Kino

"Club Zero": Schlechtes Beispiel macht Schule

In ihren neuen sehenswerten Spielfilm "Club Zero" nimmt die österreichische Regisseurin Jessica Hausner ebenso Sektenbildung ins Visier wie die heute so verbreiteten Essstörungen. Der Film kommt jetzt in die Kinos

Von 
Thomas Groß
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Mia Wasikowska lehrt als Frau Novak ihre Schülerinnen und Schüler, dass weniger mehr sei. Sie sollen nichts mehr essen, um frei zu werden und den Planeten zu retten. Der Film lief im vergangenen Jahr im Wettbewerb von Cannes. © Neue Visionen

Geschichten aus der Schule und über Schülerinnen und Schüler sind ein beliebtes Sujet in Spielfilmen. Und regelmäßig geht es dabei auch um den mal guten wie zuweilen unheilvollen Einfluss von Lehrkräften. Peter Weir erzählte davon in seinem „Club der toten Dichter“. Um einen anderen, mindestens so dubiosen Club, den eine Lehrkraft initiiert, geht es im neuen Spielfilm der österreichischen Filmautorin Jessica Hausner. Es beginnt mit bewusster Ernährung in einem Eliteinternat, wo schwerreiche Eltern ihre Sprösslinge bestens aufgehoben wähnen.

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Doch mit achtsamem Essen ist es bald nicht mehr getan. Erst werden die Mengen weiter reduziert. Dann folgt die eigentliche Initiation für die Auserwählten und Besten, denn dem „Club Zero“ kann nur zugehören, wer die Nahrungsaufnahme dem Namensmotto entsprechend gänzlich einstellt - zum Nutzen der Welt, der eigenen Fitness und der Selbstkontrolle, wie Frau Novak (Mia Wasikowska) suggeriert. Dem wollen zwar nicht alle Kursteilnehmer Glauben schenken, fünf immerhin aber sehr konsequent.

Jessica Hausner erzeugt eine eindringliche Wirkung

Der allgemeine Hintergrund des Themas ist offensichtlich, sektenähnliche Gruppenbildungen gibt es immer wieder, und erst recht allgegenwärtig sind Essstörungen in der westlichen Welt. Überraschend, ja verstörend wirkt der Spielfilm von Jessica Hausner gleichwohl. In der Filmsprache erinnert ihr Werk an ihren älteren Landsmann Ulrich Seidl; nüchtern und kühl sind auch hier die Szenerien, die ironische Noten werden deutlich gesetzt. Und Hausners Charakterzeichnung ist ungemein präzise.

Einmal mehr erweist sich die Filmemacherin als Spezialistin für Grenzgänger. Davon zeugte auch schon ihr Spielfilm „Amour Fou“ über den Dichter Heinrich von Kleist und dessen Seelenfreundin Henriette Vogel, mit der er gemeinsam Suizid beging. Ähnlich war es auch schon in der früheren Produktion „Lourdes“.

Als man die Reißleine zieht, ist es bereits zu spät

„Was ist, wenn Frau Novak zu weit geht?“, fragt eine besorgte Mutter die Schulleiterin, die große Stücke auf die neue Lehrkraft hält, weil sie die unbeliebten Wochenenddienste übernommen und ihr einen eigenen Fastentee geschenkt hat. Doch als man an dem merkwürdigen Internat die Reißlinie zieht, ist es bereits zu spät. Mit sparsamen Mitteln schafft es die Regisseurin in ihrem im Wettbewerb von Cannes gezeigten zeitkritischen Spielfilm, eine so eindringliche wie eigenwillige Wirkung zu erzielen.

Redaktion Kulturredakteur, zuständig für Literatur, Kunst und Film.

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