Der neue Film - Kevin Reynolds' brave Bibelstunde "Auferstanden" ist aus der Sicht eines von Joseph Fiennes gespielten Römers erzählt

Erneut die größte Geschichte

Von 
Gebhard Hölzl
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Joseph Fiennes geht als Clavius zunächst sehr beherzt zur Sache, wird dann aber eines Besseren belehrt: Szene aus dem Film "Auferstanden".

© Sony Pictures Releasing GmbH/dpa

Merkwürdig aus der Zeit gefallen wirkt dieser Bibelfilm, vergleicht man ihn mit modernen Hightech-Epen wie Darren Aronofskys "Noah" oder Ridley Scotts "Exodus"; und mit den radikalen Interpretationen von Martin Scorsese und Mel Gibson, "Die letzte Versuchung Christi" und "Die Passion Christi", hat er schon gar nichts gemeinsam.

An George Stevens' "Die größte Geschichte aller Zeiten" (1965) fühlt man sich bei "Auferstanden" erinnert, ob der etwas altmodisch wirkenden Machart, der für heutige Zeiten (zu) naiven Botschaft. Was vielleicht (auch) damit zu tun hat, dass Regisseur Kevin Reynolds - obwohl er in Kevin Costner einen Fürsprecher hatte - nie wirklich in Hollywood Fuß fassen konnte und trotz seines Könnens in der Traumfabrik eher Außenseiter geblieben ist.

Mit "Robin Hood - König der Diebe" landete er 1991 einen veritablen Blockbuster, mit dem Endzeitspektakel "Waterworld" ging er vier Jahre später baden. Richtig große Budgets blieben ihm fortan versagt - auch bei seiner aktuellen Produktion, die rund 20 Millionen Dollar gekostet hat. Entsprechend fehlen aufwendige Effekte und große Stars, der Filmemacher vertraut (fast ausschließlich) auf die Kraft seines ewig gültigen Stoffes. Aus einer anderen Perspektive erzählt er seine bekannte Geschichte, mit Paul Aiello hat Reynolds ein Skript verfasst, in dessen Zentrum der Tribun Clavius (Joseph Fiennes) steht. Von Pontius Pilatus (Peter Firth), dem römischen Statthalter der Provinzen Judäa und Samaria, wird der ehrgeizige Soldat abgestellt, die Hinrichtung Jesu, der hier Yeshua heißt, zu überwachen.

Virtuos in Szene gesetzt

Als tapferen Krieger und versierten Taktiker lernt man Clavius zunächst kennen, beim blutigen Angriff auf eine auf einem Hügel gelegene Stellung. Unbeeindruckt von schwirrenden Pfeilen und geschleuderten Steinen stürmt er voran. Virtuos ist diese Schlachtsequenz in Szene gesetzt, perfekt fängt sie Kameramann Lorenzo Senatore ein, dessen bei "Northmen - A Viking Saga" gesammelte Erfahrung hier zum Tragen kommt. Mit einem Schwerthieb tötet der Tribun den Anführer der Rebellen - und fortan ruht die Action. Die Unruhen gehen aber weiter. Die Aufständischen sind Anhänger des gekreuzigten Messias, Gerüchte über dessen Auferstehung machen die Runde. Clavius lässt den Leichnam in einer Gruft beisetzen, diese versiegeln und bewachen. Dennoch verschwindet der Körper am dritten Tag...

An diesem Punkt mutiert das Drama zu einem (antiken) Kriminalfilm. Clavius und sein Berater Lucius (Tom Felton) sollen die Leiche wiederfinden, um die Sterblichkeit des vermeintlichen Erlösers zu beweisen. Sie klopfen an Türen, beauftragen Spitzel, stellen Nachforschungen an. Sie treffen Maria Magdalena (Maria Botto) und die Apostel, unter ihnen Bartholomäus, den Stephen Hagan als vom Glauben berauschten, selig grinsenden Hippie spielt. So trifft Clavius schließlich auf einen sehr lebendigen Yeshua, verschmitzt angelegt von Cliff Curtis ("Fear the Walking Dead"). Der Beginn einer religiösen Odyssee, die den kühlen Rationalisten vom Agnostiker zum Christen werden lässt.

Bedächtig, überraschungsfrei und manchmal unfreiwillig komisch entfalten sich die Ereignisse in einer langen Rückblende, auch Wunder wie die Heilung eines Leprakranken werden nicht vergessen. Gut ausgesucht und sauber fotografiert sind die Schauplätze, die man in Spanien und Malta gefunden hat, authentisch, mit dem nötigen episch-sakralen Einschlag ist der Score von Roque Baños ("Im Herzen der See"). Brutalität und Niedertracht bleiben weitgehend außen vor, selbst Pilatus wird nicht wie gewohnt als Schurke, sondern als berechnender, auf sein persönliches Fortkommen bedachter "homo politicus" gezeichnet.

Dass man dem Film trotz gewisser Längen und aller Vorsehbarkeit dennoch folgt, liegt vor allem an Fiennes, der glaubwürdig und ohne dick aufzutragen einen bedächtigen Mann zum Leben erweckt, der plötzlich seine eigenen Überzeugungen hinterfragen muss und dabei ein neues Ich findet.

Joseph Fiennes - großer kleiner Bruder

  • Joseph Fiennes steht ein wenig im Schatten seines älteren Bruders Ralph Fiennes ("Der englische Patient"), 1998 schrieb er sich jedoch als verliebter Barde in "Shakespeare in Love" in die Filmgeschichte ein. Als Liebhaber wird er wegen seiner verträumten Augen und der sanften Gesichtszügen gerne besetzt, siehe sein Robert Dudley, der eine königleich Affäre in "Elizabeth" unterhält.
  • 1970 im englischen Salisbury geboren, entstammt er einer Künstlerfamilie, seine Mutter war die Schriftstellerin Jennifer Lash, Vater Mark Fotograf; vier der insgesamt sechs Geschwister sind im Filmgeschäft tätig. Nach Abschluss der Kunstschule ging "Joe" zum Young Vic Youth Theatre, besuchte die Schauspielschule und war dann Mitglied der Royal Shakespeare Company.
  • Vor der Kamera debütierte er 1995 im Fernsehfilm "Poppy", im Kino war er erstmals in Bernardo Bertoluccis "Gefühl und Verführung" zu sehen. Auch war er "Luther". Er ist mit dem Schweizer Model Maria Dolores Dieguéz verheiratet; das Paar hat zwei Töchter. (geh)

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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