekonnt gehandhabten 4:3-Format von Kameramann Matthew Libatique („Black Swan“) niederschlägt. Zudem spielt die Handlung über weite Strecken in einem Raum. Ganz dicht bleibt man bei Charlie und dessen Leid. Wird Zeuge, wie er sich müht, um auf die Beine zu kommen, um sich in seinen Gehwagen zu hieven, oder wenn er versucht, einen Schlüssel vom Boden aufzuheben.

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jab
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Eine virtuose One-Man-Show, bei der der unterschätzte, häufig als Komödiant und Action-Haudegen abgestempelte Fraser („Die Mumie“) in Chau („The Night Agent“) eine kongeniale Partnerin findet. Etwa wenn sie erschrocken blitzschnell auf seinen Rücken springt und seinen Brustkasten zusammen zu pressen versucht, als er sich an einem wie üblich zu dick belegten Brot verschluckt und daran zu ersticken droht. Ebenso eindringlich ist die Szene, wenn der wuchtige, tief traurige Heroe schließlich auf die pubertierende Ellie trifft, perfekt verkörpert von Sink („Stranger Things“). Sie lockt ihren entfremdeten Vater aus der Reserve, liest ihm wütend die Leviten und erkennt final, was für eine gute Seele er besitzt.

Vermeiden von Klischees

Die große Kunst des Filmemachers besteht darin, dass er Klischees und jedwede Larmoyanz vermeidet - wie schon bei seiner formidablen Ringer-Mär „The Wrestler - Ruhm, Liebe, Schmerz“ (2008), in der Mickey Rourke sich seinem verpfuschten Dasein stellt. Zwischen Drama und Komödie pendelt der Ton. Über ein paar giftige Witze, die nie auf die Kosten des Protagonisten gehen, darf man lachen, dann wieder mit ihm leiden. Ohne Voyeurismus, ohne spekulative Momente.

Es ist vielmehr so, dass man das Riesenbaby Charlie - im Übrigen ein hervorragender Lehrer - ob seiner Menschlichkeit schnell ins Herz schließt. Trotz aller Tragik ein Wohlfühlfilm. Das zeugt vom Können Aronofskys und dessen Team, aus dem unbedingt Adrien Morot, Judy Chin und Annemarie Bradley-Sherron zu nennen sind, die für ihr Make-up und die Frisuren mit einem Oscar belohnt wurden.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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