"Erdig-nussig-pilziges" Geschmackserlebnis

Zucht: Schnecken brauchen Zeit, auch bis sie reif sind für die Teller der Feinschmecker. Züchterin Angelika Dickel liebt die Langsamkeit ihrer Tiere - und deren Geschmack. Von Elke Silberer

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Mit Kräutern, Käse und Butter schmecken Schnecken lecker.

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Für die Besucher hat Angelika Dickel ein paar Schnecken auf den Tisch gelegt und mit Wasser besprüht. Gaaanz langsam ist ansatzweise Leben auf dem Tisch. Die Tiere kommen aus den Schneckenhäusern und strecken sich auf leckeren Salatblättern aus, in Zeitlupe natürlich. Salat bekommen sie sonst nie.

Normalerweise kommen bei Angelika Dickel nur tote Schnecken auf den Tisch. Gerade köcheln welche, stundenlang und mit Gemüse. Die 55-jährige Züchterin wird später davon eine Kostprobe nehmen, viel kauen und langsam essen. "Schnecken sind reines Muskelfleisch", sagt Dickel. Sie haben viel Eiweiß und Energie. "Erdig-nussig-pilzig im Geschmack." Dickel hat eine Schneckenfarm in Moers am Niederrhein: Wohl über 500 000 Weinbergschnecken mit dem wissenschaftlichen Namen Helix Pomatia leben auf 18 eingezäunten Feldern. Dickels Betrieb sei einer der großen in Deutschland, sagt der Chef des Verbandes für artgerechte Schneckenzucht in Deutschland, Klaus Krebs.

Auf Dickels Feldern stehen Brennnesseln. "Schnecken lieben Brennnesseln", sagt auch Verbandschef Krebs. Angelika Dickel liebt Schnecken - nicht nur zwischen den Zähnen. Vor zehn Jahren fing sie mit der Zucht an und hängte ihren Job als Bauführerin an den Nagel. Aber ihr Produkt habe es schwer: "Deutsche essen keine Schnecken." In den 70er Jahren dagegen seien Schnecken in der feineren Küche noch "in" gewesen.

Da war Sternekoch Tristan Brandt aus Mannheim noch gar nicht geboren. Der 30-Jährige hat eine einfache Erklärung dafür, warum viele Deutsche keine Schnecken essen: "Es ist immer noch in den Köpfen der Leute, dass sie Schnecken in Verbindung mit schleimig und ekelig bringen." Schnecken seien eher etwas für die Spitzenrestaurants mit drei Sternen.

Dickels Schnecken brauchen lange drei bis vier Jahre, bis sie gegessen werden können. Im August und September ist es wieder so weit: Dann heißt es sammeln, waschen, in heißem Wasser brühen, die Häuschen abnehmen, stundenlang köcheln, schockfrosten. Alles Handarbeit.

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