"Du bisch doch blooß zu faul, nochämol hääm zu laafe!" Wie ungerecht Mütter sein können. Die Rede ist vom Wasserweck aus dem Hause Grimminger, und die Geschichte geht der Reihe nach so: In den siebziger Jahren, als die Sommerferien noch endlos schienen und das morgendliche "Veschperpaket" fürs Schwimmbad gerichtet wurde, stand der Gang zum Bäcker an und die Mutter bestand darauf, dass die heiß geliebten Brötchen, erst noch mal nach Hause - zum Belegen - und dann erst ins Freibad wanderten. "Nein, ich will keine Salami drauf! Ehrlich, ich mag's lieber so und geh vom Grimminger direkt ins Bad."
Reine Faulheit wurde mir da unterstellt, wo schon pure Kulinarik am Wirken war. Noch heute esse ich (der säuerlichen Note wegen möglichst dunkel gebackene) Wasserweck ohne Belag, am liebsten mit Buttermilch oder Kaffee. Dass in der Not, die Wurst auch ohne Brot schmeckt, lässt sich also auch völlig notfrei umdrehen.
Genuss von der Steinplatte
Was den legendären Wasserweck so köstlich macht, dessen Konterfei 2011 auch die Broschüre zum 100-jährigen Bestehen der Bäckerei Grimminger schmückte, will ich von Michael Grimminger persönlich wissen, bei dem das Rezept seines im Frühjahr leider verstorbenen Vaters Richard in kundigen Händen ist. "Wasser, Salz, Mehl und Hefe, mehr nicht", weiß der joviale Chef, und ergänzt: "Und die Tatsache, dass sie auf einem Steinplattenofen gebacken werden." Mittlerweile hat der herbe Wasserweck ein milderes und nicht minder beliebtes Schwesterchen bekommen: die Mittagssemmel.
Gerade vermeintlich einfache Dinge besonders lecker zu machen, scheint neben vielen Köstlichkeiten die eigentliche Spezialität der Grimmingers zu sein. Das hat sich längst rumgesprochen, von Feinkost Käfer bis zur "Traube Tonbach". "Harald Wohlfahrt lässt nichts auf unser Parisienne kommen", sagt Grimminger mit einigem Stolz und erzählt, wie man durch alte Familienkontakte nach Frankreich mit einem elsässischen Bäcker an der heutigen Rezeptur von Parisienne und Pain Boulot arbeitete, für das der Familienbetrieb besonders geschätzt wird. "Die Weiterentwicklung ist entscheidend, Backen heißt ausprobieren, bis das Ergebnis stimmt", weiß Grimminger und spricht von verstoffwechselnder Hefe, freigesetztem Kohlendioxid, teigschonender Aufarbeitung und langen Ruhezeiten. All das führt letztlich zu den glasig-großporigen Broten der mediterranen Frankreich-Linie, die es längst auch mit Oliven, Peperoni oder Kräutern und in verschiedensten Formen gibt.
"In der Ruhe liegt die Kraft, das gilt auch für einen guten Teig", erklärt Grimminger, dessen Kulinarik-Linie auch vom Münchner Backhaus aus deutschlandweit Feinschmeckerfreunde versorgt.
Wie verträgt sich die Kulinarik mit 103 Filialen, einer Großbäckerei oder gar Backfabrik? Grimminger kennt die Vorbehalte, erklärt, dass trotz 80 Prozent Maschineneinsatz dennoch das Handwerk mit kleinen Kniffen den letzen Schliff setzt, die seine Produkte in Verbindung mit sorgfältiger Rohstoffauswahl weit über die Qualität von Industrieware hebt. "Es gibt Dinge, die können Maschinen nicht", sagt er lächelnd.
"Man macht sich Gedanken wie ein Koch: Wie halte ich es frisch, wie kriege ich das hin ?" Er orientiert sich an alten Bauernrezepten, experimentiert mit gekochten Kartoffeln im Roggen. Mit 30 Sorten Brot haben er und seine Mitarbeiter da einiges zu tun. Doch Michael Grimminger nimmt man die Lust am Experiment sofort ab. Kurzerhand skizziert der Ingenieur für Lebensmitteltechnologie ein paar Kohlestoffverbindungen aufs Papier, um das Wirken von Emulgatoren, ohne die auch bei ihm einige Produkte der Stabilität wegen nicht auskommen, zu erklären.
Auf alter Handwerkstradition einen steten Wandel zu vollziehen, sieht er als seine Aufgabe. Neben der Mannheimer Traditionslinie wie Bauernweiß, Steinofenbrot, Pfälzer und Odenwälder greift Grimminger auch Trends auf, wie das in der eigenen Mühle geschrotete "Riesenmüsli" Irländer ("Da liegt Korn an Korn!") mit einem ernährungsphysiologisch niedrigen Glucoseindex für Figurbewusste. Die Nachfrage nach dem unlängst modischen Eiweißbrot sei übrigens bereits wieder rückläufig, berichtet der Trendscout und Forscher und stellt Chia-Brot ("das Powerbrot der Azteken") vor.
Vom abgedeckten Trog gibt's später eine herbe Kostprobe des berühmten Sauerteigs. Als ich das Gesicht verziehe, weiß der Fachmann, der auch während des Studiums samstags und in den Semesterferien "imma in de Backstubb gschafft!" hat: "Die Natur lässt sich nicht überlisten". Ist neben der Auswahl des Korns und den aufwendigen Ruhezeiten noch eine weitere Zutat für die Köstlichkeiten verantwortlich, dann ist es fraglos die Liebe zum Produkt - und Michael Grimminger hat sie.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/leben/geniessen_artikel,-restaurant-bars-und-essen-in-der-ruhe-liegt-die-kraft-auch-bei-der-teigzubereitung-_arid,722427.html