Viernheim. Vor kurzem sei ein älterer Herr hereingekommen, erzählt Michele Manniello. „Er hat gesagt: Ich war ewig nicht mehr hier. Habt ihr noch Spieße mit Bohnen?“ Der Wirt der Viernheimer Pizzeria Salerno muss lachen. Denn ja: Auf der Speisekarte stehen immer noch die Spieße mit Bohnen, die schon vor 50 Jahren, im Jahr der Gründung des Salerno, Kunden anlockten. Manches hat sich nicht verändert. Vieles andere aber schon.
Im Juni 1975 eröffneten Domenico Morabito und Alberto Brundo das Salerno an der Ecke Wasserstraße, Rathausstraße. Morabito und Brundo, der eine Maurer, der andere Elektriker, bauten die Räume zu einer Pizzeria um – eine der ersten in Viernheim neben den Pizzerien Capri und Roma.
Die beiden Gründer waren aus San Cristoforo in Süditalien, einem Dorf in den Bergen nahe der Stadt Salerno, als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen. „In ihrer Heimat gab es keine Perspektive für sie“, erzählt Morabitos späterer Schwiegersohn Michele Manniello. „Die beiden wollten ein besseres Leben haben.“ Mit dem Salerno erfüllten sie sich diesen Traum – obwohl das Leben als Gastronom auch viele Opfer abverlangt, wie Manniello weiß.
Pizzeria Salerno ist in Viernheim von Anfang an ein Erfolg
Seine Schwiegermutter Theresa nickt. Sie zog damals mit nach Viernheim. Die älteste Tochter Imma gab das Paar wegen der vielen Arbeit in die Obhut der Großeltern in Italien. Diese Trennung fiel schwer – das zeigen die Blicke, die Mutter und Tochter beim Erzählen über den Tisch austauschen. Aber es gibt auch schönere Erinnerungen. Die Pizzeria wird von Anfang an zum Erfolg. Die Kunden strömen, „vor allem viele Amerikaner, die damals noch hier stationiert waren“, sagt Manniello.
Die Speisekarte ist zuerst klein: Pizza, Spieße mit Bohnen, Paprikaschnitzel – „was die Leute mochten“, so der heutige Wirt. Die Gründer arbeiten viel, bis 1 Uhr nachts wird Pizza gemacht und sitzt das Restaurant voll mit kartenspielenden Gästen. Aber für Morabito und später seinen Schwiegersohn ist das nicht nur Arbeit – sie lieben es auch. Manniello kommt ins Schwärmen, wenn er von den Abenden erzählt, an denen die Stimmung ausgelassen war, Gäste sich spontan zu Fremden an den Tisch setzten „oder auch mal die Pizza vom Schoß aßen, wenn es voll war“, erinnert er sich.
Das Salerno wird mit uns enden.
Das habe sich verändert. „Seit Corona ist vieles anders“, sagt Manniello. Personal sei schwer zu bekommen, die Kosten explodierten, viele Kunden scheuten das Abholen einer Pizza wegen der schwierigen Parksituation rund um das Salerno. Auch sonst sei die Lage am Ende der Fußgängerzone nicht ideal. Die direkte Umgebung sei trostlos, viele benachbarte Läden stünden leer.
Und direkt vor dem Lokal herrscht viel Verkehr – dafür, dass es in der Fußgängerzone liegt. „Wir haben Kunden, die nicht mehr vor dem Salerno essen wollen, weil dort die Entspannung fehlt“, berichtet Imma Manniello. Und der früher beliebte Mittagstisch werde immer weniger angenommen.
Aber noch hat die Familie die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich die Zeiten wieder ändern. Auch wenn sie skeptisch klingen. Ihren Kindern wünschen sie eine Zukunft in anderen Berufen. „Das Salerno wird mit uns enden“, ist Manniello überzeugt.
Aber bis dahin dauere es noch. Immerhin sei er erst 53 und eigentlich, das wird klar, brennt der Gastronom nach wie vor für seinen Beruf. „Ich koche sehr gern und suche immer wieder nach neuen Rezepten“, erzählt er und seine Augen leuchten dabei auf. Die Speisen in seiner Küche sind handgemacht, das ist ihm wichtig. „Seit Jahren backe ich auch das Brot selbst.“
50 Jahre Salerno in Viernheim: Auflagen sind für ein großes Fest zu hoch
Seit 1998, als Mitgründer Alberto Brundo ausschied, arbeitet Manniello, der in Lampertheim die Gastronomie von der Pike auf lernte, im Betrieb seiner Schwiegereltern mit. 2006 übernahm er das Salerno mit seiner Frau ganz. 2017 wurde renoviert, drei- bis viermal im Jahr richten die Manniellos besondere Events in ihrem Lokal aus, etwa spezielle Menüs mit Lesungen oder Weinverkostungen.
„Das kommt sehr gut an“, sagt der Chef – und bekommt beim Erzählen dann doch Lust, das diesjährige 50. Jubiläum des Betriebes etwas zu feiern, „vielleicht mit solchen Events, speziellen Menüs, ich denke mal darüber nach“, sagt er. Eigentlich wollte er groß feiern, auf der Straße, mit Bierausschank und Livemusik, so wie zum 25. Jubiläum. „Aber für so etwas gibt es mittlerweile zu viele Auflagen, das können wir nicht leisten“, sagt er.
Trotz aller Veränderungen – das Salerno lebt. Und das liegt auch an seinen Kunden. „Wir haben Gäste, die haben hier schon ihre Kommunion gefeiert und feiern jetzt die Kommunion ihrer Kinder“, erzählt der Wirt. „Ein Ehepaar kommt an jedem Jahrestag ihrer Verlobung, weil sie dazu einen Ring aus dem Kaugummiautomaten gezogen haben, der außen am Salerno hing!“
Alle am Tisch müssen bei der Geschichte schmunzeln. Und dann ist da noch die Eckbank zwischen den zwei Fenstern. Durchgescheuert ist sie und mit Klebeband geflickt. „Weil dort immer alle sitzen wollen“, erklärt Manniello. Es ist der Tisch der Alteingesessenen, die ohne Reservierung hereinkommen, mit Vorliebe Pizza mit Spaghetti essen, die der vor drei Jahren verstorbene Gründer Domenico Morabito erfunden haben will, erzählen, lachen und Fußball auf dem Gerät oben in der Ecke schauen, zusammen mit den Besitzern des Lokals. Sie alle sind das Salerno – seit 50 Jahren.
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