Rülzheim. Eigentlich stand Uschi Brauns Entschluss schon längst fest. "Aus ethischen Gründen" wollte sie vor 20 Jahren völlig auf Fleisch verzichten. Schließlich hatte sie schon als kleines Mädchen ein großes Herz für Tiere, gab so manchem herrenlosen Vogel oder Hund ein Zuhause. Später, nach "Wanderjahren" rund um den Erdball - zunächst als Lufthansa-Stewardess, dann als Journalistin mit dem Gebiet "Umwelt, Natur und Landwirtschaft"- wäre sie fast zur Vegetarierin geworden.
Das war vor ihrer ersten Begegnung mit dem größten Vogel der Welt. Als sie jedoch mit ihrem Mann und Kollegen Christoph Kistner von der Stadt aufs Land zog, nahm ein großer Wunsch Gestalt an. 1993 ging er in Erfüllung, der Traum von der eigenen Farm. Artgerechte Haltung, keine Zusätze, keine Medikamente: Heute isst sie nur Schinken und Braten aus eigener Produktion. Und gebietet zusammen mit ihrem Mann auf der Straußen-Farm "Mhou" im pfälzischen Rülzheim über rund 100 ausgewachsene Strauße und 20 Jungtiere.
In Zimbabwe gelernt
Das nötige Knowhow eigneten sich die Weltenbummler auf ihren Reisen an, gingen auf Farmen in Zimbabwe in die Lehre und kamen schließlich zum Schluss: Eine Straußenfarm kann eine Chance sein. "Wir hofften auf ein lebenswertes Leben für uns, unsere Mitarbeiter - und natürlich für die Tiere."
Dass dies gelungen ist, davon kann sich der Besucher beim Streifzug über das 15 Hektar große Areal schnell überzeugen. Spätestens, wenn er einen Blick in die Brutstation wirft oder die Chefin im "Frauenhaus" mit ihren gefiederten Schützlingen erlebt. Mit weit offenen Armen, beziehungsweise ausgebreiteten Flügeln, empfangen vier Vogelmädchen Uschi Bauer.
Seinen Namen hat das Gehege dem Umstand zu verdanken, dass die Strauß-Damen von ihren Hähnen attackiert wurden. Jetzt schmiegen sie vertrauensvoll ihre langen Hälse an die Wange der menschlichen Freundin, lassen sich die kräftigen Schenkel tätscheln. Wachsame, runde Augen fixieren die Besucher, eine große Ohröffnung ist ständig auf Empfang: "Sie sehen wie Adler und hören wie Luchse." Ein halber Hektar Freigehege steht jedem Hahn und seinen jeweils drei Angebeteten zur Verfügung. Darauf zupfen sie sich ihr Futter von Gras bis Löwenzahn selbst. "Das Fleisch ist mager, lecker und völlig natürlich erzeugt. Und es kommt von Tieren, die eine Vielfalt von artspezifischen Verhaltensweisen ausleben dürfen."
Die "Mhou"-Geschäftsführerin wird heute selbst im südlichen Afrika als Expertin für artgerechte Straußenhaltung anerkannt. Sie ist beim Berufsverband Deutsche Straußenzucht für Fragen des Tierschutzes zuständig und gibt ihr Wissen als Fachautorin und Referentin weiter.
Doch jetzt zum Kulinarischen: Wie schmeckt eigentlich ein Straußen-Steak? Ähnlich wie besonders zartes und gutes Rinderfilet. Im Farmladen verkauft das Team fertig zugeschnittene Teile zum Kurzbraten, als Gulasch oder zum Schmoren im Ofen. Allerdings ist die Nachfrage deutlich größer als das Angebot. Daher bieten die Wahl-Pfälzer auch Kängurufleisch an, das geschmacklich und in puncto Inhaltsstoffe dem Straußenfleisch sehr nahe kommt. Im Winter gibt es auch regionales Wild. Hinzu kommt ein großes Angebot an Straußenwurst - Salami, Knacker, Leber-Paté und Schinken. Das Sortiment komplettieren passende Bio-Gewürze und Nudeln aus Straußenei, die besonders geeignet sind für Menschen mit Hühnereiweis-Allergie.
Und das Brustfleisch, das muss doch sicher besonders lecker sein? Von wegen. Denn statt Brust hat der Wächter der Savanne eine Hornplatte, damit er die Gelege-Kuhle für seinen Nachwuchs ausheben kann. Also nix Brustfleisch? "Nein", versichert die Chefin lachend: "Sonst Zahnarzt."
Straussenfarm
Am See, 76761 Rülzheim (Freizeitzentrum).
Anfahrt über Speyer auf der B 9 Richtung Germersheim/Wörth bis Abfahrt Herxheim/Rülzheim-Nord.
Internet: www.mhoufarm.de
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/leben/geniessen_artikel,-restaurant-bars-und-essen-kleines-stueck-afrika-mitten-im-herzen-der-pfalz-_arid,410057.html