Der neue Film

Joaquin Phoenix und Lady Gaga glänzen in "Joker: Folie à Deux"

Regisseur Todd Phillips knüpft mit „Joker: Folie à deux“ an seinen Sensationserfolg von 2019 an. Diesmal trifft der von Joaquin Phoenix gespielte Antiheld auf Harley Quinn alias Lady Gaga

Von 
Gebhard Hölzl
Lesedauer: 
Joaquin Phoenix als Arthur Fleck/Joker und Lady Gaga als Lee Quinzel in einer Szene aus dem Film „Joker 2: Folie à Deux“. © Niko Tavernise/Warner Bros. Pictures/dpa

Auf dem mit großen Namen und zig Stars gespickten Festival von Venedig war Todd Phillips‘ „Joker: Folie à deux“ wohl die am heißesten erwartete Premiere. Nicht ohne Grund, hatte der Regisseur doch für seinen Vorläufer „Joker“ 2019 vor Ort den Goldenen Löwen entgegennehmen dürfen. Einmalig in der Geschichte der primär auf Arthouse-Arbeiten spezialisierten Filmschau, dass die auf ein breites Publikum abzielende US-Studiogroßproduktion – in diesem Fall von Warner Bros. – damals mit dem wichtigsten Preis ausgezeichnet wurde. Nur der Anfang eines globalen Siegeszuges an dessen Ende ein Umsatz von 1,1 Milliarden Dollar stand – und ein Oscar für Hauptdarsteller Joaquin Phoenix.

Nun die Fortsetzung – und die Frage ob der durch irrwitzige Komödien wie „Hangover“ bekannt gewordene Filmemacher noch einmal würde zulegen können. Die Antwort: Ja. Definitiv. Mit vollkommen neuem Ansatz. Wovon der Untertitel – aus dem Französischen übersetzt: „Geistesstörung zu zweit“ – zeugt.

Ein Film über „symbiotischen Wahn“, der gleich vollkommen durchgeknallt losgeht. Mit einer kurzen animierten Sequenz im Stil der berühmten Looney Tunes, realisiert von Sylvain Chomet („Das große Rennen von Belleville“). Der Joker kriegt sich mit seinem Schatten, der Böses im Schilde führt, in die Haare. Immer handgreiflicher wird die Auseinandersetzung, bis Cops auftauchen und mit ihren Schlagstöcken auf den Joker eindreschen. Anarchischer Witz à la Tex Avery. Der im Umschnitt – jetzt als Realfilm – ins heruntergekommene Gefängnis von Arkham führt, wo man den (Anti-)Helden, bürgerlich Arthur Fleck, nach seinen fünf Morden als kriminellen Geisteskranken inhaftiert hat. Hier wird er, während er auf seinen Prozess wartet, von den Wächtern, angeführt von Jackie Sullivan (Brendan Gleason), verspottet und drangsaliert. Ein gebrochener Mann ist er. Bis er im Singkreis Lee Quinzel (Lady Gaga), alias Harley Quinn, ausgesprochen Harlekin, kennenlernt und in ihr eine verwandte Seele erkennt. Sie weckt seine Gefühle und die Liebe zur Musik, die tief in seinem Inneren schlummert ...

Joaquin Phoenix und Lady Gaga brillieren als Gesangsduo

Womit die Molltöne von Hildur Gunadóttirs („Tár“) dräuendem Soundtrack den Ohrwürmern des Great American Songbook weichen, die folgenden virtuosen Gesang- und Tanzeinlagen Bezug auf Klassiker wie „Ich tanz mich in dein Herz hinein“ oder „Du sollst mein Glücksstern sein“ nehmen. Mit einem Musikfilm, einem Musical, hat man es plötzlich zu tun. Ohrwürmer kommentieren die Geschehnisse. Frank Sinatras „That’s Life“, unter anderem von Gleason interpretiert, ist mehrfach zu hören, Lady Gaga und der seit seinem Johnny-Cash-Part in „Walk the Line“ gesangstechnisch erfahrene Phoenix brillieren als Duo in „Bewitched“, „Get Happy“ und „If My Friends Could See Now“, leitmotivisch wird „That’s Entertainment“ eingesetzt.

Als Rahmenhandlung der gegen den Strich gebürsteten Amour fou dient die Gerichtsverhandlung gegen Arthur. Hier könnte man, wollte man unbedingt, mäkeln. Diese fällt – bei einer ohnehin langen Gesamtspieldauer von 138 Minuten – streckenweise ein wenig langatmig aus. Während vor dem Gebäude die Joker-Fans randalieren, auf den „Big Bang“ – zu dem es freilich wenig überraschend kommt – warten, versucht Bezirksanwalt Harvey Dent (Harry Lawtey) den Angeklagten auf den elektrischen Stuhl zu bringen, derweil Anwältin Maryanne Stewart (Catherine Keener) hofft, ihren widerspenstigen Mandanten ob seiner „gestörten, schweren Jugend“ vor dem Tod zu bewahren. Ein prototypisches juristisches Tauziehen nimmt seinen Lauf – bis Fleck die eigene Verteidigung übernimmt.

Ein zweiter Academy Award für Phoenix ist durchaus denkbar

Mit traumwandlerischer Sicherheit vereint Phillips die unterschiedlichen Genres zu einem einzigen stimmigen Guss. Bestens unterstützt durch die dunklen Bilder von Kameramann Lawrence Sher sowie das düstere Produktionsdesign von Mark Friedberg. Im Zentrum des exzellent harmonierenden, mit vorzüglichen Charakterdarstellern zusammengestellten Ensembles steht jedoch der formidable Phoenix. Vom ersten Augenblick, in dem man ihn mit ausgemergelten Oberkörper sieht – durch eine wochenlange Apfel-und-Zigaretten-Diät hat er sich entsprechend in „Form“ gebracht –, schlägt er einen in Bann, unterstützt von Multitalent Lady Gaga, die bereits in „A Star Is Born“ ihre charismatische Leinwandpräsenz unter Beweis gestellt hat.

Ein veritables Gesamtkunstwerk, das in einem tontechnisch hochklassig ausgestattetem Lichtspielhaus mit großer Leinwand genossen werden muss. Ein kommerzieller Erfolg scheint programmiert – und ein zweiter Academy Award für Phoenix ist durchaus denkbar. Ein geniales Sequel, das sich den gängigen Handlungsmustern verweigert und neue Pfade beschreitet. Bleibt nur die Frage, ob sich die DC-Comics-Fans – kein Batman, kein Robin etc. – mit der Neuinterpretation des Stoffes anfreunden können bzw. wollen.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke